Samstag, Dezember 21, 2024
Quo vadis USA?
Bilder: iStock, MG RTL/D.Spreitzenbarth, beigestellt

Am 20. Jänner 2025 wird Donald Trump abermals als US-Präsident vereidigt. Seine radikalen Ankündigungen während des Wahlkampfs lassen auch für Europa nichts Gutes erwarten. Der große Unterschied zu 2016: Trump kennt Washington und damit die Fallen des Establishments. DIe Chancen, radikale Neuerungen umzusetzen, sind deutlich höher. Report(+) hat drei Expert*innen um ihre Einschätzung gebeten.


1. Unter welchen Vorzeichen startet Trump in seine zweite Amtszeit?

Wilhelm Peter Hasslacher, Österr. Wirtschaftsdelegierter im AußenwirtschaftsCenter New York

"Starke Aktienmärkte, eine geplante Reindustrialisierung der USA und eine politisch durchaus gespaltene Gesellschaft sind maßgebliche Faktoren, die zu Beginn von Trumps zweiter Amtszeit das Land bestimmen werden. Im Zentrum steht die Fortführung seiner »America First«-Politik. Diese zielt auf wirtschaftlichen Protektionismus und die Durchsetzung nationaler Interessen ab. Deregulierung, Steuersenkungen und Zölle sind die Schlagworte dieser Linie."


Dagmar Koch, Country Managerin von Coface Austria

"Mit Donald Trump hat ohne Frage der kontroversielle Kandidat gewonnen. Seine zweite Präsidentschaft wird erhebliche Auswirkungen auf die Geopolitik und die Weltwirtschaft und damit auch auf Europa haben. Damit waren wir schon in seiner ersten Präsidentschaft konfrontiert: Trump ist schwer einzuschätzen und seine Maßnahmen und deren Auswirkungen sind nahezu unmöglich vorherzusagen. Europa muss sich – am besten gemeinsam – vorbereiten. Und auf Ungewissheit vorbereiten heißt, möglichst flexibel zu sein."


Sandra Navidi, CEO von BeyondGlobal, Rechtsanwältin und Bestsellerautorin

"Trumps zweite Amtszeit wird laut seinen eigenen Aussagen wesentlich radikaler werden, als es die erste noch war. Das von der republikanischen Heritage Foundation konzipierte Strategiepapier »Project 2025« legt die systematische Umsetzung von Trumps Vorhaben dar. Und durch die angekündigte Besetzung aller Schlüsselpositionen mit Loyalisten ist größtmögliches Durchsetzungspotenzial gesichert. Da sowohl der Senat als auch das Repräsentantenhaus in republikanischer Hand sind, wird er nur geringen Widerstand erfahren. Was im Einzelnen bevorsteht, ist unklar, weil ungewiss ist, wie skrupellos Trump vorgehen wird. Denn natürlich gibt es bürokratische Prozesse, die befolgt werden müssen, und er kann nicht, jedenfalls nicht legal, über Nacht Ministerien, wie das FBI oder das Justizministerium, entkernen und hunderttausende Beamte entlassen."

 

2. Wie sind die starken Reaktionen an den Börsen einzuordnen?

Wilhelm Peter Hasslacher

"Die Börsen haben mit dem Wahlsieg von Donald Trump bestimmte gesetzliche Veränderungen und daraus resultierende Marktverschiebungen eingepreist. Man geht davon aus, dass Trump für die Aktienmärkte vorteilhafte Gesetze beschließen wird. Die Kehrseite ist, dass Trump Maßnahmen wie Einfuhrzölle angekündigt hat. Man kann davon ausgehen, dass diese Zölle Gegenmaßnahmen von Handels­partnern zur Folge haben können, die wiederum negative Auswirkungen auf amerikanische börsennotierte Unternehmen haben könnten."

Dagmar Koch

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"Die Börsen reagieren wie so oft sehr kurzfristig und bilden nicht die langfristigen Auswirkungen ab. Die angekündigten Steuersenkungen können relativ einfach mit einer Mehrheit in beiden Kongresskammern umgesetzt werden und die Effekte von Steuersenkungen sind recht leicht absehbar. Steuersenkungen fördern einen wirtschaftlichen Aufschwung, was wiederum die Nachfrage nach ausländischen Gütern steigert, da die US-Industrie lediglich zehn Prozent zur Wirtschaftsleistung beiträgt. Entsprechend positiv haben daher auch die Börsen reagiert."

Sandra Navidi

"Nach einer anfänglichen Panik erholten sich die Börsen rasch wieder. Jetzt verharren sie in Abwartehaltung, weil ungewiss ist, wie Trump vorgehen und welche seiner Drohungen er wahr machen wird. Die Wall Street ist besorgt über seine Unberechenbarkeit und seine protektionistische Politik. Sie hofft darauf, dass das wirtschaftliche Establishment und seine Berater, insbesondere der designierte Finanzminister Scott Bessent, ihm im Hinblick auf seine extremsten Vorhaben zumindest etwas Wind aus den Segeln nehmen können. Aufgrund der verbleibenden Ungewissheit ist weitere Volatilität vorprogrammiert."

 

3. Worauf muss sich Europas Wirtschaft einstellen?

Wilhelm Peter Hasslacher

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"Europa wird Antworten auf die geopolitischen Herausforderungen entwickeln und pragmatische Lösungen für Probleme wie etwa die hohen Energiekosten oder das Thema Bürokratieabbau finden müssen, um sich auch weiterhin als Produktionsstandort im globalen Wettbewerb gut positionieren zu können."


Dagmar Koch

"Das ist keine leichte Frage, da noch viele Parameter offen sind. Die angekündigten Pauschalzölle von zehn bis sogar 20 Prozent auf Produkte aus Europa können tatsächlich sehr unterschiedliche Auswirkungen auf die europäische, aber auch auf die US-Wirtschaft haben. Der Impact wird auf jeden Fall für Europa größer sein, da die USA mit 17 Prozent aller Warenausfuhren die wichtigste Exportdestination der EU sind. Eines ist gewiss: Die globale geopolitische und wirtschaftliche Unsicherheit wird mit Präsident Trump für Europa mehr zu als abnehmen."


Sandra Navidi

"Europas Wirtschaft muss sich insbesondere aufgrund Trumps protektionistischer Handelspolitik auf erhebliche Herausforderungen und Veränderungen einstellen. Die geplanten Importzölle würden europäische Exporte in die USA verteuern und die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen beeinträchtigen. Das EU-BIP könnte bis 2028 um 1,3 % schrumpfen, und das Deutschlands sogar um 1,5 %. Besonders betroffen wären exportorientierte Branchen wie die Automobil-, Pharma- und Maschinenbauindustrie. Die EU wird auf US-Zölle voraussichtlich mit Gegenzöllen auf US-Produkte reagieren, was zu einer Eskalation des Handelskonflikts führen könnte. Ein Protektionismus-Wettlauf zwischen USA, EU und China droht."

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