Die thermische Sanierung von über zwei Millionen Wohneinheiten und der Austausch von fast ebenso vielen fossil betriebenen Heizanlagen bis 2040 sieht nach einer Mammutaufgabe aus. In finanzieller Hinsicht sind wir schon gut unterwegs. Wo es noch hapert, sind rechtliche Rahmenbedingungen und die zielgerichtete Koordination der Maßnahmen. Eine Analyse von Wolfgang Amann, Geschäftsführer des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen IIBW.
Aus heutiger Sicht erfordert eine Dekarbonisierung des Gebäudebestands gleichermaßen eine massive Reduktion des Energiebedarfs der Bauten – nicht nur im Betrieb, sondern auch in der Herstellung – und eine Umstellung auf erneuerbare Energieträger, Ersteres durch Maßnahmen an der Gebäudehülle, Letzteres durch den Austausch der Heizsysteme.
Sanierungsrate
Simulationen des IIBW mit Abschätzungen zu bisherigen Sanierungsraten und dem Anteil des Wohnungsbestands in thermisch unzureichendem Zustand kommen zum Ergebnis, dass die Erreichung der Regierungsziele einer vollständigen Dekarbonisierung bis 2040 eine rasche Erhöhung der Sanierungsrate von derzeit etwa 1,8 % auf zumindest 2,5 % erfordert. Besonders hoch ist der Sanierungsbedarf bei privaten Mietwohnungen und Gemeindewohnungen, vergleichsweise gering bei gemeinnützigen Mietwohnungen. Einen besonderen Stellenwert haben wegen ihrer großen Zahl und Nutzfläche die Eigenheime. Dabei werden Einzelbauteilmaßnahmen eine wesentliche Rolle spielen.
Anfang der 2010er-Jahre wurden österreichweit noch jährlich bis zu 45.000 umfassende Sanierungen gefördert. Bis 2017 reduzierte sich die Zahl auf ein Drittel und verharrt seither bei etwa 16.000 umfassend sanierten Wohneinheiten (Grafik). Auch die geförderten Heizungsumstellungen gingen sehr stark von fast 40.000 (2009) auf unter 15.000 Zusicherungen (2017) zurück, steigen seither aber wieder deutlich auf zuletzt über 32.000. Die Förderungszahlen für thermische Einzelmaßnahmen (eine oder zwei Maßnahmen von Wärmedämmung bei Fassade, Dach und/oder Kellerdecke, Fenstertausch) waren gleichfalls rückläufig. Ein Trendwechsel zeichnet sich seit 2019 ab (Daten des Umweltbundesamts).
Kesseltausch
Es müssen bis 2035 etwa 500.000 öl- und bis 2040 rund 900.000 gasbeheizte Wohnungen mit Hauptwohnsitz umgestellt werden. Dazu kommen noch fossil beheizte Dienstleistungsgebäude mit einem Äquivalent von etwa 450.000 Wohnungen. Unter Berücksichtigung auch der Wohnungen ohne Hauptwohnsitz erhöht sich die Zahl der zu ersetzenden fossil beheizten Einheiten auf etwa zwei Millionen.
Für Hauptwohnsitz-Wohnungen kann dies gelingen, wenn die mit Fernwärme beheizten Einheiten von derzeit 1,2 Millionen bis 2040 auf zwei Millionen zulegen und der mit Solarenergie bzw. Wärmepumpe konditionierte Wohnungsbestand ähnlich der jüngeren Vergangenheit um jährlich 70.000 bis 80.000 wächst. Im Neubau dominieren diese Systeme bereits und es zeigt sich, dass auch bei Sanierungen eine Umstellung auf Niedertemperaturheizungen mit Wärmepumpe technisch und wirtschaftlich möglich und sinnvoll ist. Der Anteil der mit Fernwärme beheizten Hauptwohnsitz-Wohnungen würde damit von heute 31 % bis 2040 auf 46 % wachsen, jener mit Solar/Wärmepumpe von heute etwa 14 % auf 37 %. Der Rest würde dann mit Holz/Pellets und vereinzelt Biogas beheizt werden.
(Quelle: IIBW Umweltbundesamt)
Für Dienstleistungsgebäude und Wohnungen ohne Hauptwohnsitz kommt zusätzlich ein etwa halb so großes Volumen hinzu, allerdings mit anderen Schwerpunkten. Beim Austausch der Heizsysteme wird es nicht so sehr um die Quantitäten gehen, so groß die Herausforderung auch ist. Der normale altersbedingte Austausch reicht annähernd aus. Herausfordernd ist vielmehr der Wechsel hin zu regenerativen Systemen.
Die notwendige Erhöhung der Sanierungsrate stößt auf massive Barrieren. Besonders hinderlich ist der immer noch gegebene Boom im Wohnungsneubau. Bei einer hohen Auslastung der Bauwirtschaft im Neubau fehlen die nötigen Kapazitäten für die Sanierung. Im Geschoßwohnbau stehen darüber hinaus wohnrechtliche Regelungen einer Sanierungsoffensive im Weg, bei Eigenheimen die Komplexität umfassender Sanierungen. Zielgerichtete Förderungen sind überaus wichtig.
Nichtfinanzielle Maßnahmen
Die Finanzierung ist allerdings nur einer von mehreren nötigen Hebeln zur Erhöhung der Sanierungsrate. Zur Erreichung der Sanierungsziele sind für die einzelnen Bestandssegmente zweifellos differenzierte Bündel mit einer Mischung aus finanziellen und nichtfinanziellen Maßnahmen erforderlich. Die Zahl von bereits bestehenden Instrumenten ist mit gut zwei Dutzend beachtlich. Es stehen Förderungen des Bundes, der Länder und Gemeinden, steuerliche und betriebliche Förderungen, die »Eigenfinanzierung« der Nutzer, wohnrechtliche und sonstige nichtfinanzielle Maßnahmen zur Verfügung. Nötig ist die geschickte Kombination von finanziellen und nichtfinanziellen Maßnahmen. Die Bestandssegmente erfordern jeweils unterschiedliche »Rezepte«.
Und ja: Ohne Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWG) wird es nicht gehen.