Sonntag, Dezember 22, 2024

Mit der Klimakrise wächst der Druck, den Strukturwandel in Richtung Green Economy zu vollziehen. Innovationen und Forschungskooperationen stärken Unternehmen und die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Österreich.

Das alljährlich von der Europäischen Kommission veröffentlichte European Innovation Scoreboard birgt heuer eine kleine Sensation: In der Kategorie »Geistiges Eigentum« belegt Österreich den ersten Platz. Kein anderes Land in der EU meldete – gemessen am BIP – so viele Patente, Marken und Designs an. »Dieser erste Platz unter den EU-27 bestätigt uns in unserer Arbeit und spornt uns zugleich an, weiterhin unbeirrt den Schutz Ihrer Innovationen im Fokus zu haben«, erklärt Patentamtspräsidentin Mariana Karepova. »Wir dürfen auf keinen Fall nachlassen. Die Absicherung von geistigem Eigentum ist gerade in Krisenzeiten essenziell für jedes einzelne Unternehmen und für uns alle.«

Das beachtliche Ergebnis ist bei genauerem Hinsehen ein wenig getrübt: In keiner der elf weiteren Kategorien schaffte es Österreich unter die Top 3. Im Gesamtranking liegt Österreich wie im Vorjahr unter den »Strong Innovators« auf dem achten Platz – Schweden, Finnland, Dänemark, die Niederlande, Belgien, Irland und Luxemburg gehen voran. Vergleichsweise schwach schneidet Österreich in den Bereichen Breitband-Ausbau, Unternehmensinvestitionen und Risikokapital ab; einen starken Rückgang verzeichnete der Bereich Business-Prozessinnovationen bei KMU.

Mariana Karepova, Patentamt: »Auf keinen Fall nachlassen.« (Bild: Christian Husar) 

Am Puls der Zeit

Einen wichtigen Stellenwert nehmen in diesem Zusammenhang Forschung und Entwicklung ein. Die Kooperation zwischen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Staat funktioniert in Österreich überdurchschnittlich gut, wie auch Wirtschaftsminister Martin Kocher anlässlich der Verleihung des Staatspreis Innovation betonte: »Die aktuellen Krisen verdeutlichen, wie wichtig Innovationskraft im globalen Wettbewerb ist. Für eine kleine, offene Volkswirtschaft wie Österreich ist Innovation ohne jede Alternative.« In den Sparten Life Science und Green Technology erarbeitete sich Österreich im letzten Jahrzehnt international einen ausgezeichneten Ruf.

Auch die heuer für den Staatspreis Innovation nominierten Projekte können allesamt diesen Branchen zugeordnet werden. Die renommierte Auszeichnung erhielt die DSM Austria GmbH für die biotechnologische Entwicklung eines Enzyms, welches das Schimmelpilzgift Zearalenon in ein ungiftiges Stoffwechselprodukt umwandelt und somit für größere Lebensmittelsicherheit bei Futtermitteln in der Landwirtschaft sorgt.



Die Projekte der weiteren nominierten Unternehmen zeigen die große Bandbreite der heimischen Innovationskraft: Die Treibacher Industrie AG entwickelte einen neuen Katalysator, der auch mit temperaturempfindlichen Filtern kombiniert werden kann. Ebner Industrieofenbau präsentierte geradezu ein Musterbeispiel für den Green Deal der EU – ein Verfahren für die Saphirkristall-Produktion in der Mikroelektronikindustrie, das emissionsfrei hergestellte LED-Endprodukte garantiert. AVL List ermöglicht mit einer neuartigen Plattform die Entwicklung von Batteriemodulen mit höchster Energiedichte für die Großserie. Dem Vorarlberger Kranhersteller Künz gelang mit aerodynamisch geformten Strukturen ein Alleinstellungsmerkmal im Kranbau; Verschleiß und Energieverbrauch nehmen dank der patentierten Neuentwicklung deutlich ab.

Die Ebner Group erzeugt Saphirkristalle für die Mikroelektronikindustrie. (Bild: Ebner Group)

Den von der Verbund AG gestifteten Sonderpreis VERENA erhielt heuer das Start-up enliteAI. Das 2017 gegründete Wiener Unternehmen entwickelte in Kooperation mit einem Team der Johannes-Kepler-Universität Linz eine KI-basierte Lösung, die optimale Schaltzustände für das gesamte Stromnetz ermittelt, Probleme selbstständig erkennt und repariert. Die Zuerkennung des Preises an das Siegerprojekt »Stromnetz 4.0« ist ein deutliches Zeichen für gegenwärtige Herausforderungen wie den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Verhinderung eines möglichen Blackouts. »Das Gelingen der Energiewende entscheidet sich im Stromnetz«, erklärt Verbund-Vorstandsvorsitzender Michael Strugl. »Mehr volatile erneuerbare Energien und zunehmende Dezentralisierung der Erzeugung erfordern resilientere und intelligentere Netze. Das sind genau die Lösungen, die wir auf unserem gemeinsamen Weg zur Energiewende brauchen.«

