Grüne Geistesblitze
Von Werner Ringhofer
Forsch, saftig, steirisch. Die Steiermark ist in den letzten zehn Jahren zu einer Plattform für serienmäßige Innovationen geworden. Im weiß-grünen Biotop blühen ökonomische und ökologische Ideen fixer Forschergeister besonders üppig. Möglich wurde das durch intelligente Netzwerke, Cluster und Förderungen von Kompetenzzentren. Zahlenmäßiger Beweis: Die Förderungs- und Entwicklungsquote ist mit 4,3 % die mit Abstand höchste in Österreich. Im Autobereich haben sich steirische Betriebe bereits international positioniert, allen voran Motorinnovator AVL List. Auch im Bereich Medizin-, Human- und Lebensmitteltechnologie gelingen immer mehr Erfolge. Und vor allem im Bereich radikal neuer Umwelttechnologien spielen einige steirische Firmen in der obersten Liga mit. »Die Steiermark ist eine der innovativsten Regionen Europas«, meint Bernhard Puttinger, Geschäftsführer des Umwelttechnologiezentrums Eco World Styria. Sogar Technologieturbo Kalifornien holt sich bereits Impulse aus Österreichs Süden. »Die Steiermark ist zum Green Tech Valley geworden.«
Die zukunftsweisenden Ideen wachsen in steirischen Köpfen. So wie die Mikroalgen in den Tanks der Firma BDI. Die Firma aus Grambach bei Graz baute schon 1991 die weltweit erste Biodieselanlage, die benötigten pflanzlichen Öle sind allerdings nicht unbeschränkt verfügbar. Also her mit einer Alternative – und BDI hat sie gefunden. Algen sind der neue Hoffnungsträger, mit dem man Biodiesel erzeugen kann. Die Vorteile: Algen haben einen unheimlichen Appetit auf klimabelastendes CO2, Abgase stehen also auf der Speisekarte von Algen ganz oben. »Wir haben bereits erfolgreich mit Emissionen einer Müllverbrennungsanlage und eines Zementwerks gearbeitet«, sagt Heike Frühwirth, Abteilungsleiterin in der Forschung. Die Herausforderung, die noch gemeistert werden muss? »Derzeit brauchen wir große Reaktoren, um ausreichende Mengen Algen zu bekommen. Aber wir machen riesige Fortschritte.«
>> Gras-Raffinerie <<
Diesel aus Algen klingt bereits utopisch, Baumaterial aus Gras noch mehr. Joanneum Research in Graz, die Firma Biorefinery Systems und Industriepartner sind auf dem besten Weg dorthin. In einer grünen Bioraffinerie werden aus Grassilage Milch- und Aminosäuren gewonnen, die für Kosmetikprodukte, Kunststoffe, Lösungsmittel und Tierfuttermittel gebraucht werden, die Faserstoffe sind auch Basis für Dämmstoffe und Baumaterial. Die dabei entstehenden Reststoffe werden zu Biogas umgewandelt, die verbleibenden Nährstoffe kommen als Dünger in den Kreislauf. Wirtschaftlich umsetzbar soll das Verfahren in den nächsten zwei Jahren werden.
Biomasse spielt die Hauptrolle bei einem neuen Verfahren des Biomassespezialisten KWB. Mit einem oberösterreichischen Partner entwickelte man das Cleanstgas-Verfahren. Eine Weltneuheit, die saubere Holzgasgewinnung ermöglicht. Biomassevergasung scheiterte bisher an der Produktqualität (z. B. zu hohe Teer- und Partikelanteile), der anschließende Aufwand zur Gasreinigung war zu hoch. Mit dem neuen Verfahren entsteht schon im ersten Schritt hochreines Gas. Biomasse ist außerdem ein heimischer Brennstoff, der nicht zu knapp vorhanden ist.
