Bezahlen mit dem Handy? Vor fünf Jahren klang das nach Science-Fiction. Heute steht »Mobile Payment« mit weltweiten Standards und heimischen Lösungen vor einem breiten Marktstart – und das nicht nur am Handy.
Vielen Österreichern ist das Handy bereits wichtiger als die Geldbörse – es sei denn, es geht ums Bezahlen. In der Mobilfunkbranche haben sich in den vergangenen Jahren Forscher und Strategen reihenweise die Köpfe zerbrochen, wie Menschen zur Verwendung ihrer Smartphones als mobile Geldtascherl bewegt werden können. Unterschiedliche Technologien, verschiedene Branchen, kleine und große Unternehmen rittern bei den Bezahllösungen seit Jahren um eine Pole Position. Das große Rennen hat aber erst jetzt begonnen.
Betrachtet man die unterschiedlichen Lösungen, die aktuell am Markt um Partner und Nutzer buhlen, wird schnell klar: NFC oder nicht NFC ist zu einer zentralen Frage geworden. Der »Near Field Communication« wird eine vielversprechende Zukunft für kontaktloses Kommunizieren mit den Kassenterminals eingeräumt. Über kurze Strecken tauschen NFC-Chip und Kassa Informationen zum Zahlungsvorgang aus. Bei kleineren Beträgen werden die Transaktionen auch ohne PIN-Eingabe autorisiert. Das verschafft den wichtigen Zeitvorteil bei Billa, Spar oder MPreis, an denen im Rennen um die kürzeste Warteschlange bekanntlich jede Sekunde zählt. Von der Industrie vor einigen Jahren als logische Erweiterung fürs Handy erdacht, werkte man lange an einem einheitlichen Standard. So ließen auch die Endgeräte auf sich warten. Nach anfänglicher Euphorie zog sich auch A1 Ende des Vorjahres aufgrund des Fehlens einer einheitlichen Branchenlösung aus dem NFC-Geschäft zurück. Kundenservices wie die Bezahlmöglichkeit bei McDonald’s- und Merkur-Filialen wurden wieder eingestellt.
Doch der Mobilfunker kehrt heuer bereits wieder aufs NFC-Parkett zurück: Angeboten wird im Laufe des Jahres eine NFC-fähige SIM-Karte, die Handys quasi eine Kreditkartenfunktion verpasst. Die virtuelle Karte wird ebenso an kompatiblen Kassen zum Bezahlen taugen wie Bankomat- und Kreditkarten mit integriertem NFC-Chip. T-Mobile bringt heuer mit MyWallet ebenfalls eine für Maestro- und Kreditkarten kompatible Lösung auf den Markt. Dabei werden die Karteninformation einfach am Handy gespeichert und sind per Nahfunk abrufbar.
>> Riesenmarkt in Europa <<
Berater Andreas Pratz von A.T. Kearney rechnet mit einem massiven Wachstum von elektronischen Bezahllösungen in den kommenden Jahren – E-Payment auf Websites und E-Shops ebenso wie M-Payment auf dem Handy (weiterer Artikel auf report.at). Einer Untersuchung zufolge wird die Anzahl bargeldloser Zahlungsvorgänge in der EU von derzeit über 90 Milliarden bis zum Jahr 2020 auf mehr als 175 Milliarden steigen. »Die dürren Jahre sind vorbei«, formuliert dies Studienautor Pratz. Von im Durchschnitt jährlich etwa 800 Bezahlvorgängen pro Kopf werden derzeit noch 600 bar bezahlt. Der Anteil von Barzahlungen wird der Studie zufolge bis 2020 auf 60 Prozent sinken, der Anteil der bargeldlosen Zahlungen folglich steigen. A.T. Kearney nennt drei große »Ks« als Erfolgsfaktoren neuer Bezahllösungen: Kunden, Kosten und Komfort. Dabei gelte es, die Nutzer in unterschiedlichen Kaufsituationen mit der jeweils geeigneten Lösung abzuholen. Der Erwerb eines Gebrauchtwagens beispielsweise stellt Händler und Käufer bei Sicherheit und Komfort vor andere Herausforderungen als der schnelle Kauf eines Busfahrscheins.
Auch Analyst Pratz weist auf das Wettrennen um diesen stark wachsenden Markt hin: Kreditkartenkonzerne, Mobilfunkbetreiber, Technologie- und Telekommunikationsfirmen sowie Banken – sie alle wollen ein Stück des milliardenschweren Kuchens. Die Studienautoren erwarten, dass bis 2020 bereits ein Fünftel aller elektronischen Zahlungen auf Anbieter wie elektronische Geldbörsen oder Smartphonelösungen entfällt. Sie sehen dazu die Banken in der stärksten Rolle im Zahlungsverkehr. Der Grund: Die Finanzdienstleister verfügen über die besten Beziehungen in Payment-Fragen zu den Kunden.«
Die großen Kreditkartenanbieter Mastercard und Visa stellen jedenfalls in den kommenden Monaten ebenso wie heimische Banken ihre Kunden in Österreich auf eine neue Kartengeneration um. card complete, hobex und PayLife wiederum rüsten kassenseitig den Handel dazu auf. Die Puzzlesteine greifen nun ineinander. Der Markt rüstet sich für den Massenstart des kontaktlosen Bezahlens. Ende des Jahres sollen dazu bereits zwischen drei und vier Millionen Karten im Umlauf sein.
>> Tiroler Lösung <<
Ebenfalls offen fürs Aufspringen auf den NFC-Zug ist Michael Suitner. Der Tiroler Unternehmer hat eine Bezahl-App für Android- und Apple-Handys entwickelt, die derzeit aber noch auf den Nahfunk verzicht. »Secure Shopping« setzt auf die bewährten Strichcodes, die an den Kassen eingescannt werden und so den Nutzer authentifizieren. Den großen Vorteil seiner Lösung sieht Suitner in der Anonymität der Nutzer. Denn: Die App speichert keine persönliche Daten auf dem Smartphone. Im Bezahlvorgang übertragen werden lediglich eine anonymisierte Identifikationsnummer, die auf Validität über ein Rechenzentrum im Hintergrund abgeglichen wird. Der Shopbetreiber bekommt außer dem »OK« für die gelungene Transaktion nichts mit. »Ich glaube nicht, dass Kunden ihre Daten abseits der eigenen Bank archivieren und nutzen lassen wollen«, ist Suitner überzeugt.
Erste Partner hat er mit der Hypo Tirol Bank und MPreis gefunden, die gemeinsam Mitte 2012 die mobile Bezahllösung eingeführt haben. Mit weiteren Ketten ist Suitner im Gespräch. Dass die Barcodes am Handydisplay von manchen Kassenscannern nicht gelesen werden können, ist für ihn ein lösbares Problem. Bereits der Großteil der herkömmlichen Scanner im heimischen Handel könne die Codes auslesen. Mit der Umstellung auf neueste Gerätegenerationen werde in den kommenden Monaten auch der Rest kompatibel sein. »Wenn sich in Zukunft ein NFC-basierter Bezahlstandard flächendeckend durchsetzt, ist die App auch um den NFC-Standard erweiterbar«, sieht er den jüngsten Vorstoß der NFC-Fraktion gelassen.