Gebündelte Kräfte

Mit 1,6 Milliarden Euro fließt fast die Hälfte der Förderungen der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) derzeit in klimarelevante Projekte. Von den Förderungen profitieren einzelne Personen und Start-ups ebenso wie Hochschulen oder Konzerne. Mit 78,5 Millionen Euro an Fördermitteln für Start-ups konnte 2021 ein Höchstwert erzielt werden. Besonders erfreulich: Die Pandemie hatte die Innovationskraft nicht gebremst. Im Gegenteil – zahlreiche Unternehmen nutzten die Zeit für innovative Weiterentwicklungen.

Henrietta Egerth und Klaus Pseiner, FFG: »Ökologische Wende schaffen.« (Bild: Martin Lusser)

»Österreich ist top im Bereich Green Tech«, unterstreicht Klaus Pseiner, Geschäftsführer der FFG. »Nur mit Forschung und Kreativität ist die ökologische Wende zu schaffen und nur Innovationen können eine nachhaltige und resiliente Wirtschaft gestalten.« Seit in den 80er- und 90er-Jahren erstmals gezielt Umwelt- und Mobilitätsforschung gefördert wurden, hat sich das Themenspektrum erheblich erweitert. Pseiner sieht drei zentrale Bereiche, für die es »jetzt einen Turbo braucht«: erneuerbare Energien, Energieeffizienz sowie Speicher- und Übertragungstechnologien.

Durch die Bundesländer Steiermark und Kärnten zieht sich der »Green Tech Valley« – ein Cluster, der langsam zum grünen Innovationsstandort heranwächst. Hier haben sich rund 300 Technologieunternehmen mit 24.500 Beschäftigten sowie 2.300 Forscher*innen angesiedelt, die in den Sektoren Erneuerbare Energien und Kreislaufwirtschaft ihre Kräfte bündeln. Bekannte Leitbetriebe wie Andritz, Magna, Lieb Bau Weiz oder Binder+Co fungieren als Zugpferde, aber auch mehr als 120 grüne Start-ups haben bereits angedockt. Die Exportquote liegt bei 90 Prozent.

Ein aktuelles Beispiel für die rege Zusammenarbeit: Im steirischen Fernheizwerk Mellach, das im März 2020 den Kohlebetrieb eingestellt hatte, errichtete die Verbund AG gemeinsam mit der TU Graz eine Demonstrationsanlage, die sowohl als Elektrolyseur als auch als Brennstoffzelle fungiert und mittels Wind- und Sonnenstrom im reversiblen Betrieb grünen Wasserstoff produzieren kann. Im leistungsstärksten Kraftwerk Österreichs kann somit überschüssige Energie in Spitzenzeiten als Wasserstoff gespeichert und bei Bedarf wieder zu Strom umgewandelt werden. 

(Titelbild: iStock)


Entrepreneur of the Year

Seit über 30 Jahren zeichnet die Beratungsorganisation EY in 60 Ländern Unternehmer*innen für ihre besonderen Leistungen aus. Zu den Beurteilungskriterien der Fachjury zählen Wachstum, Zukunftspotenzial, Innovation, Mitarbeiterführung und gesellschaftliche Verantwortung. In Österreich wird der Award »Entrepreneur of the Year« seit 2006 vergeben. »Insbesondere die letzten zwei Jahre haben verdeutlicht, wie zahlreich die Herausforderungen für unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft, unseren Arbeitsmarkt und die Unternehmen sind und wie sehr sich die Schlagzahl des Wandels erhöht hat«, erklärte Erich Lehner, Managing Partner Markets bei EY Österreich, bei der diesjährigen Preisverleihung. »Inmitten all dieser rasanten und umfassenden Umwälzungen braucht es vor allem eine Eigenschaft, die Unternehmerinnen und Unternehmer in besonderem Maß auszeichnet: Weitblick.« 

Die diesjährigen Preisträger*innen bewiesen in schwierigen Zeiten Weitblick und Verantwortung. (Bild: EY)

  • Katrin Hohensinner-Häupl, Geschäftsführerin von Frutura, Österreichs größtem Produzenten und Vermarkter von Obst und Gemüse, gewann in der Kategorie »Handel & Dienstleistungen« und vertritt Österreich beim DY World Entrepreneur of the Year Award 2023. Das steirische Familienunternehmen setzt auf ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit und ist Digitalisierungsvorreiter in der Branche.

