Flexible Arbeitsbedingungen und Remote Work lassen die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben verschwimmen. Das kann aber auch belasten: Wer im Home Office rund um die Uhr erreichbar ist, kann schwerer abschalten und ist häufiger gestresst. Wie Unternehmen und ihre Mitarbeitenden mit dieser Herausforderung umgehen können, erforscht das Team des Forschungsprojekts NERD.
Home Office, mobiles Arbeiten, flexible Arbeitszeiten - die Möglichkeit, weitgehend orts- und zeitunabhängig zu arbeiten soll eigentlich eine Chance für individualisierte Arbeitsweisen darstellen und nicht zur Belastung werden. Wie soll man das angehen? Das ist das Forschungsthema von „NERD“, eine gemeinsame Studie der Fachhochschule Wiener Neustadt und der Universität Graz. Gefördert wird das Projekt vom Zukunftsfonds der Arbeiterkammer Niederösterreich.
Forschung an der Front
Dafür arbeitet das Projektteam mit renommierten Unternehmen wie Andritz, der EVN, der Kirchdorfer Group GmbH, der Schoeller-Bleckmann Medizintechnik GmbH - einem Unternehmen der „Syntegon company“ und dem Flughafen Wien zusammen. Gemeinsam wurde in einer ersten Projektphase ermittelt, wie die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite mit flexiblen Arbeitsbedingungen, Home-Office und Erreichbarkeit zu unterschiedlichen Zeiten umgehen und wo Verbesserungsbedarf besteht.
Wie wichtig es ist, auf die Forderungen und Wünsche von Mitarbeitenden individuell einzugehen, wurde von Führungskräften sowie von Betriebsrät*innen in Interviews betont: „Mitarbeiter schätzen die Möglichkeit, Arbeit besser mit Kinderbetreuung zu verbinden, indem sie flexibler zum Beispiel den Nachmittag freispielen und dafür am Abend von zuhause arbeiten. Dadurch entstehen vermehrt Situationen, in denen E-Mails spätabends verschickt werden. Das kann Kolleginnen und Kollegen verunsichern. Denn sie können oft schwer einschätzen, ob von ihnen erwartet wird, abends auf Mails zu antworten“, erzählt ein Teilnehmer der Befragung.
Karin Wegenstein ist die Leiterin von NERD. Sie und ihr Team beschäftigen sich mit der Frage, wie Unternehmen flexibles Arbeiten ermöglichen und Arbeitnehmer*innen gleichzeitig Grenzen setzen können. (Bild: FHWN)
Ein Leitfaden, der von dem Forschungsteam aus den Ergebnissen der Studie abgeleitet wurde, soll Unternehmen und Mitarbeitenden nun helfen, praktikable Lösungen zu finden, um diese diffusen Arbeitsbedingungen sinnvoll zu gestalten. „Bereits wenige gezielt gesetzte Maßnahmen können wesentlich zu einem sinnvollen Umgang mit flexiblen Arbeitszeiten beitragen“, kommentiert die Leiterin des wissenschaftlichen Forschungsprojekts, Karin Wegenstein. Mithilfe des Gesprächsleitfadens sowie Informationsmaterialien soll es der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite ermöglicht werden, hier bedürfnisorientierte Rahmenbedingungen zu schaffen. Im Frühjahr folgt eine Zwischenevaluation, nach der das Forschungsteam die Maßnahmen spezieller an die Bedürfnisse der Beteiligten anpasst.
Erkenntnisse aus der ersten Projektphase
Die erste Umfrage unter den Mitarbeitenden der Partnerunternehmen zeigt, dass sich mit flexibilisierten Arbeitsbedingungen das Verhalten in der arbeitsfreien Zeit verändert hat. Werden beispielsweise Arbeits-E-Mails auf das Smartphone weitergeleitet, werfen Mitarbeitende oft auch in der Freizeit schnell einen Blick darauf. Für diesen Fall beinhaltet der Leitfaden eine Übersicht über rechtliche Rahmenbedingungen. Ebenso finden sich darin Hinweise, wann Arbeitnehmer*innen nicht nur ihre Arbeitsgeräte ausschalten, sondern auch sich selbst in den Ruhemodus begeben sollen.
Von den Ergebnissen sollen beiden Seiten profitieren. Was das „neue Arbeiten“ sonst an Herausforderungen bereithält, wird sich im Laufe der Studie noch erweisen. Allerdings scheint das aber nur ein erster Schritt zu sein, wie eine Befragte meint: „Was arbeitsrechtlich und kollektivvertraglich festgelegt ist, das ist noch ein bisschen zu starr für dieses flexible, moderne Arbeiten.“
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