Peter Tappler, Präsident des Bundesverbands für Schimmelsanierung und technische Bauteiltrocknung, befasst sich als gerichtlich zertifizierter Sachverständiger mit allen Aspekten der Innenraumhygiene. Er sieht künftig große Herausforderungen für die Baubranche und Nutzer*innen durch die veränderten klimatischen Bedingungen.
Was hat sich in der Schimmelthematik durch den Energiesparaspekt geändert?
Peter Tappler: Der seit den 1980er-Jahren immer stärker werdende Trend zum Energiesparen hat sich auch auf die gesetzlichen Anforderungen an Neubauten und Sanierungen ausgewirkt – in der Regel positiv. Die Schimmelgefährdung durch Kondensationsfeuchte an schlecht gedämmten Außenbauteilen geht daher tendenziell zurück. Andererseits besteht immer mehr die Tendenz, billiger und damit schneller und schlampiger zu bauen, wodurch besonders im Objektbereich umfangreiche Wasserschäden durch schlecht ausgeführte Installationen explosionsartig zunehmen. Die geforderte und auch sinnvolle hohe Dichtigkeit der Innenräume (gemessen als Blower-Door-Wert) kann bei unzureichender Lüftung mitunter zur Anreicherung von Feuchte führen, wenn diese nicht abgeführt wird.
Die Gebäudehülle wird immer undurchlässiger. Wird dadurch auch die Schimmelbildung begünstigt?
Tappler: Eine starke Außendämmung ist für die Schimmelvermeidung sehr günstig, da die inneren Oberflächen der Außenwände wärmer und damit unproblematischer für Schimmelbefall werden. Manchmal hört man, dass damit die »Atmungsfähigkeit« der Wände verringert wird, was man getrost in den Bereich der baubiologischen Mythen verweisen kann: Eine »atmende Wand« im Sinne von durch diese durchtretende Luft stellt eher einen veritablen Bauschaden dar. Trotzdem ist die Sorptionsfähigkeit der inneren Oberflächen einer Wand für eine mögliche Schimmelbildung – und nicht nur für diese – ungemein wichtig, wie sich in Untersuchungen gezeigt hat. Am besten schneiden da Kalk- und Lehmputz ab.
Am wichtigsten ist in Bezug auf Schimmelprävention aber die Oberflächenbeschichtung der Wände. Hochwertige Kalk- und Silikatfarben bieten mit ihrer hohen Alkalität einen natürlichen Schutz gegen Schimmelbefall. Dichte Fenster, die ja aus Energiespargründen sinnvoll sind, haben bei schlechter Lüftungssituation den gegenteiligen Effekt einer erhöhten Schimmelgefahr. Dieser kann jedoch durch wirksame Lüftung begegnet werden.
Wird heute zu rasch gebaut? Sind die Bauteile nicht genügend ausgetrocknet?
Tappler: Bei ausreichender Lüftung nach dem Einbau von Feuchte abgebenden Bauteilen wie beispielsweise dem Estrich kann es bei sorgfältiger Bauweise nur sehr selten zu Schimmelbefall kommen. Problematisch erweist sich bei Leichtbaukonstruktionen im Zuge des Baugeschehens zwangsläufig eintretende Feuchte ins Wandinnere, was häufig zu umfangreichem verdeckten Befall führt – Gipskarton setzt dem Feuchtetransport nahezu keinen Widerstand entgegen. Man kann dies vor allem in der kalten Jahreszeit nur durch eine sehr genau angepasste Lüftungsstrategie bei Verlegen des Estrichs verhindern. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang, die von feuchten Bauteilen ausgehenden großen Wassermengen in der kalten Jahreszeit am Eintritt in Kaltdächer zu verhindern oder diese verstärkt zu belüften – wird dies unterlassen, ist großflächiger Schimmelbefall nahezu vorprogrammiert.
Bessere Lüftung bedeutet in der Regel auch weniger Schimmelbildung.
Ist die Luftfeuchtigkeit ein adäquater Maßstab?
