Sonntag, Dezember 22, 2024
"Viel mehr Konsolidierung geht kaum"

Oliver Krizek, Eigentümer und Geschäftsführer der NAVAX-Unternehmensgruppe, im Gespräch über Arbeitsmodelle, Datenschutz und seine persönliche Geschäftsphilosophie.

Report: Die gesetzlich festgelegte Obergrenze von Arbeitsstunden ist auch in der IT-Branche ein vieldiskutiertes Thema. Gehen die Bestrebungen der Regierung, dies aufzulockern, in die richtige Richtung? Was braucht die IT-Wirtschaft?

Oliver Krizek: Wir sehen heute völlig andere Arbeitsmodelle als noch vor zehn bis 15 Jahren. Eine gewisse Flexibilisierung würden allen, Arbeitnehmern und Unternehmen, schon entgegenkommen. Ich sehe die Debatte aber realistisch. Die gesetzlich geregelten Höchstarbeitszeiten sind ja nicht zum Schutz von Beschäftigten der IT-Branche entstanden, sondern für Arbeiter, die etwa am Hochofen stehen. Eine Flexibilisierung wäre aber auf jeden Fall eine Hilfestellung auch für IT-Unternehmen: Man würde sie damit aus dem Kriminal nehmen, wenn an manchen Tagen – etwa vor einem nicht verschiebbaren Projektabschluss – mehr als zehn Stunden gearbeitet wird. Ich glaube aber nicht, dass mit einem Gesetz alleine Arbeitsmodelle flexibilisiert werden. Entweder ist dies Teil einer Firmenkultur, oder eben nicht.

Report: Welche Arbeitsweise und welcher Arbeitsort haben sich bei Navax als richtig herausgestellt? Was ist für Unternehmen optimal?

Oliver Krizek: Nun, optimal ist immer noch, wenn die Mitarbeiter ihrer Arbeit im Büro nachgehen. Zumindest funktioniert dies bei Standardtätigkeiten gut, ist aber bei innovativen Prozessen nicht mehr so klar zu beantworten. Innovatives entsteht meist nicht am Schreibtisch vor dem Bildschirm, sondern an anderen Orten: in der Freizeit, im Kino oder zu Hause, im Gespräch mit unterschiedlichsten Menschen. Wenn ein Programmierer einen Gedankenblitz gerade beim Fernsehen hat, möchte er vielleicht etwas gleich am Notebook ausprobieren. Diese Arbeitsweise – dort kreativ zu sein, wo man gerade möchte – kennen wir in der IT-Branche ja bereits seit langer Zeit.

Die wenigsten unserer Mitarbeiter haben heute einen PC. Die meisten arbeiten auf einem Notebook und nutzen vielleicht noch ein Tablet. Mit diesen Geräten kommen sie auch entsprechend abgesichert ins Firmennetzwerk und können auch in Teams organisiert arbeiten.

Report: Wie weit ist diese Mobilität bei Unternehmen außerhalb der IT gediehen?

Oliver Krizek: Das hängt von der Branche ab. Ich denke, dass den offenen Zugang, den wir im Umfeld der Softwareentwicklung haben, mit der gleichen Konsequenz nur wenige andere Fimen verfolgen. Im Vertrieb ist das quer durch alle Branchen schon wieder anders: Dort will man in der Regel ja nicht, dass die Mitarbeiter im Büro hocken – sie sollen ja beim Kunden draußen sein.

Report: Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell bei Unternehmen?

Oliver Krizek: Ein großer Brocken ist die Datenschutz-Grundverordnung. Viele haben erst gegen Ende des Vorjahres begonnen, sich damit aktiv zu beschäftigen. In Österreich hatte sich 2017 die DSGVO-Welle mit Verzögerung in Bewegung gesetzt und in erster Linie einmal Geschäft für Berater und Zertifizierer gebracht. Wir setzten als IT-Systemintegrator auf Applikationsebene an: Wie gehen Anwendungen mit Datenschutz um, wie werden Daten gespeichert und auch wieder gelöscht? Hier gilt auch zu beachten, dass von den Datenschutzregeln natürlich auch historische Daten betroffen sind und etwa anonymisiert werden müssen – etwas, was gerade in relationalen Datenbanken immer wieder Schwierigkeiten verursacht.

Dann dürfen beispielsweise unsere Support-Mitarbeiter eigentlich nicht mehr vollen Einblick in Live-Systeme bei Kunden bekommen, wenn personenbezogene Daten im Spiel sind. Das erfordert eine umfangreiche Vertragsgestaltung mit den Kunden. Es braucht nun über den herkömmlichen Arbeitsvertrag hinaus besondere Mitarbeitervereinbarungen und Schulungen zum DSGVO.

Betroffen sind weiters die Archivierung von Daten und etwa auch das Ausdrucken auf Papier. Das Thema ist jedenfalls umfangreich und, wenn man es ernsthaft verfolgt, gerade für kleinere Firmen eine gewaltige Herausforderung.

Navax hat in Summe – externe und interne Aufwände zusammengenommen – 150.000 Euro in die Umsetzung der DSGVO gesteckt. Schon vor Ende 2017 hatte unsere Organisation sehr gutes Feedback der Zertifizierungsagentur erhalten. Uns ist aber klar: Zu zeigen, wie Datenschutz prinzipiell in Unternehmen funktionieren kann, ist die leichtere Übung. Die Herausforderung ist, dies im laufenden Betrieb einzuhalten, das zu leben und alle Beteilig­ten zu sensibilisieren.

