Der Obmann des österreichischen Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen GBV, Karl Wurm, spricht im Interview über alternative Finanzierungsmodelle für den Wohnbau, die zu erwartenden Auswirkungen des Bestbieterprinzips und die aktuelle Lage am heimischen Wohnungsmarkt.
(+) plus: Wie fällt die Bilanz der Gemeinnützigen für 2014 aus?
Karl Wurm: Es gibt noch keine endgültigen Zahlen, aber man kann jetzt schon sagen, dass 2014 ein relativ gutes Jahr war. Wir werden in Sachen Bautätigkeit sicher zulegen, was aber auch damit zusammenhängt, dass die Bundesländer über die Wohnbauförderung mehr Gelder in den Markt geschickt haben. Davon profitieren wir natürlich. Geblieben sind die großen Herausforderungen wie hohe Grundstückspreise und Baukosten. Auch wenn sich die Länder aktuell bemühen, bei den Normen etwas zurückzufahren. Aber es fehlt nach wie vor der Mut, in die kostenintensiven Bereiche wie Brandschutz oder Barrierefreiheit einzugreifen.
(+) plus: Führt die gesteigerte Bautätigkeit hinsichtlich Angebot und Nachfrage zu einer Entspannung?
Wurm: Das ist ganz stark abhängig von der Region. Im ländlichen Bereich gab es nie eine wirkliche Anspannung. Kärntner Kollegen berichten, dass sie in Tälern echte Probleme mit der Abwanderung haben. Da gibt es sogar Leerstand. Die Hot Spots sind nach wie vor die Ballungszentren und dort ist die Nachfrage ungebrochen groß. Da gibt es keine Leerstände und auch die Fluktuation ist gering. Gefragt sind vor allem günstige Mietwohnungen.
(+) plus: Seit der Nationalratswahl wird von einem Wohnbaupaket gesprochen. Geschehen ist bislang nichts. Rechnen Sie noch damit?
Wurm: Die Bundespolitik hat es schwer, denn eigentlich ist sie gar nicht zuständig. Aber natürlich weiß die Regierung, dass es ihr schadet, wenn sie sich zu diesem wichtigen Thema nicht äußert. Deshalb hat man schon im letzten Jahr versucht, ein Paket mit den Ländern zu schnüren, um zu zeigen, dass man sich kümmert. Allerdings waren die Rahmenbedingungen so, dass die Länder mit Ausnahme von Wien die erforderlichen Kriterien nicht erfüllen konnten oder wollten.
Das ist ziemlich schief gelaufen und das lastet auf der Bundesregierung. Deshalb bin ich auch Optimist, dass sich hier noch etwas tun wird. Und zwar auch deshalb weil sich das Klima doch deutlich geändert hat. Es geht jetzt viel mehr in Richtung Investitionen, Stichwort Juncker-Paket. Im Gegensatz zu den letzten Jahren steht jetzt nicht mehr das rigorose Sparen im Vordergrund. Die Austeritätspolitik wird zunehmend aufgeweicht.
(+) plus: Realpolitisch ist davon aber noch nicht viel zu sehen.
Wurm: Realpolitisch sieht es derzeit so aus, dass die Bundesregierung aufgrund des Budgetpfades nicht viel Geld in die Hand nehmen kann. Da lastet die Hypo schwer, selbst wenn der Investitionswille gegeben wäre. Aber es gibt trotzdem Möglichkeiten, wie man vorhandene Instrumente nutzen kann, um zu Geld von Dritten wie der Europäischen Investitionsbank oder von Anlegern zu kommen.
(+) plus: Sie sprechen die von der Nachhaltigkeitsinitiative Umwelt+Bauen vorgestellte Wohnbauoffensive an, die dank dem Zinstief günstige Gelder der EIB dem Wohnbau zuführen soll. Damit sollen in fünf Jahren 30.000 zusätzliche Wohnungen errichtet werden. Das klingt dank Steuerrückflüssen und der Schaffung zahlreicher Arbeitsplätze wie eine Win-win-Situation. Woran kann es scheitern?
Wurm: Für eine Maßnahme wie diese brauche ich ein Finanzministerium, das mitzieht. Denn der Bund muss ja eine zehnprozentige Haftung übernehmen. Und mit Haftungen ist man derzeit vorsichtig. Aber ich glaube, dass es auch da langsam zu einem Umdenken kommt. Denn die Haftungen kosten den Bund ja nicht nur Geld, sie bringen ja auch Haftungsentgelte. Und über die Investitionen kommt es ja auch zu einem zusätzlichen Steueraufkommen. Ein pragmatischer Finanzminister, und ich glaube, den haben wir derzeit, wird sicher erkennen, dass der Bund hier sogar positiv aussteigen kann.
