Der Maya-Kalender endet 2012 – na und? Meiner endet am 31. Dezember – und das jedes Jahr! Kein Wunder, dass man da manchmal um ein Futzerl überreagiert. Zu Protokoll gegeben von Rainer Sigl.
Zuallererst, Herr Inspektor, möchte ich noch mal sagen, wie leid mir das alles tut. Die Weihnachtsstimmung ist mit mir durchgegangen, anders kann ich mir das nicht erklären. Die besinnlichen Adventlieder, die Weihnachtsbeleuchtung, die glänzenden Kinderaugen, das Punschtrinken für den guten Zweck … es war mir auf einmal zu viel. Es hat ja eigentlich der Tag schon ganz harmlos wie jeder andere Tag im Advent angefangen: Im Radiowecker war »Last Christmas«, das weiß ich noch, weil meine liebste Gattin samt den zwei Kleinen da, wie immer, laut mitgesungen hat. Ja, sie liebt halt Weihnachten. Ich also aus dem Bett gehüpft, gegen diese höllischen Kopfschmerzen, die mich seit Ende September plagen, ein Pulverl genommen, in der Küche schnell den Adventkranz angezündet, meinen Kaffee mit Zimtaroma und ein paar Weihnachtskekse gegessen, und dann ab in die Arbeit, mit der ganzen Bande im Auto!
Ja, Herr Inspektor, weil das kommt noch dazu: Sooo perfekt hab ich jetzt nicht rausgesehen aus dem Wagen, also nicht wegen dem Eis, sondern wegen dem Weihnachtsdeko-Kripperl mit Lichtschlangen, das meine Frau da hinten auf der Hutablage montiert hat, aber der halbmetergroße Holzweihnachtsmann, den sie mir an den Rückspiegel gehängt hat, also der hat schon Stil, nicht wahr, der ist von taubblinden Bergbauernwitwen aus dem Grödner Tal handgeschnitzt! Wir also auf der Südosttangente, im CD-Player die schönsten Weihnachtshits, die Frau und die Frau und die Kinder singen »I gave you my heart, but the very next day …«, eh schon wissen, und da hat das dann angefangen. Dass sich so ein gewisser Tunnelblick einstellt, nicht, mit rotem Rand. Da hab ich mir aber noch nichts gedacht, jaha, Geduld bewahren, Stau hat auch sein Gutes, da hat man dann doch auf dem Weg zur Schule der Kinder und zur Arbeit dann so gemütliche eineinhalb Stunden Zeit, um sich was zu überlegen.
Für … eh schon wissen. Weihnachten. In der Arbeit war’s dann auch ganz wie immer in der fröhlichen Adventszeit, ja, ich nehm dann immer einfach noch die doppelte Dosis gegen diesen hämmernden Kopfschmerz, der mich immer um diese Jahreszeit heimsucht, vor allem, seit meine Kollegin jetzt »Last Christmas« als Klingelton hat. Bitte? Ja, George Michael. Wham, genau.
Na, jedenfalls um vier bin ich dann anscheinend früher weg aus dem Büro – ich kann mich da nur dunkel erinnern, dass da im Büro irgendein Problem war, irgendwas mit einem Handy, das versehentlich aus dem Fenster gefallen ist, ich muss da noch mal nachfragen – jedenfalls ich noch ein Migränepulverl und dann zum Bahnhof, die Schwiegermama treffen, die uns einmal im Jahr besuchen kommt. Ja, genau, im Advent. Weil’s da so schön ist, auf den Christkindlmärkten. Sie mag das »rege Treiben«, sagt sie. Kann ich einen Schluck Wasser und zwei, drei Aspirin …? Danke, Herr Inspektor. Geht schon wieder.
Ich fahr also zur Schwiegermama zum Bahnhof, die Weihnachtspackeln in den Kofferraum und hinein ins rege Nachmittagsvorweihnachtsverkehrstreiben, und da, Herr Inspektor, da muss es dann passiert sein. Ich kann mich nur mehr bruchstückhaft erinnern, aber am Weg zum dritten Weihnachtsmarkt bin ich wohl mit dem Wagen unversehens unglücklich in die Fußgängerzone geraten und hab dann wohl leider diese – hihi – drei Weihnachtsmänner vor diesem Möbelhaus und zwei Weihnachtsmänner von diesem Handy-Anbieter erwischt. Das heißt, angeblich hab ich ja den fünften nicht direkt in der Fußgängerzone touchiert, sondern erst nach ein paar hundert Metern quer durch den Park, wie ihm dann die Luft zum Laufen ausgegangen ist. Das Einzige, an was ich mich noch klar erinnere, ist, dass im CD-Player ein Lied auf Wiederholung gelaufen ist, ich hab gesungen »Next year, to save me from tears«, und auch noch laut, ja klar, wegen dem Kreischen von der Schwiegermama … genau. Ja, die Achtzigerjahre. Ein Welthit, hihihi, ein Evergreen! Hi. Hi.
Wie gesagt: Es tut mir alles sehr, sehr leid. Eine Bitte hätt ich noch, Herr Inspektor. Würden S’ mich vielleicht noch eine Weile in Isolationshaft lassen? So bis zum Dreikönigstag? Und könnten S’ bitte aufhören, das zu summen? Danke. Weil : Mir wird schon wieder so … weihnachtlich.