...und ist ein fortwährender Prozess. Das weiß auch Andreas Kraler. Er leitet das Osttiroler Unternehmen Hella, das sein Großvater gegründet und sein Vater zu einem führenden europäischen Anbieter von Sonnen-, Licht- und Wetterschutz gemacht hat. Denken in Generationen gehört zur DNA des Unternehmens.
Ihr Unternehmen hat 2022 einen Rekordumsatz erzielt. Wie macht Hella das? Gibt es ein Rezept?
Andreas Kraler: Vieles erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte. Mein Großvater, der das Unternehmen 1959 gründete, war Landwirt, Holzdrechsler und Bürgermeister. Er wollte Arbeitsplätze schaffen und hat dann dieses kleine, von einer schwedischen Familie geführte Unternehmen gekauft, das Jalousien produziert hat. Mein Großvater hatte keine Ahnung was Jalousien sind...
Also stand am Anfang der Zufall?
Kraler: Ja, es war die Offenheit für Neues, gepaart mit Konsequenz und Kontinuität. Mein Vater hat das Unternehmen mehr als 50 Jahre lang begleitet. Wir waren all die Jahre bei Ausschüttungen sehr zurückhaltend, das war die Basis für den Erfolg.
Das Kapital bleibt im Unternehmen. Wie schaut die Eigenkapitalquote aus?
Kraler: Jetzt haben wir mittlerweile wieder über 30 Prozent. Wir hatten schon 100 Prozent, dann aber einige größere Akquisitionen gemacht und haben in kurzer Zeit deutliche Wachstumssprünge hingelegt. Deshalb ist die Eigenkapitalquote gesunken. Nach der Phase der Expansion kommt jetzt die Konsolidierung. Wir verabschieden uns von Randthemen und konzentrieren uns auf das Kerngeschäft, auf das Wesentliche. Ein Erfolgsfaktor ist auch zu verstehen, was gerade notwendig ist fürs Geschäft, nicht an der Vergangenheit zu hängen.
Was ist der Unterschied zwischen den guten Unternehmen und den sehr guten Unternehmen? Diese Frage hat Professor Johann Risak, der viele Jahre für den Report geschrieben hat, so beantwortet: Die sehr Guten können sich trennen von falschen Projekten und Ideen. Die Schlechten halten daran fest.
Kraler: Ja, das gehört dazu. Wer viel probiert, wird manches falsch machen. Mein Vater war immer der Innovator, hat immer neue Dinge entwickelt und Innovation zu einem permanenten Prozess gemacht. Veränderungswillen und Agilität haben uns immer ausgezeichnet.
Agil sein heißt auch, sich von gewissen Dingen zu trennen, und das haben wir immer so gehalten. Es gibt keine bessere Verkaufsaktion, als ein Produkt auslaufen zu lassen. Man muss selbstreflektiert sein, permanent fragen: Stimmt es noch? Oder stimmt es nicht mehr? Und wenn es nicht stimmt, dann muss man es korrigieren. Das heißt auch Fehler einzugestehen. Dazu gehört auch Demut.
»Wir verabschieden uns von Randthemen und kleben nicht am Vergangenen«, sagt Andreas Kraler, Geschäftsführer von Hella. (Foto: Hella)
Osttirol, wo sich der Hauptsitz Ihres Unternehmens befindet, ist ein tief katholisches Land. Da wird in der Kirche viel gekniet. Das ist die Übung in Demut von Kindesbeinen an.
Kraler: Ja, das stimmt, davon sind wir sehr geprägt. Man wächst auf in dem Wissen, in ein größeres Ganzes eingebettet zu sein. Demut und die Wertschätzung gegenüber Mitmenschen gehört dazu.
Hella ist ein Familienunternehmen. Das ist immer ein schwieriges Thema, weil eben im familiären Bereich emotionale Themen eine Rolle spielen. Professionelle Distanz zu wahren, ist schwer möglich. Wie gehen Sie damit um?
Kraler: Ja, wenn Blut in Wallung kommt... Aber wir finden immer wieder zusammen. Es gab schon eine Phase, wo ich gesagt habe, wenn man mich hier nicht braucht, suche ich meinen eigenen Weg. Das habe ich dann auch gemacht.
Wie sieht die Streitkultur der Familie Kraler konkret aus?
Kraler: Also es wird manchmal laut. Mein Vater sitzt jetzt im Aufsichtsrat und ich bin in der Geschäftsführung. Diese Teilung funktioniert ganz gut. Wir sind mitten in einer Transformation. Die Frage ist, wie lange bleibt mein Vater als Gesellschafter noch im Unternehmen tätig? Wir sind vier Geschwister, alle halten je 20 Prozent an der Gesellschaft. Der Rest liegt bei unserem Vater. Die Frage ist, wann und wie erfolgt die Übergabe seiner Anteile? Was passiert im Aufsichtsrat? Das sind momentan die Themen.
Wir haben einen Grundsatz: Wir diskutieren intern alles, wenn wir einmal entschieden haben, gehen wir mit einer Meinung nach außen. An der Kommunikation in der Familie muss man permanent arbeiten, das ist ein sehr sensibles Thema. Bis jetzt haben wir es für uns gut gemeistert, wir wissen, wo wir sind und wo wir hinwollen.
Wir haben vor zweieinhalb Jahren mit einem befreundeten Wirtschaftspsychologen einen Transformationsprozess aufgesetzt: Wie komme ich von meiner Generation in die nächste? Es ist nicht nur der jetzt anstehende Übergang, der ist mehr oder weniger abgeschlossen, es geht auch um die nächste Generation. Wie geht es dann weiter in der Konstellation der Gesellschafter? Wie kann man die Kinder, meine Kinder und meine Neffen und Nichten einbinden, sodass sie sich als Gesellschafter sehen? Sie müssen nicht im Unternehmen tätig sein, operativ, aber sie müssen eine Rolle als Gesellschafter einnehmen. Ich glaube, damit muss man sehr frühzeitig beginnen, und das kontinuierlich entwickeln.
Es gibt sehr viele Familienunternehmen, die genau an dieser Frage scheitern.
Kraler: Meine Geschwister haben ihr eigenes Leben, ihre eigenen Jobs und verdienen ihr Geld und sind nicht abhängig. Ich versuche ja im Sinne der Familie zu wirtschaften und nachhaltig. Und mein Ziel ist es, das Unternehmen in die nächste Generation zu bringen. Wir haben jetzt viele Jahre damit zugebracht, dass man Standards vereinheitlicht. Wir haben ein neues System eingeführt. Wir haben die Plattform geschaffen für den Absprung, für die nächste Wachstumsphase. Und die wird passieren.
Zahlen und Fakten
(Foto: Hella)
Hella ist Österreichs Marktführer für Sonnen-, Licht-, und Wetterschutz.
Zentrale: Abfaltersbach, Osttirol
Umsatz 2022: 217 Mio. Euro
Umsatz 2021: 192,5 Mio. Euro
Mitarbeiter*innen: 1.300