Donnerstag, Juli 18, 2024
„Jeder Bettler kann eine Wallet haben“ 
(V.l.): Diskutierten über den digitalen Euro und seine Einführung in Österreich: Erich Falkensteiner (CEO Falkensteiner), Wolfgang Haunold (OeNB), Claudia Wuppinger (CMO Teamaxess), Roger Niederer (CEO abrantix), und Moderator Reinhard Lanner (CEO Workers on the Field). (Credit: Robin Consult/Mike Vogl)

Die Vielfalt der Bezahlsysteme hat einen hohen Preis: Handel und Tourismus verlieren bis zu zwei Prozent ihrer Umsätze. Wie die Lücken im Zahlungssystem geschlossen werden können, diskutierte eine hochkarätige Runde bei der Top Speakers Lounge der Handelskammer Schweiz-Österreich-Liechtenstein. 

Für Unternehmen wird es immer komplizierter, einen klaren Überblick über alle Zahlungstransaktionen zu behalten. Expert*innen schätzen, dass bis zu zwei Prozent des Umsatzes durch fehlerhafte Buchungsprozesse verloren gehen. Dazu kommt, dass Europa in der Vergangenheit die Kontrolle über seine Zahlungssysteme überwiegend an US-Firmen abgegeben hat.

Im Oktober 2023 will die EU-Kommission über die Umsetzung des digitalen Euro entscheiden. Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre und der Rolle des Bargelds räumte Wolfgang Haunold, Leiter des Referats für Zahlungsverkehrsstrategie der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), in seinem Statement aus: „Der digitale Euro ist wie eine Barzahlung und hat die gleichen Vorteile wie Bargeld. Jeder Bettler kann eine Wallet haben, wenn er will. Jeder wird damit zahlen können, egal ob er oder sie bettlägerig ist oder nicht.“

Der digitale Euro fördere somit auch die finanzielle Inklusion, indem er digitale Zahlungen für diejenigen bereitstellt, die zurzeit keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen haben. So sollen etwa Scheckkarten an jene ausgeben werden, die kein Smartphone verwenden wollen. Für die Händler wären die Kosten „viel niedriger als heute“. Wichtig sei, dass die Daten geschützt bleiben und in Europa lagern. „Wir als Zentralbank wollen nicht sehen, was ein Bürger kauft“, verwies Haunold auf weitere Vorteile: „Die elektronische Identität ist eine staatliche Anwendung, die mit der Wirtschaft oder mit Behörden kommuniziert.“ Ein Klimabonus könnte innerhalb von Sekunden an Millionen von Menschen überwiesen werden.

Geopolitischer Machtfaktor

Die neue Bezahlwelt steht und fällt für Roger Niederer, CEO abrantix, mit dem Schutz der Daten: „Der Zahlungsverkehr kann kein Ausverkauf an amerikanische und chinesische Unternehmen sein. Ein Kreditkartenbetreiber wie Mastercard könnte jederzeit sagen, dass du in der Schweiz nicht mehr handeln darfst, sonst verlierst du deine Lizenz.“ Er setze sich dafür ein, die Macht über Zahlungssysteme wieder nach Europa zurückzubringen.

Für Erich Falkensteiner, CEO Falkensteiner, Hotels & Residences, ist der Datenschutz ein Problem, das sich auf technischem Wege – etwa über Blockchains – lösen ließe: „99 Prozent unserer Branche beschäftigen sich nicht mit Payment. Man hat einfach keine Zeit. Einmal im Jahr den Steuerberater zu fragen, wie es aussieht, ist aber nicht mehr zeitgemäß. Man muss nach vorne schauen und nicht zurück!“

Roger Niederer entwickelte mit ReconHub eine Lösung, die Unternehmen eine Vereinfachung und Optimierung von Buchungsprozessen bietet – unabhängig davon, wer was wo und wie bezahlt: „Die Abstimmungssoftware ist voll digital und automatisiert, kann unbegrenzt Finanztransaktionen zu jedem Buchhaltungssystem oder ERP verarbeiten und lässt sich leicht an jede zukünftige oder zusätzliche Zahlungsmethode anpassen.“ Welche Commerceplattform, welche Zahlungsmethode sich schließlich als neuer Standard durchsetzen werde, beschäftigte diskutierte das Podium in der letzten Fragerunde.

Möglicherweise Amazon, über dessen Plattform dann auch Hotels gebucht werden können? Claudia Wuppinger, CMO bei Teamaxess, wappnet hat sich in diese Richtung für die Zukunft. Aus dem Skibereich kommend, hat sich das Unternehmen auf Ticketing-Lösungen spezialisiert: „Wir haben eine Software entwickelt, mit der Parkhäuser, Skischulen, Tankstellen usw. ihre Anwendungen über eine Plattform abwickeln können. Das funktioniert wie bei Amazon, wo man alles in einen Warenkorb legen kann.“ 

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