Sonntag, November 24, 2024
Verzweifelt gesucht
Bild: iStock

Google hat sich vom Suchmaschinen-Primus zum trägen Monopolisten gewandelt. Der neue Fokus auf AI lässt nichts Gutes erwarten.

 

Die Abwärtsspirale der berüchtigten »enshittification« großer Onlineplattformen hat auch Google im Griff. Der vom Autor und Electronic-Frontier-Foundation-Aktivisten Cory Doctorow geprägte Begriff beschreibt die schleichende Verschlechterung einstmals hilfreicher Onlineservices in mehreren Stufen. Vom Umschmeicheln der Nutzerinnen und Nutzer über deren Ausverkauf an Werbekunden bis hin zur finalen Ausbeutung wiederum genau Letzterer wird alles immer nur schlechter – und das nur, um als ultimative letzte Existenzberechtigung für die Aktionäre immer noch größere Gewinne zu generieren. Exakt das ist auch an Googles Suchergebnissen der letzten Jahre ablesbar: Vom einfachen, aber genialen Suchalgorithmus vergangener Tage ist der Tech-Gigant schrittweise hin zum werbungsgesättigten Ärgernis geworden.

Kein Wunder, in den letzten Jahren hat sich Google auch statt durch Innovation mit dem Aufkaufen ärgerlicher Konkurrenz zum Monopolisten fettgefressen. Nur Microsofts Bing existiert noch daneben und greift so gut wie jede andere Suchmaschine auf Googles Technologie zurück. Inzwischen verkaufen Pseudokonkurrenten wie Kagi Search sogar den relativ ungefilterten Suchzugang zum Google »so wie früher« als monatlich bezahlbare Premium-Leistung; zum Preis von etwa zehn Euro im Monat darf man eine leicht adaptierte, radikal von Schnickschnack und »sponsored results« entschlankte Websuche verwenden.

AI als Zukunftshoffnung
Bei Google selbst sieht man die Zukunft des eigenen Kerngeschäfts allerdings, wie könnte es anders sein, im boomenden AI-Hype. »AI Search« soll künftig die Suche im Web revolutionieren. Statt wie bisher als Antwort auf eine eingegebene Frage oder zu formulierten Stichwörtern eine Liste an Webseiten zu präsentieren, die idealerweise als Ergebnis relevant sind, wird Googles AI-Suche in Zukunft direkt selbst Antworten geben. Klingt auf den ersten Blick sinnvoll – beim zweiten Hinsehen wird’s aber problematisch.

Dass auch den besten LLM-Tools, die derzeit den AI-Hype befeuern, das »Halluzinieren« nicht so einfach auszutreiben ist, ist der gewaltige Elefant im Raum, der trotzdem von den Tech-Cheerleadern der Branche gern als Kinderkrankheit kleingeredet wird. Der Euphemismus beschreibt bekanntlich die eigentlich doch nicht so irrelevante Kleinigkeit, dass der Output so gut wie aller AI-Chatbots in unregelmäßigen Abständen schlicht falsch und unsinnig ist. Das mag bei der Suche nach Geburtstagskartentext-Inspirationen egal sein, wird aber bei Anfragen heikel, ob etwa dieser oder jener im Wald gefundene Pilz essbar oder der Umgang mit einer bestimmten Chemikalie unbedenklich ist.

Und was wäre nochmal der Anreiz einer beliebigen Webseite, der Google AI-Search als Einkunftsquelle zur Verfügung zu stehen, wenn im Gegenzug nicht einmal ein einziger schnöder Klick auf die jeweilige Seite als Lohn dafür abfällt?

Wie bei allen AI-Versprechungen der letzten Jahre gilt auch hier: Wer auch nur die Hälfte der Sensationsmeldungen glaubt, wird oft schon genug auf den Arm genommen. Erinnern Sie sich etwa noch an die Meldung im November 2023, dass Googles Deepmind-AI »Millionen« neuartiger Materialien entdeckt hätte? Bei näherem Hinsehen stellte sich die Revolution als ein bisschen bescheidener heraus, denn die tatsächlich bestätigte Zahl an gefundenen Materialen ist dann doch kleiner als versprochen. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht unabhängiger Experten korrigierte die Jubelzahl nach unten. Konkret: auf Null.

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