Österreichs Universitäten und Fachhochschulen sind eine Schatzgrube voller Innovationen, die unternehmerisch umgesetzt werden könnten.
Damals in Stanford: Larry Page und Sergey Brin entwickeln in einem gemeinsamen Forschungsprojekt eine Suchmaschine, die von der Universität zum Patent angemeldet wird. Die beiden gründen 1998 mit ihrer Idee ein Unternehmen, aus dessen Namen sich später ein eigenes Verb ableitet. Google ist ein klassisches Spin-off – aus wissenschaftlicher Arbeit entstehen Innovationen, die im Idealfall wirtschaftlichen Erfolg bringen. Auch das Mainzer Pharmaunternehmen BioNTech entsprang der universitären Forschung: Das von der deutschen Medizinerin Özlem Türeci entwickelte mRNA-Verfahren revolutionierte die Impfstoffherstellung.
In Österreich sind Spin-offs noch eher selten. Zwischen 2018 und 2021 gab es 146 Gründungen im universitären Umfeld. Davon waren 102 »akademische Start-ups«, also Gründungen aus einer Universität oder Fachhochschule, und 44 sogenannte »Verwertungs-Spin-offs«, die auf Basis eines aus Forschungsergebnissen resultierenden Schutzrechts gegründet wurden. Spitzenreiterin ist die TU Graz mit 34 Gründungen, gefolgt von der TU Wien (23) und der FH Oberösterreich (16). Um Forschung, Wirtschaft und Politik an einen Tisch zu bringen, riefen die beiden Investoren Hermann Hauser und Herbert Gartner 2020 die Initiative »Spin-off Austria« ins Leben. Dahinter steht eine ganze Reihe von Partnern und Organisationen wie die Industriellenvereinigung, Wirtschaftskammer Österreich, Austria Wirtschaftsservice und die Forschungsförderungsgesellschaft FFG. Am 23. November 2023 fand die Spin-off Austria Conference in Wien bereits zum vierten Mal statt.
Mitorganisator Werner Wutscher, Geschäftsführer der Unternehmensberatung New Venture Scouting, sieht in der geringen Zahl der Ausgründungen »kein rein österreichisches, sondern ein gesamt-europäisches Problem«: »Obwohl in Europa viel Geld für Forschung ausgegeben wird, gelingt der Transfer der Forschungsergebnisse in Wirtschaft und Gesellschaft nur unzureichend. Zudem ist die Datenlage zu akademischen Spin-offs fragmentiert, was einen aussagekräftigen internationalen Vergleich erschwert.«
Mehr zum Thema: Welche anderen Ideen es doch auf den Markt gebracht haben - und welche es noch schaffen wollen , lesen Sie hier: Forschungswelt Österreich
Rechtliche Hürden
Potenzial gäbe es an den heimischen Forschungseinrichtungen zur Genüge, wie einige erfolgreiche Ausgründungen zeigen. So wurde das erst 2020 gegründete Innsbrucker Unternehmen Parity QC von einer hochkarätigen Jury unter der Ägide des Wissenschaftsmagazins Nature zu einem der besten Spin-offs weltweit gewählt. Die beiden Founder Magdalena Hauser und Wolfgang Lechner arbeiten an der Entwicklung des ersten Betriebssystems für Quantencomputer. Als Teil eines Konsortiums wurde Parity QC 2022 vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt beauftragt, mehrere Quantenrechner zu konstruieren und zu bauen.
Spin-offs können direkt auf fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbauen und wachsen in den ersten Jahren schneller als Start-ups. Dass dennoch nur wenige Wissenschafter*innen ihre Forschungsergebnisse wirtschaftlich verwerten möchten, liegt auch an bürokratischen Hürden: Zu klären sind Lizenzrechte sowie mögliche Anteile – jede Universität entscheidet hier autonom, es gibt keine bundesweit einheitlichen Richtlinien und kaum Transparenz. Während im Ausland 70 Prozent der Spin-off-Projekte in weniger als sechs Monaten verhandelt und ausgegliedert sind, dauert das Verfahren in Österreich manchmal mehrere Jahre.
Die Universität Innsbruck hat sich in der Anfang 2023 beschlossenen Gründungs- und Beteiligungsstrategie jährlich zwei bis vier kommerzielle Ausgründungen als Ziel gesetzt. In einer eigenen Uni-Holding hält die Universität als Minderheitengesellschafterin Anteile an Spin-offs. »Die Beteiligung dient als Kompensation für eine Unterstützung im Vorfeld und die Reduktion bzw. den Verzicht auf ansonsten übliche Anteile an Lizenzerlösen«, erklärt Sara Matt von der Transferstelle der Universität Innsbruck. »Durch die aktive Rolle, die die Universität als Gesellschafterin ausübt, können zudem Forschungskooperationen gestärkt werden.«
Wenig Unternehmergeist
Berater Werner Wutscher ortet die Schwierigkeiten dennoch weniger in rechtlichen Fragen: »In Österreich mangelt es an einer ausgeprägten Gründungskultur. Eine Unternehmensgründung wird an Universitäten selten als Karriereweg wahrgenommen.« Vielen potenziellen Gründer*innen fehlt das unternehmerische Know-how. In technischen und naturwissenschaftlichen Studienrichtungen werden diesbezüglich keine Lehrveranstaltungen angeboten. In der FTI-Strategie 2030 (Forschung, Technologie und Innovation) der Bundesregierung wird als Ziel die Verdopplung der Anzahl akademischer Spin-offs angegeben, davon ist man derzeit noch weit entfernt. Von 360 Neugründungen im Jahr 2022 kamen nur 90 aus dem akademischen Umfeld, wie der Austrian Startup Monitor dokumentierte.
Parallel dazu sollen die Universitäten in ihrer »Third Mission« und damit im Wissens- und Technologietransfer gestärkt werden. Auch europäische Forschungsprogramme wie Horizon Europe zielen auf diesen Aspekt ab – es soll nicht nur der Forschung wegen geforscht werden, die Ergebnisse sollen auch einen Nutzen für die Gesellschaft stiften. Im Rahmen des Spin-off-Fellowships stehen bis 2026 weitere 15 Millionen Euro zur Verfügung. Aus 24 geförderten Projekten dieses Programms erfolgten bisher 16 Unternehmensgründungen. Um das Gründungsökosystem zu verbessern, haben sich die österreichischen Universitäten und Hochschulen zum Entrepreneurship Center Network (ECN) zusammengeschlossen.
Auch hinsichtlich der Rechtsform winken Erleichterungen. Mit der neuen »Flexiblen Kapitalgesellschaft« (Flexkap) werden Gründungen von jungen Unternehmen künftig erleichtert – diese Möglichkeit soll auch Universitäten zugänglich sein. Neben einer Senkung des erforderlichen Mindeststammkapitals von 35.000 Euro auf 10.000 Euro sind auch steuerliche Begünstigungen bei Mitarbeiterbeteiligungen vorgesehen.
Spin-offs können direkt auf fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbauen und wachsen in den ersten Jahren schneller als andere Start-ups.