Sonntag, Dezember 22, 2024
Gut beraten
Keine Zeit: Unternehmen müssen neue Strukturen und Prozesse rasch umsetzen. (Fotocredit: iStock)

Beratungsunternehmen sind wichtige Begleiter bei disruptiven Projekten und strategischen Prozessen. Die Consultingbranche muss sich aber auch selbst die Zukunftsfrage stellen.

Text: Angela Heissenberger

Unternehmensberater*innen geben Ratschläge, die man ohnehin kennt, und lassen sich dafür fürstlich bezahlen. So lautet ein gängiges Vorurteil, das aus der Mottenkiste stammt und an Banalität kaum zu überbieten ist. Die Wirtschaft ist tatsächlich komplexer geworden. Auch »alte Hasen« wie Gerald Grohmann, langjähriger CEO von Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment (SBO) und seit Ende 2023 im Ruhestand, mussten erkennen, dass ihr Know-how nicht immer ausreicht. »Bei Erdöl und Erdgas gibt es wenig, was wir nicht wüssten«, so Grohmann – für die Suche nach einem neuen Geschäftsfeld abseits der angestammten Branche, um für eine möglicherweise erdölfreie Zukunft vorbereitet zu sein, holte er sich dann doch lieber die Expert*innen von Arthur D. Little ins Haus.

Die Etablierung eines neuen Geschäftsmodells, die Integration von Business Units im Zuge von M&A-Aktivitäten, die Implementierung von IT-Lösungen, anstehende Sanierungsmaßnahmen oder grundlegende Neuausrichtung: Es gibt viele Gründe für einen Umbruch in Unternehmen, der mitunter eine Umgestaltung der gesamten Organisationsstruktur nach sich zieht. Selbst für erfahrene Manager*innen ist die Entwicklung einer tragfähigen Organisationsstrategie durchaus anspruchsvoll.

Christoph Kopp, Associate Partner bei Horváth & Partner: »Manage­mentberatung macht überall dort Sinn, wo größere, strategisch wichtige Veränderungen in Unternehmen stattfinden sollen.« (Foto: Horváth & Partner)


Auf externe professionelle Unterstützung zurückzugreifen, ist deshalb kein Zeichen der Schwäche, sondern zeugt vielmehr von Vernunft und Verantwortung. »Manage­mentberatung macht überall dort Sinn, wo größere, strategisch wichtige Veränderungen in Unternehmen stattfinden sollen und damit neue Strategien, neue Prozesse und Zusammenarbeitsmodelle oder neue Methoden und Tools konzipiert und umgesetzt werden sollen«, sagt Christoph Kopp, Associate Partner der Horvath & Partner Management Consulting GmbH. »In diesen Situationen ist ein erfahrenes Spezialistenteam gefragt, das den Weg gemeinsam mit dem Unternehmen geht. So bekommen Unternehmen Themen viel schneller und effektiver umgesetzt.«


Mehr zum Thema: »Beratung ist People Business«, meint Christoph Kopp im Report-Interview. Was dazu alles gehört, lesen Sie hier: www.report.at


Die Gewinner von morgen

Viele Unternehmen stehen derzeit vor der Herausforderung, eine sinnvolle Balance zwischen schnellem Agieren und nachhaltigen Strategien zu finden. Organisationen müssen sich neu aufstellen und gleichzeitig das Kerngeschäft am Laufen halten. Laut der im Vorjahr von McKinsey publizierten Studie »The State of Organizations« sind nur die Hälfte der Unternehmen gut auf externe Schocks vorbereitet, bei zwei Drittel sind die Strukturen jedoch zu komplex und damit ineffizient. Zwar wurden die Covid-Pandemie, Lieferkettenprobleme und steigende Energiekosten großteils erfolgreich bewältigt, den langfristigen Umbau ihrer Organisationsstruktur haben indessen viele verabsäumt.

