Sonntag, Dezember 22, 2024



Satellitenbilder für die Überwachung und das Monitoring von Anlagen, Pipelines und Umweltveränderungen. Im Gespräch mit Michael Hall, Senior Specialist bei Airbus Defence and Space – Intelligence.

In welchen Bereichen der Satellitenüberwachung ist Airbus für die Energiewirtschaft und Industrie tätig?

Michael Hall:
Wir sehen einen wachsenden Bedarf an präzisen und zuverlässigen Geodaten – vor allem jetzt, da die natürlichen Ressourcen zur Neige gehen und die Nachfrage nach nicht konventionellen Ressourcen wie Schieferöl steigt.

Unternehmen sind mehr denn je gefordert, ihre Anlagen in der Entwicklungs- und Produktionsphase wirksam zu überwachen. Satellitenbilder bieten die Möglichkeit, Standorte in kurzen Abständen aus der Ferne zu überwachen, Umweltbelastungen und -risiken zu bewerten und in Notfallsituationen schnelle Satellitenaufklärung durchzuführen. Das kann die Reaktionsfähigkeit bei größeren Zwischenfällen deutlich erhöhen und den raschen Überblick ermöglichen, den man braucht, um unfallbedingte Verschmutzungen zu bewältigen und Ausfallzeiten und Reputationsrisiken zu minimieren.

Die funktionsstarke Satellitenkonstellation von Airbus, die optische und SAR-Sensoren (Anm. „Synthetic Aperture Radar“) umfasst, unterstützt Öl- und Gasunternehmen seit vielen Jahren in allen Phasen des Produktlebenszyklus – von der Machbarkeitsstudie über den Betrieb bis zur Stilllegung von Standorten. Unsere Bilder und Dienstleistungen bieten eine kosteneffiziente Methode zur Remote-Analyse und -Überwachung, selbst in den unzugänglichsten Gebieten der Welt.

Bild oben: Die Bohr- und Förderinsel Mittelplatte in der Nordsee auf dem größten Ölfeld Deutschlands. (Fotocredit "Airbus DS 2021")

Die Airbus Konstellation – insbesondere die Erdbeobachtungssatelliten SPOT, Pléiades und bei Bedarf Pléiades Neo – kann Daten über den Betriebszustand von Raffinerien, Ölfeldern und Pipelines liefern und auch Baustellen und geplante Infrastrukturprojekte jeder Größe überwachen. So überwachen wir zum Beispiel die Schieferölproduktion des größten Ölfelds der USA, des Permian-Beckens in Texas.



Bild: Gelände einer Ölraffinerie mit Speichern in Algeciras, Andalusien, Spanien. (Fotocredit "Airbus DS 2021")

In welchen Projektphasen kommen Satellitenservices typischerweise zum Einsatz?

Hall:
Dies kann insbesondere in der Anfangsphase bei der Machbarkeitsprüfung nützlich sein. Hier können wir unsere Kunden mit zuverlässigen und kostenminimierenden satellitenbasierten Lösungen unterstützen, um potenzielle Ressourcenquellen zu entdecken und zu prüfen. Auf diese Weise können Unternehmen fundierte Entscheidungen vom Schreibtisch aus treffen und müssen weniger Mitarbeiter zu den Standorten schicken.

Bei der Exploration können SAR-Satellitenbilder dazu beitragen, die Art eines Ölvorkommens zu charakterisieren und Prognosen zu treffen, bevor Lizenzierungsrunden und Offshore-Explorationen durchgeführt werden. Daneben bieten wir auch eine Reihe von Höhenmodellen an, die den Kunden ein besseres Verständnis der Geländebeschaffenheit vermitteln.

Auch während der Stilllegungsphase eines Projektes spielen Satellitenbilder weiterhin eine Rolle. Wir stellen auch dann kosteneffiziente Instrumente für die Sicherheit vor Ort und die Überwachung der Umweltauswirkungen bereit und unterstützen aktiv das Reporting und den Nachweis der Einhaltung von Umwelt- und Projektvorschriften.

Unsere Satellitendienste bieten darüber hinaus wertvolle Einblicke für Händler und Analysten, die sich einen Überblick über den Markt verschaffen wollen, oder für Ölfelddienste, die Wettbewerbsinformationen aufbauen oder ihr Dienstleistungsangebot planen wollen.



Im Gespräch: Michael Hall ist Senior Specialist im Team für Erdbeobachtungsanwendungen bei Airbus Intelligence.

Welche Herausforderungen in der Überwachung kritischer Infrastrukturen im Öl- und Gassektor adressieren Sie im Detail?

Hall: Satellitenbilder ermöglichen die Fernüberwachung und -bewertung von schwer zugänglichen Produktionsstätten oder Entwicklungsprojekten. Kosteneinsparungen sind möglich, wenn vor der Entsendung – oder manchmal auch anstelle dieser – von Mitarbeiter*innen an schwer zugängliche oder gefährliche Standorte eine Vorabbeurteilung durchgeführt wird. Dies kann an Produktionsstandorten eine Rolle spielen, an denen erhöhte Sicherheitsstandards gelten und Sicherheit eine Priorität ist.

Eine weitere Herausforderung, zu deren Bewältigung unsere Satellitenbilder beitragen, ist die genaue Überwachung des Fortschritts von Pipeline-Bauphasen. Hochauflösende Satellitenbilder liefern detaillierte Informationen über Vorarbeiten, die Anzahl der eingesetzten Maschinen, den Bestand an Baumaterialien und die Auswirkungen auf die lokale Umwelt.