  • In der Kategorie »Nachhaltigkeit & Greentech« wurde Gerhard Luftensteiner, CEO des Automatisierungsspezialisten KEBA ausgezeichnet. Mit dem Leitsatz »Automation by Innovation« werden innovative Projekte im Unternehmen vorangetrieben.

  • In der Kategorie »Innovation & Hightech« konnte sich Peter Sticht, CEO der STIWA Group, durchsetzen. Das Familienunternehmen ist in den drei Geschäftsfeldern Automation, Manufacturing und Software strategisch aufgestellt. Um nachhaltig erfolgreich zu sein, forciert Peter Sticht vor allem das Innovationsdenken der Mitarbeiter*innen.

  • Als »Social Entrepreneur« des Jahres wurde Bernhard Hofer von talentify ausgezeichnet. Er gründete ein Lern- und Bildungsprogramm, das Schüler*innen Orientierungshilfe für ihren weiteren Berufsweg gibt. Sein Empowerment-Ansatz ermutigt Jugendliche, zu Gestalter*innen ihrer Zukunft und eines nachhaltigen Wandels zu werden.

  • Den Award in der Kategorie »Start-ups« erhielt das Scale-up PlanRadar. Die Gründer Sander van de Rijdt, Ibrahim Imam, Domagoj Dolinsek, Clemens Hammerl und Constantin Köck entwickelten eine B2B-SaaS-Lösung für die Dokumentation und Kommunikation in der Bau- und Immobilienwirtschaft. Das 2013 gegründete Unternehmen gilt inzwischen als Marktführer in der DACH-Region.

Europäische Innovationsförderung

Vier österreichische Unternehmen erhalten eine Förderung aus dem »European Innovation Council Accelerator« von Horizon Europe. Dieses Programm soll Europas erfolgversprechendsten Innovationen zum Marktdurchbruch verhelfen. Aus den Einreichungen wurden im Oktober 2022 insgesamt 75 Unternehmen ausgewählt, vier davon aus Österreich. 



Die EIC-Finanzierungen umfassen auch einen Eigenkapitalanteil, der ähnlich wie ein Venture-Capital-Fonds funktioniert. Jedes einzelne Projekt erhält relativ hohe Förder- bzw. Finanzierungsvolumina, damit die Unternehmen die Produktentwicklung abschließen und den internationalen Markteinstieg schaffen. Bis zu 26 Millionen Euro werden nach Abschluss der nun folgenden Due-Diligence-Verhandlungen in Aussicht gestellt. Die ausgewählten Unternehmen werden von Expert*innen der FFG und aws begleitet und unterstützt.

Folgende österreichische Unternehmen erhalten eine Förderung:

  • Alpine Quantum Technologies GmbH: Mit seinen Systemen hat AQT bereits relevante Anwendungen im Bereich der Chemie, Finanzen und Cybersecurity umgesetzt. Die nun prämierte Innovation betrifft den ersten europäischen Cloud-Zugang für Quantencomputer. Die EIC-Förderung ermöglicht, diese Quantencomputer schneller für internationale Kunden zur Verfügung zu stellen, skalierbaren Umsatz merklich voranzutreiben, und das europäische Quantenökosystem ganzheitlich zu beschleunigen.

  • AVVie GmbH: Als Spin-off der Medizinischen Universität Wien gegründet, entwickelte das Unternehmen eine Herzklappe zur minimalinvasiven Korrektur der Mitralklappeninsuffizienz, eine Erkrankung an der 2–3 % der Weltbevölkerung leiden. Mit der EIC-Förderung wird AVVie den innovativen Mitralklappen-Stent »Mitral Butterfly« klinisch einsetzen können und so den Übergang von der Entwicklung zur Marktreife schaffen.

  • Celeris Therapeutics GmbH: Die prämierte Innovation ist eine AI-basierte Plattform, die neuartige Medikamentenlösungen für Krankheiten wie Parkinson, Alzheimer und Krebs aufspürt. Der Mechanismus dieser Verbindungen unterscheidet sich stark von konventionellen Medikamenten, wodurch gänzlich neue Therapien den Weg finden können. Durch die EU-Förderung wird es Celeris ermöglicht, sowohl technologisch, wie auch betriebswirtschaftlich zu wachsen, etwa durch Partnerschaften mit Pharmakonzernen wie Merck KGaA und Boehringer Ingelheim.

  • Lithos Crop Protect GmbH:  Die innovative, patentierte »Micro Dispenser Technologie« bildet die Basis, um die pheromonbasierte »Verwirrmethode« in Ackerkulturen einfach und großflächig anwenden zu können. Diese Methode ist die weltweit nachhaltigste Anwendung von Schädlingsbekämpfung und bietet einzigartige Produktvorteile: einfach anzuwenden, ungefährlich für alle anderen Organismen, keine Resistenzbildung.

(Bild: AQT)

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