»Es geht darum, einen substanziellen Wandel zu gestalten«, sagt Patrick Simon, Senior Partner im Berliner Büro von McKinsey und Co-Autor der Studie. »Führungskräfte haben sich zu Recht auf die kurzfristige Lösung drängender Probleme fokussiert. Doch jetzt gilt es, Organisationen so aufzustellen, dass sie auf zukünftige Krisen noch besser reagieren können.« Themen wie Mitarbeiterbindung, das Gewinnen und Entwickeln von Talenten, der Einsatz von KI-Tools sowie die Digitalisierung der Kernprozesse im Unternehmen gelte es in den Blick zu nehmen. »Wenn Entscheider*innen in Organisation ihre Aufgabe gut lösen, sind die Vorteile groß«, so Simon: »Diejenigen Unternehmen, die sich heute richtig aufstellen, sind die Gewinner von morgen – denn es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen der Gesundheit einer Organisation und der finanziellen Performance.« 


Lernende Organisationen

Die Globalisierung der Märkte und die dynamischen technologischen Entwicklungen erfordern von Unternehmen und ihren Mitarbeiter*innen permanente Anpassungsfähigkeit. Eine lernende Organisation zeichnet sich dadurch aus, dass ihre Mitglieder selbst Ideen für Veränderungen entwickeln und diese in Strukturen, Prozesse und Maßnahmen umsetzen. Das Ziel ist eine kontinuierliche Organisationsentwicklung: Das Unternehmen gewinnt die Fähigkeit, die eigene Zukunft aktiv zu gestalten und auf veränderte Rahmenbedingungen rasch zu reagieren.


Die richtigen Fragen

Die Methoden der Organisationsentwicklung sind so vielfältig wie die Unternehmen, die sie anwenden. Umso schwieriger ist es mitunter, den passenden Consulter auszuwählen. Der Beratermarkt ist groß, neben Generalisten gibt es auch viele Nischenanbieter, die sich auf bestimmte Problemfälle wie Restrukturierung oder Human Capital spezialisiert haben. Große Häuser greifen meist auf einen ganzen Expertenpool zurück.

Neben fachlicher Expertise benötigen gute Berater*innen auch einen klaren Blick für Schwachstellen. Sie bohren dort, wo es weh tut, und sprechen unangenehme Tatsachen an. Ehrlichkeit und Direktheit in der Kommunikation sind eine wichtige Voraussetzung, damit die Zusammenarbeit erfolgreich ist. »Consultants, die die richtigen Fragen stellen und ergebnisoffen – ohne das Ziel aus dem Auge zu verlieren – an die Herausforderungen gehen, sind meiner Meinung nach die Begleiter einer Änderung und Gestalter der künftigen Situation im Unternehmen«, sagt Alfred Berger, Managing Director von Kienbaum Consultants Austria. »Es geht darum, gemeinsam in die Zukunft zu denken, Potenziale zu erkennen und zu heben sowie Leistung neu zu denken. Consulter bringen oft neue Perspektiven und Trends ein, die objektivieren und relativieren interne Vermutungen des Unternehmens und schlagen neuen Wege vor.«

Alfred Berger, Managing Director der Kienbaum Consultants Austria GmbH:  »Es geht darum, gemeinsam in die Zukunft zu denken, Potenziale zu erkennen und zu heben sowie Leistung neu zu denken.« (Foto: Kienbaum)


Auftraggeber, die nur Selbstbeweihräucherung erwarten, sind ebenso fehl am Platz wie Berater*innen, die keine tragfähigen Lösungen und Verbesserungen anbieten können. Erfahrene Consultants fungieren zudem als Sparringpartner ihrer Kunden – insbesondere wenn es um die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle geht. Neue strategische Konzepte werden in der Regel nur dann vorbehaltlos umgesetzt, »wenn das Buy-in der wesentlichen Stakeholder gegeben ist«, so Berger: »Das fällt leichter, wenn die Konzepte so definiert sind, dass sie Mehrwert entsprechend der Erwartungen der Mitarbeitenden bringen und in der Argumentation so definiert sind, dass sie akzeptiert werden können.«

