Sonntag, Dezember 22, 2024

Die EU stellt die Berichtspflicht zu nachhaltigen Geschäftsaktivitäten auf neue Beine. Ab 2025 wird »Sustainability Reporting« für rund 2.000 österreichische Unternehmen zum Thema. Auch KMU, die erst später von der Richtlinie betroffen sind, sollten rechtzeitig aktiv werden – und ihren Startvorteil nützen. 

Tipp: Einen genauen Fahrplan zum CSRD - was kommt wann auf Unternehmen zu? - finden Sie am Ende des Artikels. Oder gleich hier.

Zwei Pfeiler sollen künftig die Klimawende stützen – die Taxonomie-Verordnung und die neue CSRD-Richtlinie der EU. Mit der Taxonomie-Verordnung wurde ein gemeinsames Klassifizierungssystem geschaffen, das Kapitalströme gezielt zu ökologisch nachhaltigen Investitionen umleitet. Die »Corporate Sustainability Reporting Directive« (CSRD) verpflichtet Unternehmen schrittweise ab 2025, in Nachhaltigkeitsberichten relevante Daten, Umsätze und Investitionen anhand klarer Vorgaben offenzulegen.

Schon bisher unterzogen sich große Unternehmen – freiwillig oder verpflichtet – der Beantwortung von Fragen rund um die ökologischen und sozialen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit: Welchen CO2-Abdruck verursacht das Unternehmen? Verdienen Frauen und Männer gleich viel bei gleicher Leistung? Welche Standards erfüllen die Lieferant*innen entlang der Wertschöpfungskette? 

Die CSRD verlangt genauere und tiefergehende Angaben als bisherige Nachhaltigkeitsberichte. Für viele Unternehmen ist die Berichtspflicht mit einem erheblichen organisatorischen und finanziellen Aufwand verbunden. »Der European Green Deal ist ein Vorhaben noch nie dagewesenen Ausmaßes, das internationale Kooperation, Koordination und volles Commitment unterschiedlicher Stakeholder*innen fordert. Es wird daher eine wesentliche Kommunikationsaufgabe sein, alle Fäden zusammenzuführen«, erklärte Eva Milgotin, zuständig für Sustainability Reporting bei der Semperit AG, bei der Fachveranstaltung i2s Future Lab der FH St. Pölten.

Wie kann der CO2-Fußabdruck verkleinert werden? Neun von zehn Unternehmen haben das Thema bereits auf ihrer Agenda.

Trotz des Kraftakts überwiegt bei den betroffenen Unternehmen die Überzeugung, dass die Klimaziele nur durch ein verpflichtendes Regulatorium zu erreichen sind, wie auch beim 8. qualityaustria Nachhaltigkeitsforum im November 2022 deutlich wurde. Zudem wird »Greenwashing« aufgrund der detaillierten Kriterien unterbunden. »Unternehmen sollten die Berichtspflichten zeitnah in ihre strategische Planung integrieren. Auch wenn man noch nicht verpflichtet ist, sollte man bereits 2024 einen Bericht erstellen, um zu ›üben‹«, empfiehlt Axel Dick, Business Development Umwelt, Energie und CSR bei Quality Austria. 

Besser heute als morgen

Dem EY-Mittelstandsbarometer zufolge wird von der Mehrheit der Führungskräfte der österreichischen Leitbetriebe das Thema Nachhaltigkeit als Chance gesehen. Konzerne wie OMV, Verbund oder Lenzing haben bereits früh mit den Vorbereitungen für das Reporting nach CSRD-Kriterien begonnen. Markus Urban-Hübler, Sustainability Manager der Verbund AG, rät diese Vorgangsweise auch jenen Unternehmen, für die erst später die Berichtspflicht in Kraft tritt: »Obwohl die Verbund AG bereits über langjährige Erfahrung in der Nachhaltigkeitsberichterstattung verfügt, stellen die neuen Reportingstandards und die kurzen Übergangsfristen sehr große Herausforderungen an die Umsetzung dar.«

