Der IT-Standort Österreich kann es sich nicht leisten, auf Frauen zu verzichten. Ein Kommentar von Lena Hofmayr, Head of Social Media der Digital-Agentur SPiNNWERK.
Die IT-Branche steht bekanntlich schon lange vor dem Problem des Fachkräftemangels. Dabei würde es der Branche schon mal helfen, es Frauen beim Einstieg in diesen Bereich nicht ganz so schwer zu machen. Es fängt mit einem gesamtgesellschaftlichen Problem an: Männer inszenieren sich viel häufiger gerne und mit Leidenschaft. Das geht schon in der Schule los und zieht sich über das Studium bis in die Arbeitswelt weiter durch. Mädchen dagegen trauen sich weniger zu und fühlen sich nicht ernstgenommen. Das darf nicht sein. Junge Mädchen müssen schon früh die Erfahrung machen: Man nimmt uns genauso ernst wie die Burschen. Unsere Fähigkeiten werden genauso erkannt und gefördert. Wenn wir uns melden, hören andere zu. Denn daraus entsteht erst das Gefühl: Ich kann genauso viel wie ein Mann und ich werde dafür wertgeschätzt. In unserer Gesellschaft ist noch immer das Gegenteil der Fall. Ich würde mir wünschen, dass Mädchen dieses Denken schon im Kindesalter mitgegeben wird.
Die Männerdomäne IT? Wir müssen umdenken!
Zum anderen muss die IT-Branche ein anderes Image bekommen. Nicht hinsichtlich der Gehälter oder der Arbeitsplätze – hier steht die Branche ohnehin gut da. Der Bereich muss attraktiver für Frauen werden – und dass kann sie erst, wenn sie sich grundsätzlich in ihrer Einstellung gegenüber Frauen geändert hat. Keine Frau möchte in einem Umfeld arbeiten, in welchem sie nicht ernstgenommen, in ihren Beiträgen übersehen und immer wieder dumm angemacht wird. Es darf nicht sein, dass nur die Frauen bleiben, die eine dicke Haut entwickelt haben. Es gibt so viele großartige Frauen, die sich für die Bereiche interessieren. Trotzdem trauen sie sich oft weniger zu und wenn sie es tun, müssen sie sich gegen jede Menge Gegenwind durchsetzen. Das Resultat: Sie steigen seltener auf.
Digitalmarketing & Social Media – der erste Schritt Richtung Chancengleichheit?
Es gibt heute bereits Felder im digitalen Bereich, in denen Frauen genauso oft beschäftigt sind wie Männer. Social Media und Digitalmarketing zum Beispiel. Hier sind Frauen sogar oft häufiger als Männer vertreten. Fachhochschul- oder Weiterbildungskurse in diesen Bereichen werden um die 90 % von Frauen besucht und ich freue mich darüber, ein rein weibliches Team in einer Digitalagentur zu leiten. Aber auch hier beobachte ich leider: Bewerber*innen trauen sich weniger zu und entwickeln sich langsamer weiter, fordern weniger ein. Wir versuchen aktiv, Frauen zu motivieren und zu stärken. Wir suchen auch im Bereich Webdesign und Programming aktiv nach Frauen, diese Richtung schlagen Frauen aber noch immer selten ein.
Frauen profitieren von IT-Kenntnissen. Und die Branche profitiert von Frauen.
Dabei brauchen wir die Kompetenz von Frauen. In allen Bereichen der Digital- und IT-Branche. Wir können nicht auf die Kompetenz von 50 % der Bevölkerung verzichten. Und was jetzt schon bei jeder und jedem angekommen sein sollte: IT-Kompetenzen werden immer wichtiger, durch die Pandemie wurde dies noch mehr beschleunigt. Jeder Mensch mit IT-Kenntnissen wird auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen haben. Diese Chance darf nicht ausschließlich den Männern vorbehalten bleiben. Mehr Frauen, die IT-Weiterbildungen oder relevante Studien absolvieren, wären nicht nur für die Wahrnehmung von Frauen in der Branche förderlich – es würde der gesamten Branche helfen und dem Problem des Fachkräftemangels entgegenwirken.
Somit hoffe ich, dass dieses Umdenken wirklich stattfindet. Dass die nächsten Generationen junger Frauen sehen, dass sie mit ihren Kenntnissen in den früheren Männerdomänen tatsächlich gebraucht und geschätzt werden. Dass man(n) sie ernstnehmen muss. Und dass sie sich dadurch mehr zutrauen und aufsteigen. Es ist in den letzten Jahren schon viel besser geworden. Ich sage es ungerne, aber die Pandemie hat doch viele Menschen wachgerüttelt. Dass sich Unternehmen, Schulen und Menschen mit der Digitalisierung auseinandersetzen müssen, ist vielen jetzt um einiges klarer. Und es ist nie zu spät, sich grundlegende Kenntnisse anzueignen – es macht sogar Spaß und macht fit für die Zukunft.