Dienstag, November 19, 2024
Bilanzen kennen
Egal ob Einzelunternehmer*in oder großer Produzent: » Gute Unternehmer wissen über ihre Finanzen genauestens Bescheid«, meint Helga Kuttner. (Foto: R.E.P./Philipp Horak)

Helga Kuttner, Geschäftsführerin R.E.P. Wirtschaftsprüfung GmbH, erklärt im Interview, warum die Buchführung trotz ihres tristen Images ernster genommen werden sollte - besonders von der Geschäftsführung.


Frau Kuttner, woran erkennt man eine kritische Entwicklung?

Helga Kuttner: Eine Kennzahl ist beispielsweise die Eigenkapitalquote – eine gute Quote liegt bei 20 Prozent. Auch Verbindlichkeiten wie Kredite, Zinsen sowie die offenen Posten sollte man im Blick behalten. Wichtig sind auch Personal- und Produktionskennzahlen sowie Materialkosten. Die sollten sich immer in Relation zum Umsatz bewegen. Wenn sich hier etwas verändert, gilt es, frühzeitig nachzuhaken. 

Wird die Buchhaltung von Unternehmen denn oft stiefmütterlich behandelt?

Kuttner: (lacht) Es stellt sich eher die Frage, wie ein Klient tickt. Eine Laissez-
faire-Haltung ist vielleicht eine Zeitlang angenehm, zahlt sich aber bestimmt nicht aus. Handelt ein Unternehmen beispielsweise mit Partnern aus den USA, sind Wechselkurse ein wichtiges Thema. Allein durch eine Kursveränderung können die Kosten hier leicht explodieren, das muss man regelmäßig beobachten. 

Das ist aber auch recht zeitaufwändig…

Kuttner: Trotz Digitalisierung ist es wichtig, den Überblick zu behalten. In Zeiten der dicken Aktenordner sind Rechnungen oder Mahnungen noch eher aufgefallen – heute hingegen wird ja meist schon automatisiert verbucht und überwiesen. Meine Erfahrung zeigt aber: Gute Unternehmer*innen wissen über ihre Finanzen genau Bescheid, und kennen nicht nur die Jahresabrechnung, sondern auch die monatlichen Zahlen. Die Zeit muss man sich nehmen.

Wie gehen Sie vor, wenn Sie bemerken, dass ein Unternehmen Zahlungsschwierigkeiten hat?

Kuttner: Wichtig ist mir das persönliche Gespräch. Dafür setzen wir uns mit den Klienten, und oft auch schon einem Rechtsanwalt, zusammen an einen Tisch. Es geht darum, ehrlich zu sein und Augen zu öffnen: Steht die Zahlungsunfähigkeit bevor – oder ist sie gar schon eingetreten –, beginnt ein Wettlauf mit der Zeit.

Je früher man reagiert, desto mehr Handlungsspielraum hat man?

Kuttner: Genau. Was man immer zahlen sollte: die Gesundheitskasse und das Finanzamt. Werden hier mehrere Zahlungen in Folge nicht getätigt, stellen die Behörden schnell einmal einen Insolvenz­antrag. Darum sollte man sich nicht zu schade sein, vorher persönlich bei den Behörden um ein Ratenansuchen zu bitten. Damit hat man mehr Erfolg, und Hartnäckigkeit zahlt sich aus! Bei privaten Gläubigern kann auch eine außergerichtliche Einigung helfen. 

Inwiefern?

Kuttner: Große Partner, mit denen man eine gute Zusammenarbeit pflegt, zeigen sich oft kulanter, wenn man bei Zahlungsverzug offen das Gespräch sucht. Dann vereinbart man einen bestimmten Prozentsatz – beispielsweise 40 Prozent – der von den ausstehenden Zahlungen erlassen wird, und eine Rückzahlungsrate über einen bestimmten Zeitraum. Diese Rate wird so gewählt, dass auch die Gläubigerseite dadurch keinen echten Verlust macht. Das ist außerdem meist immer noch mehr, als sie als Gläubiger bei einem Sanierungsverfahren bekommen würden – darum lassen sich auch viele darauf ein.  

Wie ist das bei Banken? 

Kuttner: In Gesprächen mit der Bank ist gute Vorbereitung das A und O: Eine Präsentation mit aktuellen Zahlen und einer Budgetplanung kommt immer gut an. Man sollte die Frage, wie es überhaupt so weit gekommen ist, beantworten können. Wichtig ist: Niemals blauäugig in ein Gespräch hineingehen!

Interview: Sarah Bloos

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