Sonntag, Dezember 22, 2024
»Digitalisierung lässt nicht auf sich warten«

Accenture hat in einer Studie weltweit Führungskräfte von ­Energieversorgungsunternehmen befragt. Hans-Peter Schmid, Managing Director im Bereich Resources und Energieexperte bei Accenture Österreich, über Kapazitätsgrenzen und Champions der Industrie.

Report: Was sind die zentralen Erkenntnisse aus der Befragung von Accenture? Wie schätzen die Führungsebenen die wirtschaftliche Zukunft ihrer Unternehmen ein?

Hans-Peter Schmid: Die Branche steht unter Druck. Einerseits besteht der regulatorische Kostendruck. Disruptive, dezentrale, neue Energietechnologien führen zu ständig steigenden Anforderungen an das Verteilnetz. Gleichzeitig sehen wir ein sich änderndes Konsumentenverhalten – wie in vielen anderen Branchen auch.

Fast 94 Prozent der Befragten glauben, dass diese Situation noch bis 2025 anhalten wird. Mehr als die Hälfte geht davon aus, dass ihre Netze in den nächsten drei Jahren an ihre Kapazitätsgrenzen gelangen werden. Gleichzeitig nehmen die Energie-Manager auch die Chancen der Digitalisierung wahr. Das birgt mittel- und langfristig neue Effizienz- und Erlöspotenziale. Dennoch fällt es ihnen schwer, das volle Potenzial der Digitalisierung heute schon zu heben.

Dies deckt sich auch mit unserer Einschätzung: Auch wenn die Digitalisierung aktuell in aller Munde ist, mangelt es derzeit immer wieder noch an der konsequenten Umsetzung.

Report: Was wird die Digitalisierung für den regulierten Netzbereich bringen? Welche Chancen könnten sich hier – wenn der Gesetzgeber nachzieht – für die Betreiber eröffnen?

Schmid: Im Kern kann die Digitalisierung bei der Verbesserung der Netz-Performance helfen. Digitale Technologien helfen Prozesseffizienzen zu heben, Analytics-getriebene, intelligente Netzsteuerungen zu betreiben sowie Wartungsnotwendigkeiten und Verbrauchsschwankungen treffsicher vorherzusagen. So können Wartungs- und Investmentkosten um zehn bis 20 Prozent gesenkt werden und die Versorgungssicherheit um bis zu fünf Prozent verbessert werden. Zudem können zusätzliche Netzwerkservices entwickelt und neue Erlöspotenziale erschlossen werden.

Report: Was würden Sie aus der Untersuchung für die heimische Energiewirtschaft ableiten? Welche Empfehlung haben Sie für Unternehmen?

Schmid: Eines hat die Studie klar gezeigt: Digitalisierung lässt nicht auf sich warten. Die Champions der Industrie gehen das Thema Digitalisierung mit einem beherzten, visionären   Transformationsprogramm aktiv an. Dafür wird auch Budget bereitgestellt.
Wer in der Digitalisierung reüssieren möchte, der muss das bestehende Geschäftsmodell Schritt für Schritt digitalisieren und gleichzeitig strukturiert an neuen Geschäftspotenzialen arbeiten. Das funktioniert nur, wenn die Organisation kundenzentriert aufgestellt ist und auch die Skills ihrer Mitarbeiter entsprechend weiterentwickelt werden.


Studie: Ab 2025 steigende Erträge

Der Veränderungsdruck in der Branche wird sich auch in naher Zukunft negativ auf die Ergebnisentwicklung im Netzgeschäft auswirken. Als Gründe dafür nennen in einer Studie von Accenture die befragten Führungskräfte von Energieversorgungsunternehmen mit Netzbetrieb in 25 Ländern vor allem unter den Abschreibungswert sinkende Kapitalinvestitionen (genannt von 16 %), höhere Zielvorgaben für die Versorgungsstabilität sowie eine stärkere Überwachung der erbrachten Netzleistung durch die Regulierungsbehörden (13 %) und eine rückläufige Energienachfrage (13 %). Während digitale Technologien künftig einen erheblichen Beitrag zu neuer Wertschöpfung und mehr Wachstum leisten könnten, sind fast alle Befragten (93 %) skeptisch, ob die Netzbetreiber diese Vorteile auch für sich nutzen können. Langfristig erwarten die Befragten, dass spätestens ab 2025 die Erträge im Netzgeschäft wieder steigen werden. Die Gründe: höhere Effizienz durch schlankere Kerngeschäftsprozesse ­ (54 %), ein leistungsfähigeres Stromnetz durch den Einsatz intelligenter Netztechnologien (50 %), neue Umsatzmöglichkeiten im Kerngeschäft rund um die Stromübertragung (43 %), neue Angebote rund um Microgrids (40 %) und Investitionen in Anlagen für die dezentrale Stromerzeugung und in Energiespeicher (40 %).

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