Donnerstag, Juli 18, 2024

Ein wesentlicher Teil des europäischen »Green Deal« ist die sogenannte »Renovation Wave« – diese Sanierungswelle soll die thermische Modernisierung des Gebäudebestands in Europa vorantreiben. Unternehmen und Verbände haben sich zusammengeschlossen, um ihre Aktivitäten zu bündeln.

Die Kampagne »Renovate Europe« (REC) ist eine Initiative der European Alliance of Companies for Energy Efficiency in Buildings (EuroACE). Ihr Ziel ist es, den Energieverbrauch des bestehenden Gebäudebestands in der EU bis 2050 im Vergleich zu 2005 um 80 % zu senken. Die REC fordert die europaweite Umsetzung ehrgeiziger Sanierungsstrategien: Die jährliche Sanierungsrate von Altbauten in der EU soll von 1 % auf 3 % verdreifacht werden, indem vollständige oder stufenweise thermische Umbauten gefördert werden.

In den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten gibt es in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Industrie unterschiedliche nationale Aktivitäten. Der folgende Überblick zeigt eine Auswahl der Fördermaßnahmen aus acht ausgewählten Ländern:

🇸🇰  Slowakei

Für die »grüne« Sanierung von Gebäuden stellt die Slowakische Republik 728 Millionen Euro bereit. Weitere 528 Millionen Euro sind für Energieeffizienzmaßnahmen in Einfamilienhäusern veranschlagt, 200 Millionen Euro für die Renovierung historischer öffentlicher Gebäude. Neben weiteren gebäudebezogenen Klimaschutzmaßnahmen wird die Einrichtung regionaler One-Stop-Shops unterstützt. Jährlich sollen 3 % der Gebäude saniert werden. Insgesamt belaufen sich die Bauinvestitionen damit auf 1,7 Milliarden Euro. Gleichzeitig wurden die Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz schrittweise verschärft; diese Vorgaben gelten seit 2021 für alle Neubauten. 

🇧🇪  Belgien

Im Rahmen des »Recovery and Resilience Plan« (RRP) will Belgien rund eine Milliarde Euro in die Sanierung des Gebäudebestands investieren. Darin enthalten sind u. a. 264 Millionen Euro für ein verbessertes Fördersystem, 98 Millionen Euro für die Sanierung von Sozialwohnungen sowie 636 Millionen Euro für Modernisierungsmaßnahmen in Schulen, Sport- und Kultureinrichtungen und anderen öffentlichen Gebäuden. Die belgische Regierung räumt Gebäudesanierung und Energieeffizienz nationale Priorität ein, um bis 2050 CO2-Neutralität im gesamten Gebäudebestand zu erreichen. Insgesamt sollen 250.000 Wohnungen und 2.500 öffentliche Gebäude thermisch saniert werden.

🇨🇿  Tschechien

Die Tschechische Republik budgetiert 1,6 Milliarden Euro für Energieeffizienzmaßnahmen. Geplant ist ein groß angelegtes Sanierungsprogramm von Wohnungen und öffentlichen Gebäuden wie Kinderbetreuungs- und Pflegeeinrichtungen. Tschechien zählt unter den EU-Mitgliedsstaaten zu den größten CO2-Emittenten. Bis 2030 wird eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 30 % 
angestrebt. Um dieses Ziel im Gebäudesektor zu erreichen, wurde das Fördersystem »New Green Savings« eingeführt. Für die thermische Modernisierung von Mehrfamilienhäusern stellt die Regierung zinslose Darlehen bereit, wenn der Gesamtenergieverbrauch um mindestens 20 % gesenkt wird. 

