Visualisierungstechnologien finden zunehmend Eingang in Wirtschaft und Gesellschaft. Die neuesten Lösungen kommen unter anderem vom Bundesheer oder aus der Medizin; aber auch die Tourismusbranche tüftelt an neuen VR-Werbestrategien.
Sicherheit in der Munitionslogistik
Das österreichische Bundesheer hat sich viel vorgenommen: Im Zuge des »Aufbauplans 2032+« steht neben einer Modernisierung und dem Ausbau der Streitkräfte auch die Digitalisierung groß auf der Agenda. Gemeinsam mit VRVis entwickelte die Heereslogistikschule des Österreichischen Bundesheeres eine Virtual-Reality-Anwendung, die das Training sicherer Munitionslagerung ermöglicht. Damit setzt das Bundesheer auf gefahrloses, immersives VR-Training, um komplexe und risikoreiche Szenarien zu üben – dies ist gerade in Fragen von Sicherheit und Lagerverwaltung in der Munitionslogistik von großer Bedeutung.
Mittels der VR-Anwendung können alle üblichen Arbeitsschritte simuliert und im virtuellen Training erlernt werden: Dazu gehört der Umgang mit der Zugangskontrolle, das Öffnen einzelner Bunker sowie die Inventarisierung und Versiegelung der einzelnen Munitionskisten. Ein wichtiger Kompetenzbestandteil ist auch der Umgang mit Messwerkzeugen und Checklisten, die zur Risikoanalyse und zum Sicherheitstraining gehören. Dieses VR-Training zur sicheren Munitionslagerung wird zukünftig in nationale und internationale Lehrgänge integriert. Es werden sowohl Lehrabschnitte als auch Evaluierungsprozesse unterstützt, um den Auszubildenden nicht nur einen Erfahrungsgewinn, sondern auch eine Leistungsüberprüfung zu ermöglichen.
Das Team von VRVis entwickelte eine VR-Anwendung für das Österreichische Bundesheer. (Bild: VRVis)
Sturzprävention mittels Eye-Tracking
Die Fachhochschule St. Pölten startet ein neues Forschungsprojekt, das sich dem Einsatz von Extended Reality (XR) und Eye-Tracking im Gesundheitswesen widmet. Wichtige Anwendungsbereiche für diese Technologien sind kostengünstige, klinische und paraklinische Schulungen sowie interaktive virtuelle Umgebungen für Patient*innen in Therapie und Rehabilitation. Digitale Gesundheitsanwendungen können zudem den Trend zur personalisierten Medizin unterstützen. »Um sich in diese Richtung zu entwickeln, müssen XR-Umgebungen zu intelligenten Systemen werden, die sich an Benutzer*innen anpassen. Ein objektives Feedbacksystem, das auf kognitiv und physiologisch relevanten, digitalen Biomarkern basiert, bietet eine Grundlage für diese Anpassung«, sagt Vanessa Leung, Senior Researcherin am Center for Digital Health and Social Innovation der FH St. Pölten.
Im Projekt EyeQTrack untersucht die Forscherin XR-Technologien in der Ausbildung von Rettungsdiensten und der Sturzprävention für Parkinson-Patient*innen in der Rehabilitation. Ziel des Projekts sind die Entwicklung spezifischer Anwendungsfälle, die mittelfristige Expansion durch Spin-off-Projekte und Kooperationen sowie der Aufbau eines nachhaltigen Ökosystems aus Expertise, Partner*innen und Projekten innerhalb von sechs Jahren.
Der Gesundheitsbereich eignet sich besonders für virtuelle Trainings – etwa für Sturzprävention im Projekt EyeQTrack (l.) oder in der Mobilisation von Demenzkranken (r.).(Bilder: FHSTP/Helene Sorger/ Florian Stix, Netural GmbH/ Volkshilfe GSD)
Messestand der Zukunft
Beim Internationalen Tourismustag am 2. Mai präsentierte die Österreich Werbung gemeinsam mit dem AIT Center for Technology Experience ein »Extended Reality«-Erlebnis. Dabei konnten sich Besucher*innen auf eine multisensorische Reise durch Österreich begeben: auf den winterlichen Gipfel des Wildkogels in den Kitzbüheler Alpen, zum sommerlichen Ausblick auf den Irrsee im Salzkammergut sowie auf die spektakuläre Aussichtsplattform 5fingers am Krippenstein im Dachsteingebirge.