Ein weiterer unsicherer Punkt ist die Realpolitik in Österreich. Laut Gesetz sind die Länder für den Wohnbau zuständig. Und da kann es natürlich sein, dass es das eine oder andere Land nicht gerne sieht, wenn hier der Bund, wenn auch nur temporär, das Sagen hat. Dabei handelt es sich aber nur um ein zusätzliches Finanzierungsinstrument, das die Wohnbauförderung nicht angreift.
(+) plus: Wer würde bei diesem Modell entscheiden, was wo gebaut wird?
Wurm: Ich gehe davon aus, dass die Wohnbaubanken eine gemeinsame Gesellschaft gründen würden, über die das Ganze abgewickelt wird. So wie die Wohnbaubanken auch jetzt schon die Gelder der Wohnbauanleihen nicht nur verwaltet, sondern auch verteilt haben, so wird das auch im Rahmen der Wohnbauoffensive ablaufen. Es werden klare Kriterien festgelegt, um an die Gelder zu kommen.
(+) plus: Ein sehr ähnliches Modell ist die Wiener Wohnbauinitiative, über die knapp 7.000 zusätzliche Wohnungen errichtet werden. Warum gibt es ähnliche Modelle nicht auch abseits von Wien?
Wurm: Das ist eine gute Frage. In erster Linie ist es eine Frage des Geldes. Ich glaube, dass die Finanzverantwortlichen in den Ländern bisher davor zurückgeschreckt sind, eine zusätzliche Verantwortung zu übernehmen, was sich budgetär niederschlagen könnte. Das ist auch der Charme der vorgeschlagenen Wohnbauoffensive, dass die Belastungen nicht die Länder, sondern den Bund und die Wohnbaubanken treffen.
Und ich glaube, dass vielerorts die Meinung vorherrschte, dass aufgrund der großen Nachfrage ohnehin der frei finanzierte Wohnbau in die Bresche springt. Aber das ist natürlich nur zum Teil richtig. Denn der Bereich der leistbaren Mietwohnungen wird damit nicht abgedeckt.
(+) plus: Welche Auswirkungen wird die Umstellung vom Billigstbieter- auf das Bestbieterprinzip auf die gemeinnützigen Bauträger haben?
Wurm: Im Grunde genommen sind die Gemeinnützigen prädestiniert für das Bestbieterprinzip. Weil die 190 Gesellschaften und Genossenschaften über ganz Österreich verteilt sind und das Regionalprinzip auch in der täglichen Praxis eine große Rolle spielt. Es ist sicher auch möglich, dass wir gewisse Kriterien wie etwa Bonität stärker in den Vordergrund stellen. Kriterien, die einfach feststellbar sind. Wo wir aber sicher an unsere Grenzen stoßen, ist, wenn wir jetzt einen Kontrollmechanismus aufbauen müssen, der das Problem der Subfirmen eindämmen soll. Es gibt ja schon Mechanismen, um das zu verhindern. Aber die bekommen das Problem auch nicht in den Griff. Das jetzt den Gemeinnützigen umzuhängen, schießt meiner Meinung nach über das Ziel hinaus. Da wären wir definitiv überfordert und die daraus resultierenden Kosten würden wieder die Mieter treffen.
Die Bauwirtschaft hat hier eine offene Flanke. Denn die Verursacher des Problems sind ja Baufirmen. Deshalb kann man die Kontrollen auch nicht den Auftraggebern aufhalsen. Das muss die Bauwirtschaft schon selbst in den Griff bekommen.
(+) plus: Mit welchen Erwartungen gehen die Gemeinnützigen in das Jahr 2015?
Wurm: 2015 wird sicher ein sehr herausforderndes und interessantes Jahr. Wesentlich wird sicher sein, dass die Rahmenbedingungen im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz jetzt endlich so angepasst werden, dass wir noch zukunftstauglicher werden.
Weiters gehe ich davon aus, dass sich in den Großstädten an den hohen Grundstückspreisen nichts dramatisch ändern wird. Dort wo eine rasche Bauumsetzung möglich scheint, werden die Preise noch weiter steigen. Ich hoffe aber, dass die Dynamik bei den Normen nachlässt, damit die Baukosten nicht weiter ausufern. In Sachen Bauvolumen wird es keine großen Änderungen geben, weil aktuell alle Bundesländer ihren Rahmen ausschöpfen. Zu Erhöhungen der Wohnbauförderung wird es aufgrund der budgetären Lage eher nicht kommen.