Laura Böhm, Sustainability Communications Specialist der Lenzing AG, schlägt in dieselbe Kerbe: »Ich empfehle großen Unternehmen, die 2026 erstmalig durch die CSRD für 2025 offenlegen müssen, sich bereits jetzt mit der Materie vertraut zu machen.« Die OMV AG setzt derzeit ein konzernweites Implementierungsprojekt auf, das die Grundlagen für die zukünftige Berichterstattung im Lagebericht erarbeiten wird. Im Vorjahr wurde mit der Implementierung des EU-Taxonomie-Reportings begonnen. Auch kleine und mittlere Unternehmen, die erst später unter die Berichtspflicht fallen, sollten keine Zeit verlieren. »Der Ist-Zustand ist zu wenig, es bedarf einer umfassenden Dokumentation darüber, wie ein Unternehmen heute dafür Sorge trägt, dass sich seine Geschäftstätigkeit morgen nicht negativ auf Mensch und Umwelt auswirkt«, erklärt Karin Huber-Heim, Executive Director des Circular Economy Forum Austria. »Das sind Entscheidungen für Jahrzehnte, die in obersten Unternehmensgremien, beim Eigentümer, im Aufsichtsrat oder durch den CEO fallen müssen – besser heute als morgen.«

»Der Ist-Zustand ist zu wenig, es bedarf einer umfassenden Dokumentation«, meint Karin Huber-Heim vom Circular Economy Forum. Martin Unger, EYCarbon, sieht dabei alle in der Pflicht: »Jeder Betrieb wird seinen Beitrag zur Klimaneutralität leisten müssen.« (Bilder: Sabine Hauswirth, EYCarbon)

Für Unternehmen, die sich einer transparenten Beurteilung ihrer Geschäftstätigkeit unterziehen, bringt der Aufwand durchaus Vorteile. Investor*innen und Geschäftspartner*innen bevorzugen bei der Auftragsvergabe vermehrt Unternehmen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen. Auch Kund*innen und Bewerber*innen informieren sich genauer, wie verantwortungsvoll und glaubwürdig ein Betrieb agiert. Die Erwartungen an Unternehmen steigen, bestätigt Martin Unger, Leiter der Initiative EYCarbon. »Nachhaltigkeit wird zu einem Paradigmenwechsel führen. Jeder Betrieb wird seinen Beitrag zur Klimaneutralität leisten müssen.«

Mehr Tempo

Das Bewusstsein dazu ist wohl da, das Tempo der Umsetzung lässt jedoch noch zu wünschen übrig. Zwar haben in Österreich neun von zehn Unternehmen laut dem aktuellen »Global CEO Survey« von PwC bereits Maßnahmen zur Reduktion von CO2-Emissionen umgesetzt oder arbeiten aktuell daran, die Bewältigung der multiplen Krisen stellt jedoch die Agenda der heimischen Betriebe mitunter auf den Kopf.

»Entscheidungsträger*innen stehen heute vor einer doppelten Herausforderung«, findet Rudolf Krickl, PwC Österreich. (Bild: PwC)

»Entscheidungsträger*innen müssen kurzfristig Krisen und Unsicherheiten bewältigen und gleichzeitig ihre Unternehmen langfristig umgestalten«, betont Rudolf Krickl, CEO von PwC Österreich. »Unsere Zahlen zeichnen jedoch kein trübes Bild für das Jahr 2023, sondern vielmehr, dass die Führungskräfte die Zukunft aktiv mitgestalten werden. In Zeiten des Umbruchs braucht es Mut und Vertrauen, um dem Wandel gemeinsam zu begegnen und zukunftsfähige Konzepte zu entwickeln.« 70 Prozent der befragten Manager*innen setzen dabei auf die Entwicklung von innovativen, klimafreundlichen Produkten und Prozessen sowie datengestützte Nachhaltigkeitsstrategien, um Emissionen zu reduzieren.

Unternehmensberaterin Verena Deller, Principal bei Inverto, einem Tochterunternehmens der Boston Consulting Group, rät Unternehmen, für mehr Transparenz »unbedingt enger mit ihren Partner*innen entlang der Lieferkette ins Gespräch zu kommen«: »Unternehmen müssen Ziele und Maßnahmen gemeinsam mit Lieferanten entwickeln und brauchen darüber hinaus KPIs, um Verbesserungen messbar zu machen.«

Verena Deller von der Inverto GmbH empfiehlt: »Unternehmen müssen gemeinsam mit Lieferanten Maßnahmen entwickeln.« (Bild: Inverto)

Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 noch erreichen zu können, müsste Österreich die Emissionen jährlich um mindestens sieben Prozent reduzieren. »Davon sind wir noch weit entfernt«, sagt Johannes Schmidt, assoziierter Professor am Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung an der Universität für Bodenkultur in Wien. Seit dem Maximalwert von 2005 sinken zwar die Emissionen leicht, 2021 wurde aber erst das Emissionsniveau von 1990 erreicht. »Das ist eine sehr, sehr schlechte Performance im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn und zur gesamten EU, wo die meisten Staaten es doch geschafft haben, die Emissionen um mehr als 20 Prozent gegenüber 1990 zu senken«, nimmt Schmidt Politik und Wirtschaft in die Pflicht. »Wir müssen jetzt alle Hebel, die uns zur Verfügung stehen, sofort auf Anschlag drücken, damit sich das tatsächlich ausgehen kann.« Seinen Berechnungen zufolge würde allein die Voest­alpine in Linz mehr Strom benötigen, als durch den bis 2030 geplanten Ausbau der erneuerbaren Energien gewonnen werden kann. 

Zum Thema: Wie Unternehmen den Hindernis-Wettlauf zum Netto-Null-Ziel bewältigen können, erklärt die Unternehmensberatung Roland Berger. Aufgeteilt auf sechs einzelne Bereiche, können Unternehmen am Ende sogar von ihren Nachhaltigkeitsbemühungen profitieren.
Hier geht's zum Artikel: Fahrplan zur CO2-Reduktion.


CSRD: Was auf Unternehmen zukommt

Hinter dem sperrigen Kürzel CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) versteckt sich eine EU-Richtlinie, die am 28. November 2022 vom Europäischen Rat abgesegnet wurde und innerhalb von 18 Monaten von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden muss. 

Die CSRD bringt eine erhebliche Erweiterung der bisherigen europäischen Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und eine externe Prüfpflicht. Die detailliert verfasste Richtlinie verpflichtet zunächst alle großen sowie alle börsennotierten Unternehmen, über Nachhaltigkeitsaspekte wie Umweltrechte, soziale Rechte, Menschenrechte und Governance-Faktoren zu berichten. Die externe Prüfpflicht der veröffentlichten Informationen soll sicherstellen, dass insbesondere »Greenwashing« verhindert wird.

Ein großes Unternehmen liegt vor, wenn zwei der drei Kriterien erfüllt sind – Bilanzsumme über 20 Mio. Euro, Umsatz über 40 Mio. Euro oder mehr als 250 Beschäftigte. Der Anwendungsbereich wird stufenweise auf nichtkapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Klein- und Mittelbetriebe ausgeweitet:

  • 2025: Für alle Unternehmen, die bisher unter den Anwendungsbereich der NFRD (in Österreich mit dem NaDiVeG umgesetzt) fallen, gilt ab dem Berichtsjahr 2024 die Berichterstattung nach der neuen CSRD.
  • 2026: Alle großen Unternehmen, die bisher nicht unter die NFRD fielen, werden von der neuen CSRD ab dem Berichtsjahr 2025 erfasst.
  • 2027: Börsennotierte kleine und mittlere Unternehmen sowie nichtkomplexe Kreditinstitute und firmeneigene Versicherungs-
    unternehmen müssen ab dem Berichtsjahr 2026 reporten.
  • 2029: Für Unternehmen außerhalb der EU mit einem Nettoumsatz von über 150 Mio. Euro gilt die Berichtspflicht ab dem Berichtsjahr 2028, wenn sie mindestens eine Tochtergesellschaft oder Niederlassung in der EU haben, die wiederum bestimmte Schwellenwerte überschreitet.

Auch wenn die Anwendungszeiträume gegenüber den ersten Entwürfen noch etwas ausgedehnt wurden, bleiben die Fristen durchaus ambitioniert. »Besonders von großen Unternehmen darf nicht übersehen werden, dass für das Berichtsjahr 2025 vielschichtige Vorarbeiten notwendig sind, welche im Idealfall bereits jetzt zeitnahe angestoßen werden sollten«, verweist die Steuerberatungskanzlei TPA Österreich auf die detaillierten Anforderungen. Die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) erstellt eigene europäische Standards, die bis 30. Juni 2023 vorliegen sollen. Vereinfachte Standards für KMU werden ein Jahr später erwartet. 

(Bilder: iStock)

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