Für diese Szenen entwickelten die AIT-Expert*innen den Prototyp einer modernen »6DoF XR«-Erlebniswelt. 6DoF (»Degrees of Freedom«) bedeutet, dass sich die Personen mithilfe des XR-Headsets »Meta Quest Pro« und Kopfhörern frei im Raum bewegen und die jeweiligen Szenarien individuell erkunden können. Die Destinationen werden nicht nur optisch erlebbar, sondern Audio-Einspielungen, Kälte, Feuchtigkeit, Wind, Wärme und Genuss vermitteln ein sehr reales Eintauchen in den jeweiligen Ort mit allen Sinnen. Mittels partiellem »Video Pass Trough« ist es möglich, auch Elemente der realen Welt, etwa die eigenen Hände, zu sehen.
Damit wird ein fließender Übergang und ein optimales Zusammenspiel von realer und virtueller Welt ermöglicht. Von diesem Prototyp könnte künftig die gesamte Branche profitieren, ist Barbara Prodinger, Innovationsmanagerin der Österreich Werbung, überzeugt: »Neue Technologien eröffnen ungeheure Chancen im Tourismus und bieten eine sehr interessante Möglichkeit, vor der Reise in neue Destinationen einzutauchen, diese zu erkunden, über sie zu lernen und nach der Reise das Urlaubsgefühl unabhängig von Ort und Zeit wieder erlebbar zu machen.«
Grenzüberschreitendes Bildungsnetzwerk
In zweijähriger Zusammenarbeit des Südböhmischen Wissenschafts- und Technologieparks, der Pädagogischen Fakultät der Universität Südböhmen, von Business Upper Austria und der Education Group entstand ein Netzwerk von Kooperationspartnern, das sich intensiv über die Nutzung von Virtual und Augmented Reality in Schulen und in der betrieblichen Bildung austauschte. Im Zuge des Projekts »VReduNet« wurden mehrere effektive Werkzeuge erarbeitet, dank derer die Einführung der VR/AR-Technologie in den Unterricht jetzt etwas einfacher wird. »Eines davon ist ein dreitägiger Kurs, der sich an Lehrkräfte richtet«, sagt Tomáš Jakubec, der seitens des Projekt-Leadpartners JVTP für die Umsetzung verantwortlich war.
Der Kurs kann entweder im neuen VR/AR-Testlabor stattfinden, das auf dem Gelände des Südböhmischen Wissenschafts- und Technologieparks eingerichtet wurde, oder vor Ort an Schulen und Unternehmen durchgeführt werden. Nach Abschluss des Kurses sind Lehrer*innen und Dozent*innen in der Lage, verfügbare VR/AR-Anwendungen in ihren Fächern oder Kursen zu nutzen und eigene Bildungsprogramme für ihren Unterricht vorzubereiten. Die Zusammenarbeit der vier Partner soll auch nach Projektende fortgesetzt werden.
VR-Training für Demenzkranke
Radeln an der Donau oder Wandern im Wald – für demenzkranke Menschen ist das oft nicht mehr möglich. Doch mittels 3D-Videos in einer VR-Brille können sie in eine virtuelle Umgebung versetzt werden, die sie zu körperlicher und geistiger Aktivität animiert. Das war die Idee hinter einem Forschungsprojekt, an dem sich die Netural GmbH, die Volkshilfe Gesundheits- und Soziale Dienste GmbH, das Beratungsunternehmen R’n’B Consulting, die Filmproduktionsfirma amago sowie das gemeinnützige Unternehmen LIFEtool beteiligten.
Die Teilnehmer*innen trugen beim Training am Ergometer dreimal 20 Minuten lang eine VR-Brille. In visuellen 360-Grad-Videos wanderten sie durch Wald-, Strand- oder Wiesenlandschaften und trainierten dabei ihre Beweglichkeit und ihr Gedächtnis. »Menschen, die keine Erfahrung mit VR-Brillen haben, zögern beim ersten Kontakt. Diese Angst konnten wir durch gute Vorbereitung und erste Erprobungen nehmen«, erklärt Michael Gstöttenbauer, zuständig für Forschung & Entwicklung bei LIFEtool.
Von besonderem Interesse waren für das Projektteam die Gefühlszustände der Proband*innen. »Das Training könnte den Gemütszustand verbessern und weniger Medikamente erforderlich machen«, erklärt Projektleiter Robert Hartmann von der Netural GmbH, die Anwendungen für e-Health und medizinische Technik entwickelt. Elektroden maßen die Auswirkungen auf die Ganggeschwindigkeit und die Herzratenvariabilität. Für die Netural GmbH ist der im Projekt entwickelte Prototyp ein Grundbaustein für weitere Projekte, etwa im kognitiven Training von Schlaganfall-Patient*innen.