Auf der internationalen Fachmesse EquipHotel in Paris zeichneten sich für Hotellerie und Gastronomie zwei Trends ab - Nachhaltigkeit und Automatisierung. Eines der Highlights: Plato, ein Serviceroboter, der Mitarbeiter*innen entlastet und unterstützt.
Die Pandemie ist an kaum einem Wirtschaftszweig spurlos vorübergegangen. Für Hotels und Gastgewerbe waren die Folgen besonders einschneidend. Besonnen und verantwortungsbewusst präsentierte sich die Branche von 6. bis 10. November 2022 auf der Pariser Fachmesse EquipHotel. Im Mittelpunkt der Schau wurden innovative Ideen aus den Bereichen Catering, Design, Wellness, Technologie und Services präsentiert.
Investitionen werden sorgfältiger denn je abgewogen, Materialbeschaffenheit und Funktionalität stehen immer im Fokus der Umweltfreundlichkeit. »Die Gesellschaft verändert sich«, erklärt Messe-Direktorin Béatrice Gravier. »Das gilt auch für Verhaltensweisen und Berufe. Wir müssen uns anpassen.« Auffallend ist der Trend zu automatisierten Lösungen: Praktisch der gesamte administrative Prozess vom Reservieren und Buchen über Check-in bis zum Bezahlvorgang kann digital abgewickelt werden – und, falls gewünscht, ohne Personal. Statt Schlüsselkarten erhalten die Gäste einen mobilen Code auf ihr Smartphone und können, ohne sich bei der Rezeption anstellen zu müssen, sofort ihr Zimmer beziehen. Ein intelligentes Hotelzimmer wartet zudem mit einer integrierten Lösung auf, die auf die individuellen Bedürfnisse der Gäste zugeschnitten ist. So können etwa Beleuchtung, Lüftung und Heizung per Sprachsteuerung oder Smart Hub angepasst, bestimmte TV-Sender ausgewählt oder personalisierte Musiklisten abgespielt werden. Sogar die Minibar verbucht die entnommenen Getränke automatisch auf der Rechnung.
Statt Schlüsselkarten erhalten die Gäste einen mobilen Code auf ihr Smartphone. (Bild: Häfele)
Damit wird ohne Zweifel dem chronischen Personalmangel in der Branche, der sich infolge der Coronakrise noch verschärft hat, entsprochen. Sämtliche Routinetätigkeiten übernimmt das smarte System. Den Mitarbeiter*innen bleibt Zeit für kniffligere Probleme und besondere Wünsche der Gäste.
Robot as a Service
Mit der Vorstellung des Serviceroboters Plato auf der EquipHotel läutete die United Robotics Group eine neue Ära der Robotik ein. War die erste Roboter-Generation – klassische Industrieroboter – in Käfigen eingesperrt, damit sie Menschen nicht zu nahe kommen, arbeitete die zweite Generation – kleinere, leichtere Cobots – bereits Seite an Seite mit Menschen. CobiotX, die nunmehr dritte Generation von Robotern, ist bereits im Stande, mit Menschen zu interagieren. Der auf der Messe präsentierte Plato ist zunächst für den Einsatz in der Gastronomie bestimmt, weitere Anwendungsfelder wie beispielsweise in Pflegeheimen oder Krankenhäusern hat das Unternehmen jedoch bereits im Blick.
Der Cobiot wird zur Gänze in Frankreich entwickelt und gebaut, 68 Prozent der Komponenten stammen aus Europa. Er ist speziell für lebhafte Umgebungen wie Restaurants konzipiert und kann ab sofort in Europa, Nordamerika und Japan als »Robot as a Service« gemietet oder gekauft werden. Für die Bedienung sind keine technischen Fachkenntnisse nötig: Über eine einfach strukturierte Benutzeroberfläche ist Plato innerhalb kurzer Zeit zu konfigurieren und intuitiv zu steuern. Der Cobiot navigiert durch den Raum und erkennt über integrierte Sensoren auch unerwartete Hindernisse. Er kann somit das Personal beim Servieren von Speisen und Getränken, beim Abräumen und sogar bei Flying Buffets unterstützen. »Wir wollen nicht die Mitarbeiter*innen durch Maschinen ersetzen, sondern bessere Arbeitsbedingungen für Beschäftigte in der Dienstleistungbranche schaffen«, erklärt Thomas Hähn, CEO der United Robotics Group. Das Fachpersonal werde durch die kleinen Helfer entlastet und habe mehr Zeit für die Beratung der Gäste.
Mit dem Serviceroboter Plato läutet die United Robotics Group eine neue Ära der Robotik ein. (Bild: United Robotics Group)
Hähn hatte 1992 im Traktorschuppen seiner Eltern mit zwei Freunden ein Maschinenbauunternehmen gegründet (»Heute würde man Start-up sagen!«) und es zu einem international tätigen Spezialisten für Automation ausgebaut. Nach der Übernahme der Bostoner Firma Rethink Robotics verlagerte Hähn sein Interesse in die Entwicklung von Servicerobotern und machte sich auf die Suche nach weiteren Partnern. Die United Robotics Group umfasst unter dem Dach der RAG-Stiftung (Ruhrkohle AG) acht Unternehmen mit rund 300 Mitarbeiter*innen; erst im April 2022 erfolgte die Akquisition der SoftBank Robotics Europe, die nach der Herauslösung aus dem japanischen Mutterkonzern wieder unter ihrem früheren Namen Aldebaran fungiert. Das französische Unternehmen gilt als Pionier bei der Entwicklung interaktiver Serviceroboter – die humanoiden Roboter »Nao« und »Pepper« wurden 2006 bzw. 2014 der Öffentlichkeit vorgestellt und hatten große Erwartungen am Robotikmarkt geweckt. Zuletzt war die Produktion aufgrund einer Umstrukturierung bei SoftBank jedoch ins Stocken geraten.
Interdisziplinäre Teams
Der Coup bringt neuen Schwung in den boomenden, aber stark segmentierten Markt mit den Bereichen Industriecobots, Transportrobotik und Serviceroboter. Thomas Hähn will United Robotics zu einem »europäischen Robotik-Champion« formen, der die Erkenntnisse aus der Industrie mit jenen für soziale Anwendungen verknüpft und den höheren Sicherheitsanforderungen in Europa entspricht. Großer Wert wird auch hier auf Nachhaltigkeit gelegt: In den Aldebaran-Werkstätten werden die Platos und Peppers sorgfältig repariert und kaputte Teile dem Recycling zugeführt.
Ein intelligentes Hotelzimmer passt sich an die individuellen Bedürfnisse an. (Bild: Siemens)
Die soziale Interaktion erfordert jedoch Wissen, das über klassische Industrieexpertise wie Präzision und Verlässlichkeit hinausgeht. An der Weiterentwicklung der neuen Robotergeneration schrauben im Pariser Headquarter deshalb nicht nur Techniker*innen, sondern auch Expert*innen »sozialer« Disziplinen. Neben den traditionellen Robotik-Anwendungsfeldern Intralogistik & Warentransport, Inspektion & Wartung und Laborautomation will United Robotics künftig die Bereiche Catering, Gesundheit & Pflege und Bildung stärker vorantreiben. Gut möglich also, dass uns bald nicht nur im Restaurant, sondern auch in Krankenhäusern und Schulen die freundlichen Helfer begegnen.
Passend zum Thema: Thomas Hähn, CEO der United Robotics Group, erklärt im Interview: »Robotik wird alltäglich.« Hier der Link zum Artikel.
(Titelbild: United Robotics Group)