Johannes Baumgartner-Foisner, Geschäftsführer BEKO Engineering & Informatik, blickt auf rasante Veränderungen zurück und erwartet noch mehr Dramatik für die Zukunft. Seine Empfehlung: Veränderungen selbst mitzugestalten.
Report: Was können wir aus den letzten 20 Jahren Technologieentwicklung für die Zukunft lernen?
Baumgartner: Zwei Jahrzehnte sind in der IT-Branche eine lange Zeit. Vor 20 Jahren hatte die wenigsten ein Mobiltelefon, es war durchaus üblich, über Festnetz zu telefonieren. Seitdem haben die technischen Entwicklungen massiv unsere Gesellschaft verändert – wir werden noch viele Jahre beschäftigt sein, damit richtig umzugehen. Als zentrale Herausforderung heute sehe ich den Umgang mit der ständigen Erreichbarkeit jedes Einzelnen, die durch Technologie ermöglicht wird. Der Druck, ständig seine Mails zu checken, sofort zu schreiben oder zurückzurufen, verursacht nachgewiesenermaßen Stress. Und wenn jemand auch außerhalb seiner Kernarbeitszeit keine Chance sieht, abzuschalten, wird das sehr bedenklich.
Report: Ist nicht zu erwarten, dass sich die Geschwindigkeiten in der Kommunikation und immer knapperen Reaktionszeiten weiter zuspitzen? Diese Entwicklung scheint kaum mehr umkehrbar.
Baumgartner: Ja und nein. Technologie wird uns noch viel mehr Möglichkeiten liefern, aber vieles regelt sich letztlich wieder durch den Menschen. Wir alle haben unsere Limits und werden sicherlich nicht allem, was technisch machbar ist, blind folgen. Da glaube ich an das Gute
im Menschen.Vielleicht werden wir uns als Gesellschaft auch in extreme Gegensätze bewegen – mit technikaffinen Anwendern, die mit verschiedenen virtuellen Identitäten agieren, und andererseits jene außerhalb dieser technisierten Welt, die entsprechend inkludiert werden müssen.
Report: Wie lautet Ihrer Prognose, wie wir in Zukunft arbeiten werden?
Baumgartner: Ich bin überzeugt, dass Papier aus dem Geschäftsalltag weitgehend verschwinden wird. Es wird einfach keine Notwendigkeit mehr für Ausdrucke oder auch Unterschriften in Papierform geben. Schon heute können Sie eine Versicherung rein auf digitalem Weg abschließen, über Apps, SMS und der digitalen Signatur am Smartphone. Auch werden sich die Kommunikationskanäle ändern, weg von E-Mail, hin zu vermutlich Chat oder anderen Kanälen.
Report: Welche Rolle spielen Arbeitsmodelle und die Ausstattung des Arbeitsplatzes in der Ansprache von Fachkräften heute? Wie sieht die »neue Welt des Arbeitens« bei BEKO aus?
Baumgartner: Möchte ein Unternehmen erfolgreich sein, braucht es die richtigen Leute – die im »War for talent« immer schwieriger zu finden sind. Sie müssen nur auf unsere Homepage schauen: Wir haben derzeit knapp 80 offene Stellen. Was können wir als Firma dazu nun unternehmen? Zum einen setzen wir auf eine offene, flexible Arbeitsumgebung. Das bedeutet, dass Mitarbeiter nicht jeden Tag zum Arbeitsplatz im Büro fahren müssen, sondern etwa auch von zu Hause ihren Aufgaben nachkommen können. Dann ist von den Unternehmen gefordert, die Digitalisierung nicht einfach nur als Kraftübung zu sehen, um Prozesse noch schneller und noch effizienter zu gestalten.
Wir müssen vielmehr komplett neue Zugänge zu Herausforderungen finden, Dinge völlig anders denken. Streaming-Dienste in der Musik oder Unternehmen wie Uber sind gute Beispiele für disruptive Geschäftsmodelle, die in wenigen Jahren ganze Branchen verändert haben. Für die Entwicklung von solchen komplett neuen Modellen brauchen wir Leute, die sich nicht von Vergangenem beeinflussen lassen, die frei denken und Veränderung zulassen.
Report: Beko hat Kunden im Gewerbe und in der Industrie. Aber sehen sich diese Unternehmen gezwungen, ihr Geschäft so dringend zu ändern?
Baumgartner: Klar, viele haben ein immer noch funktionierendes Geschäft. Die Gemeinheit ist nur, dass man die Veränderungen oft gar nicht merkt. Wenn branchenfremde Unternehmen, Start-ups, zu neuen Marktspielern werden, registrieren das viele zunächst nicht – sie setzen sich ja nicht damit auseinander. Von radikalen Marktveränderungen wird kaum ein Bereich verschont bleiben, man denke nur an 3D-Drucker. Ein anderes Beispiel: Bei Beko wird viel im CAD-Bereich konstruiert. Was würde passieren, wenn in den nächsten Jahren Konstruktionen in Virtual-Reality-Umgebungen beliebt werden? Das klassische CAD wäre obsolet. Auch Building-Information-Modelling, BIM, mag in Österreich noch in den Kinderschuhen stecken, es wird aber die Geschäftsprozesse über alle Gewerke hinweg für immer verändern. Wenn dann ein Installateur oder Elektriker BIM nicht kann, wird dieses Unternehmen einfach weniger Aufträge bekommen. Und der Betrieb weiß vielleicht gar nicht, warum.
Report: Die größte Herausforderung ist also, die Scheuklappen abzulegen?
Baumgartner: In besonders spezialisierten Unternehmen der Industrie und der Fertigung kann Ihnen schon mal jemand ausgiebig die Vorteile dieses einen Walzwerks erläutern. Mitunter fehlt aber das Wissen völlig, dass die Konkurrenz aus China die gleiche Produktqualität schafft und ein Vielfaches an Informationen zusätzlich mitliefert – detaillierte Temperaturdaten aus dem Produktionsprozessen etwa, die im Ursprungszeugnis verzeichnet sind.
Innovationszyklen wurden in der Vergangenheit in Jahrzehnten gemessen. Man hatte sich entsprechend darauf vorbereiten können. Durch die Digitalisierung vergeht nun die Zeit schneller. Wenn Sie Pech haben, sind Sie innerhalb weniger Monate weg vom Markt – und wissen nicht einmal, warum.
Das Unternehmen: BEKO Engineering & Informatik ist ein Technologiedienstleister und Innovationspartner mit Schwerpunkten in den Bereichen Digitalisierung und Industrie 4.0, SAP, Anlagen- und Maschinenbau, Elektrotechnik, Automatisierung, Applikationsentwicklung, Qualitätssicherung, Visualisierung und Virtual-Reality-Anwendungen.