Ein anderes großes Thema sehe ich bei der Verknüpfung von Messdaten und Sensoren mit den ERP-Systemen in Unternehmen – Stichwort Internet of Things (IoT). Wir haben dazu ein Team aufgebaut, das gemeinsam mit Kunden Geschäftsprozesse probiert und prüft. IoT wird definitiv vieles in der Wirtschaft verändern.

Report: Wenn Sie Löschanforderungen ansprechen: Es braucht letztlich also IT-Lösungen, die auf Knopfdruck den gewünschten Datensatz aus allen eingesetzten Systemen löschen.

Oliver Krizek: Das muss genau so funktionieren. Umgekehrt muss gewährleistet bleiben, dass die Relation von Daten trotzdem erhalten bleibt. Der Datenbestand soll ja in sich weiterhin korrekt bleiben. Vieles davon ist nicht nur eine technische, sondern auch organisatorische Aufgabe.

Report: Sie setzen seit jeher auf organisches Wachstum, sind zuletzt aber bei der Digitalagentur holzhuber impaction eingestiegen. Was sind die Beweggründe?

Oliver Krizek: impaction ist zunächst kein IT-Unternehmen, sondern unterstützt Unternehmen bei Digitalisierungsstrategien und deren Umsetzungen weit über die technische Ebene hinaus. impaction-Gründer Thomas Holzhuber fokussiert auf die Vermittlung und Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Nachrangig erfolgt natürlich dann auch die technische Umsetzung, die von Navax, aber auch anderen Dienstleistern und IT-Firmen erfolgen kann. Das vereinbarte Ziel ist nun, unsere Beteiligung in den nächsten Jahren auf 100 Prozent auszubauen.

Report: Wie betrachten Sie die fortschreitende Konsolidierung des IT-Service-Marktes in Österreich? Was ist Ihr Zugang hier?

Oliver Krizek: Ich denke, die Branchenentwicklung ist hier an einem Peak angekommen: Viel mehr Konsolidierung geht kaum. Gerade im Umfeld der auf Microsoft spezialisierten IT-Dienstleister ist die Marktbereinigung massiv vorangeschritten, zuletzt mit der Übernahme von zwei unserer Mitbewerber durch die Cosmo Consult Gruppe.

Es wird sicherlich noch weitere internationale Unternehmen geben, die nach Übernahmemöglichkeiten in Österreich suchen. Ich denke aber, dass es aufgrund derzeit guter Bewertungen der Unternehmen und der guten konjunkturellen Entwicklung nun zu einem gewissen Stillstand kommt. Wenn ich unsere direkten Mitbewerber anschaue, gibt es ja kaum noch ein Unternehmen, das nicht bereits im Eigentum eines internationalen Konzerns oder einer Investorengruppe steht.
Wir gehören zu den letzten heimischen eigentümergeführten Unternehmen dieser Größe im Microsoft- und SAP-Umfeld. Diesen Weg wollen wir auf jeden Fall weiter gehen.

Als Unternehmer habe ich damit nicht das Ziel der absoluten Gewinnoptimierung oder der Befriedigung eines Shareholders, sondern jenes des langfristigen Bestands meiner Firma, um sie vielleicht einmal meinen Kindern zu übergeben. Im Projektgeschäft ist die lokale Präsenz eines IT-Dienstleisters auch im Zeitalter von Cloud-Lösungen besonders wichtig. Wenn mein Gegenüber nicht die gleiche Sprache spricht, wird es schwierig. Die Unternehmen haben in den letzten Jahren erkannt, dass auch Softwareentwicklung nicht ohne Wenn und Aber ins Ausland ausgelagert werden kann.

Report: Benötigen Sie mit dieser Philosophie trotzdem Wachstumsziele – oder ist Stabilität ausreichend?

Oliver Krizek: Der Vorteil als Eigentümer ist, dass ich mich für alle drei Wege je nach Situation und Marktlage frei entscheiden kann: organisch zu wachsen – mit dem einen oder anderen Zukauf –, das Halten eines Zustandes oder die Entscheidung, auch einmal zu schrumpfen. Wir dürfen anders denken. Das hat auch zum Vorteil, dass unsere Mitarbeiter in einem schlechteren Geschäftsjahr nicht sofort bangen müssen. Sie wissen, dass wir langfristig denken und agieren. Das betrifft auch Investitionen in neue Software-Entwicklungen, die zwar aus dem Cash-Flow finanziert werden, sich möglicherweise aber erst in zwei oder drei Jahren rechnen.

Ich bin keinen Eigentümern Rechenschaft schuldig und mir ist bewusst, dass auch ich nicht mehr als ein Schnitzel am Tag essen kann. Alles, was mir mein Schnitzel finanziert, ist eigentlich ausreichend.


Zum Unternehmen: Das IT-Systemhaus NAVAX erwirtschaftet mit rund 180 Mitarbeitern 22 Mio. Euro Umsatz jährlich und ist mit Standorten in Österreich, der Schweiz und Deutschland präsent. Im Fokus stehen Unternehmenslösungen in den Bereichen ERP, CRM, Business Intelligence, Collaboration, Mobility sowie Cloud Services.

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