Mit seinem Ausgabenmanagement schmückt sich kaum ein Unternehmen. Dabei lässt sich doch gerade hier viel in Sachen Nachhaltigkeit und Resilienz erwirken. Auf der SAP Spend Connect Live bekam Spend Management darum auch einmal seinen Platz im Rampenlicht.
Die Beschaffung – englisch Procurement – wird im Vergleich zum Controlling oder dem Vertrieb oft ein wenig stiefmütterlich behandelt. Nur ein Prozent des Budgets geht laut Economist Impact an diejenigen, die sich um sichere Lieferketten und klugen Einkauf kümmern. Die globalisierte Welt aber wird zunehmend komplexer: Inflation, hoher Kostendruck, geopolitische Unsicherheiten, der Ruf nach mehr Transparenz und Nachhaltigkeit plus neue Berichtspflichten – Procurement wird wohl zwangsläufig in der Prioritätenliste aufsteigen.
Für 86 Prozent aller Unternehmen bedeutet das, ihr Lieferkettenmanagement auch digital zu transformieren. Digitale Lösungen haben den Vorteil, dass sie idealerweise Datensilos zusammenlegen und dem Team so nicht nur eine bessere Übersicht verschaffen, sondern auch schnellere Datenanalysen ermöglichen. Das Ziel ist, Einkaufsprozesse nur noch per Mausklick erledigen zu können.
Auf der SAP Spend Connect Live war genau das Thema: SAP und Partner wie Deloitte, EcoVadis oder IBM präsentierten vom 9. bis 11. Oktober auf der Messe in Wien ihre Lösungen für den Einkauf, das Reisemanagement, Kostenanalyse, External Workforce, Materialfluss oder zu Smart Contracts.
Die SAP Spend Connect Live ist nicht nur eine Plattform für Austausch und Networking. SAP und Partner bieten dort auch Kurse und Informationsvorträge an, zum Beispiel zum Thema Data-Driven Decisions (Datengestützte Entscheidungen). (Foto: Bloos)
Verlässliche Emissionsdaten?
Einer der Fokuspunkte des Events lag auf nachhaltigen Lieferketten – die nicht nur politisch gefordert, sondern zunehmend auch von Kund*innen sowie Investoren verlangt werden. Tatsächlich stammt meist der größte Teil des CO2-Abdrucks aus Scope-3-Emissionen. Hier einen transparenten Überblick zu gewinnen, sei eine Herausforderung für viele Unternehmen, erklärte Robert Fessler, COO SAP Intelligent Spend & Business Network. Die Emissionswerte selbst zu berechnen und zu verwalten, stelle einen immensen Aufwand dar.
Was aber, wenn jeder einzelne Lieferant diese Daten selbstständig einträgt - von der Mine zur Verarbeitung bis hin zum Einbau als Komponente? Mit Green Ledger – einer Art ‘Buchhaltung’ für CO2-Emissionen – will SAP Unternehmen in ihrem Business Netzwerk unterstützen. »Wir wollen einen quantifizierbaren CO2-Abdruck für alle Komponenten bekommen - ähnlich wie beim Kostenmanagement«, erklärte Fessler. Lieferanten können diese Daten einfach im ERP-System eintragen. »Das SAP Business Netzwerk bildet die Schnittstelle und reicht die Informationen von ganz hinten nach ganz vorne durch.«
Ein solcher Bottom-Up-Ansatz kann aber nur funktionieren, wenn Zulieferer wirklich zuverlässige Daten liefern – und noch tut das nicht jeder. Bei den meisten Nachhaltigkeitsdaten handelt es sich im Moment um Schätzungen, die von Firmen wie EcoVadis aus tatsächlichen Daten und Mittelwerten für bestimmte Materialien berechnet werden. »Ich glaube, das wird auch noch lange eine Art Mischung sein«, schätzt Jan Gilg, President & CPO bei SAP Cloud ERP. »Mit der Zeit wird es aber immer mehr in Richtung dieser Actuals (Anm. d. Red. echte Werte) gehen.« Er könne sich beispielsweise Standards auf transaktionaler Ebene vorstellen, die Firmen dann nachweisen müssen, um sich überhaupt für Aufträge zu qualifizieren.