Bei bereits in Betrieb befindlichen Pipelines ist es möglich, rechtzeitig zu erkennen, wenn Vegetation oder anfallende Bauarbeiten in den Pipelinebereich eindringen. Dies erhöht die Sicherheit von Pipelines enorm und kann geplante Wartungen von Pipelines unterstützen.

Satellitenbilder können auch dazu beitragen, Methanlecks zu lokalisieren, und so sicherzustellen, dass Lecks so schnell wie möglich geschlossen werden. Wir können Unternehmen im Öl- und Gassektor dabei helfen, die notwendigen Belege zu erbringen, damit sie die neuen gesetzlichen Standards erfüllen können, die bald in Kraft treten werden.

Welche Chancen entstehen hier auch für das Monitoring von Klimaveränderungen?

Hall: Satellitenbilder können die Analyse von Umweltauswirkungen unterstützen, zum Beispiel das Ausmaß der Abholzung von Wäldern durch Bauprojekte, die Überwachung der Stilllegung von Produktionsanlagen und die anschließende Renaturierung. Durch die regelmäßige Überwachung werden Veränderungen der Umwelt, soweit von oben erkennbar, sichtbar.

Darüber hinaus können Radarbilder die Überwachung von Ölverschmutzungen und die Lageanalyse nach einer Ölpest im Meer unterstützen. SAR-Bilder können zudem zur Überwachung von Veränderungen der Erdoberfläche und von Infrastruktur verwendet werden, wobei Bodenbewegungen millimetergenau erkannt werden. Im Gegensatz zu optischen Sensoren sind Radarsensoren in der Lage, Bilder durch die Wolkendecke hindurch aufzunehmen und sind damit unabhängig von Lichtverhältnissen.

Außerdem sind wir in der Lage, 90 Prozent der weltweiten Methanemissionen aus dem Weltraum zu erkennen. Mit dieser Dienstleistung können wir dazu beitragen, Strategien für Unternehmen zu entwickeln, die bis zum Jahr 2050 Netto-Null-Emissionen erreichen wollen.

Mit Hilfe des Erdbeobachtungssatelliten Sentinel-5 TROPOMI der ESA hat Airbus Defence and Space Netherlands zusammen mit seinen Partnern einen globalen Standard für die Überwachung der Erdatmosphäre gesetzt. TROPOMI konnte unter anderem große Methanlecks aus dem Öl- und Gassektor aufspüren. Gemessen wird weiters auch Schwefeldioxid, eine der Hauptkomponenten von saurem Regen und Luftverschmutzung. Airbus nutzt diese Messungen, um einen genauen Datensatz von Schwefeldioxid für Anwendungsfälle gegen Korrosion zu entwickeln.

Gibt es auch außerhalb des Öl- und Gassektors Anwendungsmöglichkeiten für Ihre Satellitenbilder im Bereich Nachhaltigkeit?

Hall: Wir haben einen AI-Algorithmus zur Zählung von Solarpaneelen in Solarparks entwickelt, um den Baufortschritt zu begleiten. Wir können optische Bilder verwenden, um den Bau einzelner Windturbinen zu überwachen. Das heißt, wir können zum Beispiel einzelne Turbinen zählen oder auch den Bau von Windparks in großem Maßstab überwachen.

Andere Anwendungsfälle im Bereich Nachhaltigkeit beziehen sich auf die Bewertung der Nachhaltigkeit einer Lieferkette, zum Beispiel die Umweltverträglichkeitsprüfung für einen Standort und der Einsatz gegen die moderne Sklaverei.

Es gibt eine Reihe von Geodaten-Technologien, die den Versicherungs- und Finanzsektor bei der Bewertung der Auswirkungen des Klimawandels unterstützen können. So kann Bildmaterial für die Remote-Analyse von extremen Wetterereignissen verwendet werden. Digitale Höhenmodelle werden zur Erstellung von Hochwasserkarten verwendet. Und Airbus kann Daten auch zum Überschwemmungs- und Landsenkungsrisiko bereitstellen, angepasst an verschiedene zukünftige Klimaszenarien. Das hilft insbesondere Kreditgebern und Versicherern, um den Anforderungen für Stresstests gerecht zu werden, wie sie beispielsweise die Bank of England oder die Europäische Zentralbank durchführen.

Airbus beteiligte sich an der Erkundungsphase des Projekts ASTUS („Anti-Trafficking using satellite technology for Uganda’s Sustainability“), das von der britischen Raumfahrtbehörde finanziert wird. Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines umfassenden, nachhaltigen Konzepts für das Modern Anti-Trafficking Support System (MASS).


Über die Person
Michael Hall ist Senior Specialist im Team für Erdbeobachtungsanwendungen bei Airbus Intelligence mit dem Standort Großbritannien. Er kam 2008 vom British Geological Survey zu Airbus und hat Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Kunden bei der Nutzung und Analyse von Fernerkundungsdaten in einer Vielzahl von Sektoren, darunter die Energie- und Bergbauindustrie.


Weiterführende Links:

Airbus Satellitenkonstellation https://www.intelligence-airbusds.com/imagery/constellation/
SAR-Satellitenbilder https://www.intelligence-airbusds.com/imagery/constellation/radar-constellation/
Geodaten-Technologien https://www.intelligence-airbusds.com/newsroom/news/leveraging-space-technology-for-climate-risk-finance/

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