🇩🇪  Deutschland

Im Rahmen der Initiative »Fit für 55« will Deutschland bis 2030 die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 55 % reduzieren. Das soll neben anderen Maßnahmen durch das Wohnbauprogramm gelingen, das bis 2026 die umfassende Sanierung von 400.000 Wohnungen vorsieht. Die Sanierungsrate soll auf 2 % steigen. 2022 startete eine Wärmepumpen-Initiative, um Deutschland unabhängiger von russischem Gas zu machen. Bis 2030 sollen – parallel zur Verbesserung der Außendämmung von Gebäuden – sechs Millionen neue Wärmepumpen installiert werden. 

🇫🇷  Frankreich

Der französische »Nationale Resilienz- und Wiederaufbauplan« (NRRP) stellt 5,8 Milliarden Euro für die Sanierung des Gebäudebestands und die Erhöhung der Energieeffizienz bereit. Laut Schätzung des französischen Instituts für Klimaökonomie müssten jährlich 500.000 Gebäude saniert werden. Unterstützt wird die »grüne« Sanierung von Sozialwohnungen, privaten Wohnungen und Gebäuden sowie Betriebsgebäuden von KMU. Bis 2025 sollen zunächst alle Wohngebäude saniert werden, die einen Energieverbrauch von über 330 kWh/m² pro Jahr aufweisen. Die Sanierungsarbeiten werden mittels Steuergutschriften, Sparbriefen und vergünstigten Darlehen gefördert. Für einkommensschwache Haushalte werden 35 bis 50 % der Sanierungskosten übernommen. 

🇮🇪  Irland

Im Rahmen des Projekts »Irland 2040« wurden 7,5 Milliarden Euro für ein nationales Entwicklungsprogramm bereitgestellt, das u. a. die Errichtung und energieeffiziente Nachrüstung sozialer Mietwohnungen vorsieht. Der »Climate Action Plan« beinhaltet die thermische Modernisierung von 500.000 Gebäuden und die Installation von 600.000 Wärmepumpen. Daneben gibt es eine Reihe von staatlichen Zuschüssen in Höhe von bis zu 30 % der Kosten für Maßnahmen wie Wärmedämmung und Erneuerung der Heizungsanlage. 

🇮🇹  Italien

Die italienische Regierung hat 29,6 Milliarden Euro für Energieeffizienz und Aufwertung von Gebäuden im Budget verankert. Ein Drittel des gesamten jährlichen Energieverbrauchs des Landes entfällt auf den Gebäudesektor. Rund 14,5 Millionen Wohnungen wurden in der Vergangenheit ohne Berücksichtigung baulicher Vorschriften und der seismischen Risiken errichtet. Als Anreiz für thermische und erdbebensichere Maßnahmen wird ein Steuerabzug von 110 % der Kosten gewährt. Vereinfachte Verwaltungsverfahren sollen die Sanierung erleichtern. Der sogenannte »Superbonus« für energieeffiziente Sanierungsmaßnahmen wurde bis Ende 2025 verlängert. 

🇳🇱  Niederlande

Bis 2020 sollten 300.000 bestehende Wohngebäude pro Jahr saniert und um mindestens zwei Energieklassen verbessert werden. Ab 1. Jänner 2023 müssen Bürogebäude mindestens Energielabel C haben. Bereits seit 2014 bietet der Nationale Energiesparfonds besonders günstige Darlehen für die Finanzierung von Maßnahmen wie Wärmedämmung, effizientere Heizsysteme und Solaranlagen. Zusätzlich gibt es Zuschüsse von bis zu 20 % der Kosten, wenn mindestens zwei Dämmmaßnahmen (z. B. Dach, Boden, Wände oder Fenstertausch) durchgeführt werden. Um die akute Wohnungsnot zu lindern, will die niederländische Regierung bis 2030 zudem 845.000 neue Wohnungen errichten. Dabei wird besonders auf Kreislaufwirtschaft geachtet: Der Verbrauch der Primärressourcen soll durch die Verwendung recycelter Materialien um die Hälfte reduziert werden.


Dieser Beitrag entstand mit Unterstützung der European Association for External Thermal Insulation Composite Systems (EAE).  

(Titelbild: iStock)

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