Samstag, Dezember 21, 2024
Herausforderungen einer neuen RPA-Lösung
Gerrit de Veer ist Senior VP MEE bei Signavio.

Viele RPA-Projekte führen nicht zum gewünschten Erfolg. Gerrit de Veer, Senior Vice President MEE bei Signavio, nennt einen Hauptgrund für das Scheitern von Projekten: die Vernachlässigung des „P“ in RPA.

Wie kann man sich als Unternehmen dem Thema RPA nähern?

Gerrit de Veer: Viele Unternehmen setzen auf Robotic Process Automation und versprechen sich davon Vorteile wie Zeit- und Kosteneinsparung, Reduzierung manueller Tätigkeiten, höhere Qualität und Entlastung der Mitarbeiter. Diese Vorteile wollen sie schnell, mit minimalem Aufwand und ohne Unterbrechung der aktuellen Prozesse und Anwendungen realisieren. Dabei zeigt sich immer wieder, dass die Implementierung von RPA eine größere Herausforderung ist, als zunächst angenommen. Für den Erfolg ist deshalb entscheidend, RPA nicht im schnellen Ad-hoc-Verfahren einzuführen, sondern strategisch und methodisch mit einer schrittweisen Implementierung vorzugehen. Zu solchen Schritten gehören etwa Business-Case-Definition, Einbindung aller relevanten Stakeholder, Pilotierung, Implementierung und Optimierung sowie Prozessüberwachung und KPI-Messung.

Wie können Anwendungsfälle gefunden werden, in denen sich ein RPA-Projekt lohnt?

Gerrit de Veer: Ein Kardinalfehler besteht in der Auswahl der Prozesse, die automatisiert werden sollen, schließlich ist nicht jeder Prozess für eine RPA-Anwendung geeignet. So können Aufgaben oder Entscheidungen, die menschliche Erfahrung und Expertise erfordern, mit aktuellen RPA-Tools nicht automatisiert werden. Auch wenn die RPA-Tools immer ausgereifter werden, ist das Anwendungsgebiet heutiger Tools aufgrund ihrer Funktionen auf repetitive und methodische Aufgaben beschränkt, bei denen Entscheidungen richtlinien- und regelbasiert erfolgen. Weniger geeignet ist RPA etwa für Prozesse, die nur selten durchgeführt werden, oder für Prozesse, die eine menschliche Intervention erfordern.

Welchen Vorbehalten begegnen Sie in der täglichen Umsetzung?

Gerrit de Veer: Selbst wenn Unternehmen bei einem RPA-Projekt die richtigen Prozesse identifiziert haben, lauern noch etliche Gefahren und Hürden: So sind die zu automatisierenden Prozesse oft nicht dokumentiert, nicht standardisiert und nicht optimiert. Startet ein Unternehmen dann mit einer schnellen RPA-Umsetzung, riskiert es, auch Prozesse mit Schwachstellen ohne vorherige Änderungen zu automatisieren. Die historisch gewachsene Entscheidungslogik innerhalb der Prozesse wird ebenfalls häufig automatisiert, ohne zu überprüfen, ob sie noch aktuelle Anforderungen erfüllt. Im schlimmsten Fall steigt die Fehlerquote durch die Automatisierung rapide an und Unternehmen erreichen genau das Gegenteil: Steigende Kosten! Die Best-Practice-Empfehlung bei jeder RPA-Implementierung lautet somit: Geschäftsprozesse zunächst analysieren, anschließend optimieren und erst dann automatisieren.

Wie können die Mitarbeiter letztlich mitgenommen werden, damit RPA in der täglichen Arbeit Erfolg verspricht und auch Mehrwerte schafft? 

Gerrit de Veer: Eine zufriedene und engagierte Belegschaft, die offen für RPA ist, zählt zu den elementaren Erfolgskomponenten. Wenn die Mitarbeiter die Technologie ablehnen, werden sie diese niemals wirklich einsetzen. So kann aus einem Kosten- und Produktivitätsvorteil schnell ein kostspieliges Unterfangen werden. Eine RPA-Bereitstellung erfordert wie jeder digitale Transformationsprozess deshalb einen Change-Management-Prozess. Die Mitarbeiter benötigen Informationen und Kenntnisse, um zu verstehen, was RPA für sie, ihre Arbeit und ihre Kollegen bedeutet. Nur so lassen sich Frustration und Verwirrung vermeiden.

Werden aus Ihrer Sicht die Prozesse, die automatisiert werden sollen, genügend hinterfragt? Oder anders gesagt: wie wird verhindert, dass RPA nicht nur Selbstzweck ist?

Gerrit de Veer: Generell kommt die Prozesssicht bei RPA-Projekten oft zu kurz. Vielfach wird nur unzureichend berücksichtigt, dass Prozesse sich häufig über mehrere Abteilungen erstrecken und eine Vielzahl von Interessengruppen betreffen. Wenn RPA dann nur mit Hilfe eines bestimmten Geschäftsbereichs implementiert wird und die Neuerung nicht unternehmensweit kommuniziert wird, können Unternehmen auch nicht das Beste aus ihrer Investition herausholen. Ein internes Silodenken aufzubrechen, zählt somit zu einer wichtigen Aufgabe für die effektive RPA-Nutzung.

Der entscheidende Punkt ist aber, dass Unternehmen bei Robotik- und Automatisierungsprojekten allzu oft die Relevanz von Prozessen vergessen. Die Notwendigkeit, Prozesse vor der Automatisierung zu optimieren, macht den Einsatz einer modernen Prozessmanagement-Lösung zur Grundvoraussetzung einer erfolgreichen RPA-Implementierung. Das heißt: RPA-Tools müssen im Kontext vorhandener Methoden zur Prozessverbesserung eingesetzt werden. Ein RPA-Erfolg ohne BPM-Basis ist eine Illusion. Eine moderne BPM-Lösung sollte dabei eine zentrale Modellierung, Optimierung und Ausführung von Geschäftsprozessen bieten und Technologien für Prozess- und Entscheidungsmanagement, Process Mining und Customer Journey Mapping umfassen.

Wann erleben wir RPA-Prozesse, die sich selbstständig verbessern? 

Gerrit de Veer: RPA darf nicht mit intelligenter Automatisierung gleichgesetzt werden. Heutigen RPA-Lösungen fehlen die intelligenten „smarten“ Lernfähigkeiten. Für die erfolgreiche RPA-Einführung ist derzeit die End-to-End-Modellierung mittels BPM ein absolutes Muss, da sie eine vollständige Orchestrierung eines gesamten Geschäftsprozesses ermöglicht. Einfach ausgedrückt ist BPM die Basis für einen integrierten menschlichen und robotergestützten Workflow zur Verwaltung von Geschäftsprozessen.

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