Konsolidierungswelle

Einen »richtigen« Zeitpunkt, zu dem Unternehmen auf die Expertise von externen Berater*innen zurückgreifen sollten, gebe es nicht, meint Kienbaum-Chef Berger: »Wesentlich ist vielmehr, ein Ende zu definieren und die Transferleistung sicherzustellen. Beratungen, die in einem Konzeptpapier enden und nicht umgesetzt werden, demotivieren.« Für lange Vorbereitungsphasen bleibt heute ohnehin kaum Zeit. Die Schlagzahl in der Wirtschaft hat sich deutlich erhöht, die Unternehmen müssen rasch in die konkrete Umsetzung gehen.

Von Disruptionen bleibt indessen auch die Consultingbranche selbst nicht verschont. Die aktuellen wirtschaftlichen Unsicherheiten schlagen sich merklich auf das Geschäft nieder. Auch die Beratungsunternehmen müssen effizienter und resilienter werden – und wie ihre Kunden auf rasch wechselnde Wachstums- und Rezessionsphasen reagieren. Seit einiger Zeit ist eine Konsolidierungswelle in Gang. Kleinere und spezialisierte Consulter werden von großen Playern am Markt übernommen.

So erwarb kürzlich die Horváth AG rückwirkend zum 1. Jänner 2024 die Interim Excellence GmbH. Die Betreibergesellschaft der Plattform interim-x.com vermittelt seit 2013 erfolgreich Senior Experts, Interim Manager und Restrukturierungsprofis an Großkonzerne, Familienunternehmen und Private-Equity-Gesellschaften. Mehr als 10.000 Expert*innen sind bereits registriert, 3.000 davon akkreditiert. Durch diese strategische Akquisition beschleunigt die Beratungsgesellschaft ihren Wachstumskurs, wie Helmut Ahr, Vorstandssprecher der Horváth AG, bestätigt: »Wir gewinnen einerseits den direkten Zugang zu Senior Experts mit sehr dezidierter Branchen- bzw. Fach-Expertise, die wir auf Kundenwunsch in unsere Projektteams integrieren können. Andererseits können wir Unternehmen künftig aus einer Hand neben dem klassischen Management Consulting auch Interim Management zur kurzfristigen Schließung offener Managementpositionen anbieten. Damit vertiefen und erweitern wir unsere Wertschöpfung, um unsere Kunden noch ganzheitlicher zu begleiten.« 


Bewährte Methoden

In der Organisationsentwicklung gibt es einige Ansätze, die sich in der Praxis erfolgreich umsetzen lassen:

1.  360-Grad-Feedback
Um ein umfassendes Bild der Stärken und Schwächen von einzelnen Personen oder Teams zu erhalten, geben Führungskräfte und Kolleg*innen ein Feedback ab, das u.a. zur Förderung von Talenten herangezogen wird.

2.  Prozessberatung
Eine externe Beratung unterstützt das Unternehmen bei der Analyse und Verbesserung der Prozesse. Der oder die Berater*in stellt Fragen, gibt Denkanstöße und hilft damit den Verantwortlichen, selbst Lösungen zu erarbeiten.

3.  Digital Readiness Check
Dieses Instrument hilft Unternehmen, ihren Reifegrad der digitalen Transformation zu bewerten. Neben der technologischen Infrastruktur werden auch die digitalen Fähigkeiten der Mitarbeiter*innen und die Unternehmenskultur bewertet.

4.  SWOT-Analyse
Dieses strategische Planungsinstrument identifiziert die Stärken, Schwächen, Chancen und Bedrohungen eines Unternehmens. Aus dieser Analyse der internen und externen Situation lassen sich strategische Maßnahmen ableiten.

5.  Change Matrix
Mit diesem Modell können Unternehmen den Grad und die Art der Veränderungen bestimmen, die sie durchlaufen müssen. Dabei werden auch Faktoren wie die Dringlichkeit und mögliche Widerstände berücksichtigt. 

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