Wie nachhaltig ist die Lebensmittelproduktion? Und welche Veränderungen kommen auf die Lebensmittelbranche zu? Beim 13. qualityaustria Lebensmittelforum in Wien wurden neue Produkte präsentiert, mit denen es auch kleineren Produzenten gelingen soll, sich systematisch mit den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) auseinanderzusetzen.
Das Motto des 13. qualityaustria Lebensmittelforums im Ares Tower in Wien lautete „Unser Planet, unser Essen, unsere Zukunft – Lebensmittelstrategien von morgen“. Der Grundtenor beim Branchentreff, zu dem sich rund 100 Verantwortliche aus den Bereichen Lebensmittelsicherheit und Qualität eingefunden hatten: Ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel kann eben von Lebensmittelherstellern geleistet werden.
Wolfgang Leger-Hillebrand, Branchenmanager für Lebensmittelsicherheit bei Quality Austria und Initiator der Veranstaltung, berichtete über Aktuelles aus der Branche und über die Herausforderungen für die Zukunft. „Während der Handel von seinen Lieferanten längst die Auditierung nach Lebensmittelsicherheitsstandards wie etwa FSSC 22000, IFS Food oder BRCGS verpflichtend einfordert, basiert die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien vielfach noch auf Freiwilligkeit“, erklärte der Experte. Allerdings befindet sich die Lebensmittelbranche in dieser Hinsicht in einem rapiden Wandel, was insbesondere KMU vor große Herausforderungen stellt. Ein neues Zusatzmodul für den Lebensmittelsicherheitsstandard IFS Food, der IFS ESG Check für Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungskriterien, soll künftig für eine nachweislich nachhaltige Wertschöpfung sorgen.
IFS ESG Check, CO₂-Fußabdruck-Modul und FSSC 24000
„Bereits in wenigen Wochen werden die ersten Ausbildungen für Auditoren im Bereich IFS ESG Check beginnen. Dabei handelt es um ein einfaches und benutzerfreundliches Instrument zur Überprüfung des Reifegrads eines Unternehmens im Bereich Nachhaltigkeit“, kündigte Leger-Hillebrand an. Der Check besteht aus einer Kombination aus Selbsteinschätzung und anschließender Überprüfung durch einen Auditor. Das Resultat bietet eine gute Grundlage, um die Erwartungen der Kunden und aller anderen Stakeholder zu erfüllen, bzw. um weitere Schritte im Bereich Nachhaltigkeit einzuleiten.
Zum ESG Check gibt es auch noch ein optionales Zusatzmodul, mit dem Unternehmen ihren CO₂-Fußabdruck ermitteln können. Zeitgleich bringt FSSC den Managementstandard FSSC 24000 für soziale Nachhaltigkeit auf den Markt. Dieser basiert auf der kürzlich veröffentlichten PAS 24000 und soll Unternehmen die Möglichkeit bieten, diesen Aspekt nahtlos in ihr Integriertes Managementsystem zu implementieren.
Die Expert*innen am Branchentreff: (v.l.n.r.): Franz Sinabell (Ökonom, WIFO - Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung), Michaela Knieli (Ernährungswissenschaftlerin, Umweltberaterin, Die Umweltberatung), Jürgen Schlösser (Gründungsmitglied des Runden Tisches für Allergenmanagement), Wolfgang Leger-Hillebrand (Branchenmanager Lebensmittelsicherheit, Quality Austria). (Bild: Anna Rauchenberger)
Mehr Hülsenfrüchte statt Fleisch
Mit den Auswirkungen der Ernährungsform „Planetary Health Diet“ auf die Lebensmittelindustrie befasste sich Michaela Knieli, Ernährungswissenschaftlerin und Beraterin bei Die Umweltberatung. Sie empfahl die Entwicklung von Produkten mit einem hohen Anteil an Hülsenfrüchten, Nüssen und Getreide und einem verringerten Anteil an tierischen Lebensmitteln. „Derzeit verzehren wir rund 3 g Hülsenfrüchte pro Tag – die Planetary Health Diet empfiehlt 75 g. Damit wir täglich Appetit auf Linsen, Bohnen & Co haben, sind neue Rezepturen und Produkte gefragt“, so die Expertin. Zudem verzehren wir täglich im Schnitt 150 g Fleisch – laut Planetary Health Diet sollten wir das nur mehr an zwei Tagen pro Woche tun.
Schwellenwerte bei Allergenen anpassen
Verbesserungen im Allergenmanagement fordert Jürgen Schlösser, Consultant für die Lebensmittelindustrie und Gründungsmitglied des Runden Tisches für Allergenmanagement. Deklarations- und Analysenfehler stehen bei den Allergenen auf der Tagesordnung. Wobei diese zu öffentlichen Rückrufen führen können, die aber vermeidbar seien. „Die heutigen Analysenmethoden sind gar nicht dazu geeignet, um exakte, reproduzierbare Werte zu erzeugen“, erklärte Schlösser. Trotz der schlechten Analytik würden Verbraucherverbände zu geringe Schwellenwerte fordern, die die Industrie allerdings nicht einhalten könne – und die Politik schweige dazu. „Anstatt Schwellenwerte zu definieren, die wirklich überprüfbar wären, streiten wir uns, ob 0,5 mg Senfprotein, die in 1 kg Weizenmehl gefunden wurden, nun zu einem öffentlichen Rückruf führen müssen, oder ob der gefundene Senf gar kein Senf, sondern Raps war“, analysierte der Experte.
Vorhandene Ackerflächen nachhaltiger nutzen
Die Welternährung aus Sicht der Versorgungssicherheit beleuchtete Franz Sinabell, Ökonom und Forschungsbereichskoordinator am WIFO. Laut dem Ökonomen hat sich auf globaler Ebene der noch vor einigen Jahren beobachtete Trend einer dauerhaften Verbesserung der Versorgungslage in den letzten Jahren umgekehrt. Grund dafür seien vor allem Kriege und die veränderten Klimabedingungen. Global betrachtet sei das Agrar- und Ernährungssystem für etwa ein Drittel der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. „Der zunehmende Bedarf an Agrarflächen wird durch die Umwandlung von bisherigen naturbelassenen Flächen gedeckt. Zudem gehen zu viele wertvolle Böden verloren, da sie für Verkehrs- und Siedlungszwecke versiegelt werden“, warnte Sinabell. Die bessere Nutzung der vorhandenen Ressourcen und die Bewirtschaftung in einer nachhaltigen Art und Weise zählen somit zu weiteren Herausforderungen der Welternährung.
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