Tappler: Bei der Planung eines Bauwerkes wird üblicherweise auf die Vermeidung von Kondensation im und an Bauteiloberflächen großer Wert gelegt bzw. es ist dies normativ vorgeschrieben. In der Baupraxis sieht die Sache oftmals anders aus. Die Luftfeuchtigkeit ist neben der Oberflächentemperatur ein guter Maßstab für das Schimmelrisiko auf einem Bauteil – ohne Feuchte gibt es keinen Schimmel! Problematisch sind dabei Leichtbaukonstruktionen, in deren hohlem Wandinneren es auch bei üblicher Nutzung zu verdecktem mikrobiellem Befall kommen kann. Dieser zeigt sich mit der Zeit als unangenehmer »muffiger Geruch«, dessen Herkunft unklar ist. Abhilfe schafft die Verwendung massiver Baustoffe oder Holzkonstruktionen.
Ist ein signifikanter Anstieg an Atemwegserkrankungen zu beobachten?
Tappler: Die üblicherweise in Innenräumen vorhandenen Bakterien (das »Mikrobiom« einer Wohnung) sind für die Nutzer*innen in der Regel völlig ungefährlich. Nur bei infizierten Personen in öffentlich zugänglichen Innenräumen spielen pathogene Bakterien oder Viren eine nicht zu unterschätzende Rolle; in verstärktem Ausmaß betrifft das Krankenanstalten, Altenheime und ähnliche Einrichtungen mit vulnerablen Personen. Vor allem in der kalten Jahreszeit treten nicht zuletzt auch aufgrund unzureichender Belüftung der Räume durch Viren verursachte Atemwegserkrankungen deutlich häufiger auf. Ein gutes Beispiel ist die kaum gelüftete Schulklasse, die eine sprichwörtliche Brutstätte für rinnende Nasen (Schnupfenviren) darstellt. Die Coronapandemie hat auch gezeigt, wie stark sich sehr infektiöse Viren in solchen Räumen verbreiten können.
Liegt die Ursache für Schimmel primär in Baumängeln?
Tappler: Meist eher nein. Falsches Nutzer*innenverhalten ist neben dem Eintritt von Feuchte aufgrund von Leckagen oder aufsteigender Feuchte bei alten Gebäuden eine der Hauptursachen für Schimmelbefall, vor allem in modernen Gebäuden oder solchen mit dichten Fenstern. In manchen neu erbauten Wohnungen kann aber auch bei zumutbarem Lüftungsverhalten (bis zu dreimal täglich) eine Anreicherung von Feuchte nicht verhindert werden, vor allem bei dichter Belegung und der Abwesenheit von Entlüftungssystemen. Abhilfe würde in allen Fällen eine moderne, bedarfsgeregelte mechanische Lüftungsanlage schaffen, deren Einbau aber nachträglich sehr aufwändig oder gar nicht möglich ist. In jedem Fall ist in der kalten Jahreszeit eine adäquate Abfuhr der Feuchte aus dem Bereich der Entstehung – das sind vor allem der Nassbereich und die Küche, aber auch das Schlafzimmer – die wichtigste Maßnahme, um Schimmel zu vermeiden.
Im Zuge der Pandemie wurde besonders auf häufiges Lüften geachtet, dadurch gelangt aber mitunter feuchte Luft in die Räume. Steigt auch das Schimmelrisiko?
Tappler: Je nach Jahreszeit unterschiedlich. Generell ist zu sagen, dass bessere Lüftung in den meisten Fällen auch weniger Schimmelbildung bedeutet. Die Lüftung sollte aber bedarfsgeregelt sein, um eine Überlüftung und zu niedrige Luftfeuchte im Winter zu vermeiden. Heikel ist die Sommerkondensation in Souterrain- und Kellerräumen. Dieses Problem wird sich durch die Erderwärmung in den kommenden Jahren drastisch verschärfen. Abhilfe schaffen spezielle Lüftungslösungen wie Lüftungen mit Absolutfeuchteregelung, die aber nur dann befriedigend funktionieren, wenn keine Tropennächte auftreten. In solchen Fällen oder bei dauerhaft zu Wohn- oder Bürozwecken genutzten Kellerräumen kann nur eine sehr energieaufwändige Klimatisierung der Räume eine hygienische Lüftungssituation gewährleisten.
Zur Person
Peter Tappler ist Umweltanalytiker und allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Schimmel und Schadstoffe in Innenräumen. Er leitet den Arbeitskreis Innenraumluft im Klimaschutzministerium (BMK), unterrichtet an mehreren Universitäten und ist Geschäftsführer des Speziallabors für Schimmel, der IBO Innenraumanalytik OG.
Info: www.innnenraumanalytik.at
(Bilder: iStock, Andreas Jakwerth)