Wie aber will man die Echtheit solcher Daten garantieren? Die OMV stützt sich dabei unter anderem auf die Informationen von NGOs, erklärt Klaus Blachnik, CPO bei dem österreichischen Gaskonzern. Mit der Verkündung einer neuen Nachhaltigkeitsstrategie – bis 2050 will die OMV klimaneutral sein – habe sich auch der Einkauf geändert: »Jede Firma, die sich als Lieferant qualifizieren will, muss bestimmte Nachhaltigkeits-Kriterien erfüllen, und in Ausschreibungen werden dann noch einmal spezifische Kriterien festgelegt«, meint er. Eines dieser Kriterien sei beispielsweise der EcoVadis-Score. Allerdings, so gibt Blachnik zu, sei das ein langsamer Prozess, ein »Step-by-Step-Approach« - würde man die Kriterien von jetzt auf gleich zu hoch ansetzen, »hätten wir wohl keine Lieferanten mehr.«
Blick aus dem Kontrollturm
Aber: »Auf Dauer werden die Lieferanten darum nicht herumkommen«, ist zumindest Jan Gilg überzeugt. SAP selbst forciert diese Entwicklung mit Green Ledger, das demnächst auch in S/4 HANA schrittweise eingeführt werden soll. Bis dahin bietet der Konzern aber noch eine andere Möglichkeit, um an fehlende Emissionswerte zu kommen: Nämlich, sie von einer KI berechnen zu lassen. Um das Loch im CO2-Fußabdruck zu stopfen, braucht der Algorithmus nur Schätzwerte für bestimmte Materialien - aus denen dann jeweils Mittelwerte gebildet werden.
Und das ist nur eine Funktion von vielen, die der neue SAP Spend Control Tower zu bieten hat. Das KI-Flaggschiff wurde bei der Messe vorgestellt und bündelt alle Daten – von indirekten und direkten Ausgaben über alle Kategorien hinweg bis hin zu ESG in einem einzigen Datenmodell. Dafür fließen Informationen aus externen Systemen – z. B. Cloud-ERP-Lösungen von SAP, SAP Ariba, oder dem Business Network über APIS zusammen. Mithilfe von Dashboards und verschiedenen Analysetools sollen Unternehmen so viel schneller einen Überblick gewinnen als auch Einsparmöglichkeiten und Potenziale für effizientere Prozesse aufdecken können. Kommen soll die Lösung Anfang 2024.
Der Spend Control Tower zeigt verschiedene Analysen auf dem Dashboard an - zum Beispiel die Top-Ausgaben pro Kategorie oder die wichtigsten Lieferanten. (Foto: Bloos)
Stärkerer Fokus aufs Thema KI
Zum Thema KI hatte sich SAP lange zögerlich verhalten – auch, weil dem am deutschen Markt noch recht viel Skepsis entgegenschlug. KI soll nicht nur Vorschläge liefern, sondern auch wirklichen Mehrwert bringen, so der Tenor. Im September hatte SAP dann letztendlich doch eine eigene KI-Assistenz angekündigt. Joule – so heißt sie - wird ab kommendem Jahr sukzessive in alle SAP-Lösungen integriert und ständig mit neuen Funktionen versehen. So soll sie beispielsweise Daten selbstständig verknüpfen können und Mitarbeitenden Fragen nach dem Geschäft in bestimmten Regionen oder Problemen in der Lieferkette beantworten können.
SAP CEO und Vorstandssprecher Christian Klein sprach auf der Messe über generative KI: »Ohne einheitliches Authorization- und Datenlayer sind alle Co-Piloten auf diesem Planeten nutzlos.« Fehlen verlässliche Daten, könne eine KI auch keine verlässlichen Ergebnisse liefern. (Foto: SAP)
Vorstellbar sei auch, dass die KI selbst Ausschreibungen lesen oder verfassen kann, Risikobewertungen erstellt, automatisch Einkäufe abwickelt, und bei der Datenbereinigung oder der Migration in die Cloud hilft. Wichtig für solch spezialisierte KIs: eine einheitliche Datenbasis, sowohl fürs Training als auch für spätere Anwendungen. »Am Ende geht es um Verlässlichkeit und Verantwortung«, meinte SAP CEO Christian Klein. »Wir wollen unseren Kunden garantieren, dass wir KI auf die richtige Art und Weise anwenden, und eine KI entwickeln, die keinem Bias folgt und sich an unseren Werten orientiert.«