Die Hürden, die Unternehmen bei ihrem Wettlauf zum Netto-Null-Ziel nehmen müssen, sind hoch, aber nicht unüberwindbar. Die Unternehmensberatung Roland Berger nennt sechs Bereiche, in denen Betriebe aktiv werden können, um ihre Dekarbonisierung innerhalb der kommenden fünf Jahre spürbar zu beschleunigen – und davon zu profitieren.
1. Energetische Dekarbonisierung
In diesen Bereich fällt die Reduzierung des Energieverbrauchs und die Erkundung bzw. konsequente Nutzung kohlenstoffarmer Alternativen zur herkömmlichen Energieversorgung. Trotz der Abhängigkeit von verfügbaren Energiequellen können Unternehmen das Ruder selbst in die Hand nehmen und z. B. den benötigten Strom selbst erzeugen.
2. Saubere Technologien
Angesichts der Dringlichkeit verbietet es sich, abzuwarten und nichts zu tun, bis klimafreundliche Technologien kostengünstiger erhältlich sind. »Smarte Risikominderung« bietet hier einen Ausweg, indem private Investitionen durch Unterstützungen und Partnerschaften ergänzt werden, um das Risiko eines Unternehmensprojekts zu verringern und Investitionen abzusichern.
3. Nachhaltige Lieferketten
In der Automobilindustrie und im Maschinenbau sind 90 bis 99 Prozent der anfallenden Emissionen der Kategorie 3 zuzuordnen. Bis zu 40 Prozent der Gesamtemissionen entstehen durch Waren und Dienstleistungen, die von OEMs (Original Equipment Manufacturer) bezogen werden. Unternehmen können ihre vorgelagerten Scope-3-Emissionen reduzieren, indem sie gezielt den Dialog mit kritischen Lieferanten suchen. Mit einer Roadmap für Sofortmaßnahmen lässt sich der CO2-Fußabdruck verkleinern und zugleich ein Wettbewerbsvorteil erzielen.
4. Zirkularität
Unternehmen können die CO2-Bilanz ihrer Produkte verbessern, indem sie z. B. den Materialmix ändern, kleinere Abmessungen (insbesondere weniger Gewicht) wählen oder den Lebenszyklus verlängern. Allerdings erfordert die Umstellung auf Kreislaufwirtschaft oft eine grundlegende Neuorientierung von Geschäftsmodellen, Betriebsabläufen und Produktportfolios und sollte gerade wegen dieser Anlaufzeit eher heute als morgen angegangen werden.
5. Organisation
Nachhaltigkeit muss in alle organisatorischen Ebenen und alle Geschäftsbereiche eingebettet werden. Für einen anhaltenden kulturellen Wandel müssen sich Unternehmen auf die Fähigkeit, Bereitwilligkeit und Bereitschaft ihrer Mitarbeiter*innen stützen können. Begleitet wird diese Reise durch konsistente Richtlinien und aktive Unterstützung durch das Management.
6. Digitalisierung
Zur Entwicklung eines wirksamen Emissionsreduktionsplans müssen die Unternehmen Daten erfassen, Komponenten entlang des gesamten Produktzyklus verfolgen, künftige Emissionen modellieren und den Effekt von Reduktionshebeln prognostizieren. Hierfür benötigen sie verlässliche, umfassende Daten sowie interoperable Systeme für die Speicherung und Nutzung dieser Daten. Es empfiehlt sich die Entwicklung einer »Digitalisierungsstrategie Klimaschutz«.
Pionier - Beispiel: Dekarbonisierung in der Industrie
Das EU-finanzierte multinationale Projekt RE4Industry, an dem u. a. auch die Industriellenvereinigung Steiermark und die TU Graz teilnehmen, zeigt Wege auf, wie selbst energieintensive Branchen den Umstieg auf erneuerbare Energiequellen schaffen können – kurzfristig bis 2030 sowie langfristig bis 2050. Für die betroffenen Unternehmen geht es zunächst vorrangig um Optionen für die Nachrüstung bestehender Industrieanlagen und die Umstellung der Produktionsprozesse. In den weiteren Phasen der Dekarbonisierung stehen Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2, neuartige Materialien oder die Nutzung von Wasserstoff im Mittelpunkt.
RE4Industry – 100 Prozent erneuerbare Energien für die Industrie.
Gemeinsam mit Forscher*innen aus unterschiedlichen Bereichen werden in diesem Konsortium Lösungen erarbeitet, die insbesondere für die Stahl-, Chemie-, Zellstoff-, Papier- und Zementindustrie das größte Potenzial haben und in deren Prozesse integriert werden können. »Die aussichtsreichsten erneuerbaren Energien in der Phase bis 2030 sind Biomasse, Bioenergieträger, Solar und Geothermie sowie Wasserstoff«, sagt Rainer Janssen, Geschäftsführer von WIP Renewable Energies und Präsident der Association of European Renewable Energy Research Centers.
»Es geht darum, die Material- und Energieeffizienz massiv zu steigern. Im Rahmen unseres Projektes geben wir Anleitungen zur Entwicklung langfristiger Strategien für eine kohärente und sichere Nachrüstung und Integration aktueller und zukünftiger Lösungen in den Anlagen und Prozessen unserer Industriepartner.«
(Titelbild: iStock)