»Small is beautiful« ist das Konzept von Hydromatrix der Firma Andritz Hydro. Die Idee: In bereits bestehende Bauwerke wie Kanäle, Schiffsschleusen und Wehranlagen werden sehr kleine Turbinen in Gitterform (Matrix) eingebaut, so kann man sehr schnell auf Energieerzeugung durch Wasserkraft aufrüsten. Der Vorteil der kleinen Einheiten: Man erspart sich erhebliche Baukosten, auch Grabungsarbeiten fallen weg. Zweitens ist das System auch sehr flexibel. In manchen Fällen wäre kein Platz für zusätzliche Bauten, mit Hydromatrix kommt man mit dem bereits bestehenden Raum aus. Die Zukunft ist bei Andritz ebenfalls schon Realität. »Hydromatrix soll beim Bau von Bewässerungsanlagen gleich mitgeplant werden«, sagt Product Manager Alexander Bihlmayer, »so hat man auch gleich den Zusatznutzen der Stromerzeugung.«
>> Ein Boot als Dach <<
Mit einem neuen Bauelement revolutioniert ein Grazer Architekt die Branche. Stefan Krestel kreierte mit dem Kielsteg-Element ein innovatives Konzept für Häuserkonstruktionen. Aus Holz können Dächer und Decken mit Spannweiten bis zu 30 Metern montiert werden. Die Bauelemente bestehen nicht wie bisher aus Vollholzplatten, sondern haben im Inneren ein Hohlkammersystem, das in einer Art Fachwerkkonstruktion nur durch dünne Holzelemente gestützt wird. Diese Elemente haben eine ähnliche Form wie die Kiele eines Bootes, daher auch der Name Kielsteg. Die Vorteile des Systems liegen auf der Hand: Die Lufträume erlauben die Installation von Elektroleitungen, Holz ist eine umweltfreundliche und erneuerbare Rohstoffquelle, außerdem ermöglicht die Bauweise eine Materialersparnis bis zu 70 Prozent gegenüber bisher üblichen Konstruktionen. Die Verwendung des Kielsteg-Elements ist denkbar einfach: Es kann wie ein Legostein in nur einem Arbeitsschritt eingesetzt werden. Anders als bei herkömmlichen Dachkonstruktionen braucht man aber keine Säulen oder Träger als Stützelemente. Neue Dimensionen stehen dem Industrie- und Hallenbau offen.
Wo treffen sich Biokartoffeln am liebsten? In Netzsäcken aus biologischen Materialien. Was wie Zukunftsmusik klingt, ist bereits ein Hit in den aktuellen Charts innovativer Umwelttechnologien. Im Verpackungszentrum Meininger in Graz hat man sich auf biogene Verpackungen spezialisiert. Die Palette umfasst unter anderem Biogewebesäcke und -netzsäcke, Einweggeschirr aus Zellulose und Besteck aus Stärke. Die Gewebesäcke aus Naturfasern wie Hanf, Flachs, Jute oder Baumwolle sind absolut reißfest. Der Clou dabei ist ein neues, doppeltes Webverfahren, das den Materialaufwand deutlich verringert. Die Ideen dazu entwickeln zwei Schwestern: Geschäftsführerin Susanne Meininger und Bettina Reichl, für Forschung, Marketing und PR zuständig. Derzeit werden in Zusammenarbeit mit der TU Graz Biokunststoffe aus landwirtschaftlichen Abfällen entwickelt. Ein weiteres Projekt: Alginsulat-Schaumstoff. Rohstoff sind Algen, weltweit im Überfluss vorhanden. Diese nachhaltigen Ideen sind vor allem Frauen ein Anliegen, meint Susanne Meininger. »Ich glaube, dass Umweltschutzprobleme Frauen wichtiger sind. Frauen bringen etwas in die Wirtschaft ein, das bisher gefehlt hat: Improvisation, Harmonie und Sensibilität.«
Geist ist geil
>> Vollgas Erdgas: Mit dem elektronischen Druckregler für erdgasbetriebene Fahrzeuge hat die Grazer Firma Ventrex Automotive GmbH eine internationale Führungsposition eingenommen und setzt nun verstärkt auf die Nische des emissionsarmen Alternativtreibstoffs Erdgas. Die Exportrate beträgt 99 %.
Info: www.ventrex.com
>> Denken und lenken: Die Grazer Medizintechnikfirma g.tec hat ein Brain-Computer-Interface entwickelt, mit dem man über Gedanken Geräte bedienen kann. So können verschiedene Programme wie Rollstuhlsteuerungen oder Schreibhilfen bedient werden. In 50 Ländern wird das System bereits eingesetzt.
Info: www.gtec.at
>> Kernöl-DNA: Die Firma Url & Co. GesmbH hat ein revolutionäres Verfahren zur Bestimmung der regionalen Herkunft von Kürbiskernen und Kürbiskernöl entwickelt.
Info: www.f-url.at
>> Get moving: Die Grazer Firma Tyromotion hat »G-EO« entwickelt, ein Gang-Rehabilitationsgerät vor allem für Schlaganfallpatienten. Mitte 2010 kommt es auf den Markt.
Info: www.tyromotion.com
>> Schlau im Schnee: Das System Snowmanagement misst die Schneehöhe in Skigebieten und schickt die Schneekanonen automatisch zu den Stellen, die beschneit werden müssen. Ersparnis: 30 % der Kosten für Energie und Wasser.
Info: www.snowreporter.at