Die Massivbauweise steht für Beständigkeit und lange Lebensdauer. Mit innovativen Lösungen und Produkten und dem Fokus auf Nachhaltigkeit rüstet sich die Branche für künftige Anforderungen.
Klimawandel und Verknappung der Ressourcen sind die zentralen Herausforderungen unserer Zeit – auch der Massivbau muss sich ihnen stellen. Die Bauwirtschaft trachtet seit längerem danach, ihren ökologischen Fußabdruck zu verkleinern. Zahlreiche Forschungsprojekte beschäftigen sich mit optimierten Produktionsabläufen, der Reduktion der CO2-Emissionen, effizientem Energie- und Rohstoffeinsatz und Lösungen zur Kreislaufwirtschaft. Dank dieser Anstrengungen avancierte die Branche zur Musterschülerin in Sachen Nachhaltigkeit.
Beim European Grean Deal nimmt die Baustoffindustrie eine Schlüsselrolle ein. Energieeffiziente Gebäude sind ein gewichtiger Faktor, um das damit verbundene Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Dabei muss die gesamte Wertschöpfungskette beachtet werden. Mineralische Baustoffe zeichnen sich durch regionale Verfügbarkeit und kurze Transportwege aus – der durchschnittliche Transportradius von Massivbaustoffen beträgt in Österreich 49 Kilometer. Sie sind fast zu 100 Prozent recycelbar und leisten dadurch eine wichtigen Beitrag zur Ressourcenschonung.
»Verknüpft mit der richtigen Energieversorgung und Haustechnik sind die Klimaschutzvorgaben über den Lebenszyklus von Gebäuden jederzeit erfüllbar«, ist Reinhold Lindner, Sprecher der BauMassiv-Gruppe, überzeugt. »Das Bauen mit dem Rohstoffschatz der mineralischen Baustoffe ist daher ein wesentlicher Teil der Lösung auf dem Weg zu den EU-Zielen im Bereich Klimaschutz.«
Gebündelte Kompetenz
Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Fachverbände wie die Stein- und keramische Industrie treiben in diesem Zusammenhang Pilotprojekte rund um Urban Mining, Speicherung von thermischer Energie, Bauteiloptimierung und Digitalisierung voran, um Innovationspotenziale auszuschöpfen und die Transformation zu beschleunigen.
Doch in der Frage, welches Baukonzept das Nachhaltigste ist, scheiden sich naturgemäß die Geister. Die Abschätzung der Gesamtkosten eines Gebäudes über den gesamten Lebenszyklus liefert eine wichtige Entscheidungshilfe. Die Energiebilanz muss von der Planung bis zur Verwertung nach Nutzungsende stimmen.
Viel Einsparpotenzial ergibt sich durch optimierte Planung auf Grundlage digitaler Bauwerksmodelle, die auch thermische Faktoren einbezieht. Schon die falsche Ausrichtung des Gebäudes kann später deutlich höhere Energiekosten nach sich ziehen. Eine thermische Simulation kann darüber Aufschluss geben.
Bauteilaktivierung im Wohnpark Wolfsbrunn. (Bild: Catherine Stuzka_Z+B)
Auch die Wahl der Bauweise und der verwendeten Baustoffe entscheiden darüber, wie die Ökobilanz ausfällt. Die Erhöhung der Effizienz von Bauteilen ist noch ausbaufähig, ebenso die Verwendung von Recycling-Material. Insgesamt gilt es, die Nutzung von Bestandsbauwerken zu verlängern – Sanierung und Verdichtung statt Versiegelung lautet die Prämisse für klimafreundlichen, ressourceneffizienten Massivbau der Zukunft. Durch Erhaltung und Aufstockung von bestehenden Gebäuden wird die Lebensdauer verlängert und die für Mensch und Umwelt so wichtigen Freiflächen bleiben erhalten.
Der ganzheitlichen Bewertung von Bauprodukten kommt besondere Aufmerksamkeit zu, sie haben erheblichen Einfluss auf das ökologische Profil eines Gebäudes. Nicht zuletzt aufgrund der EU-Bauprodukteverordnung gewinnen diese Aspekte an Bedeutung – die Umweltproduktdeklaration (Environmental Product Declaration, EPD) wird zunehmend bei Ausschreibungen und als Bewertungsbasis für Nachhaltigkeitszertifizierungen von Gebäuden gefordert.
Statt vorgeschobener Animositäten, welcher Baustoff, welche Bauweise, welches Heizsystem klimafreundlicher, nachhaltiger und kostensparender ist, braucht es künftig die gebündelte Kompetenz aller Akteure im Bauwesen, um die Anforderungen zukunftsfähigen Bauens zu bewältigen. Laut Klimaschutzbericht des Umweltbundesamts beträgt der Anteil des Gebäudesektors an den Treibhausgasemissionen in Österreich rund 16 Prozent und liegt damit gleichauf mit der Landwirtschaft an zweiter Stelle nach dem Verkehr, der nahezu die Hälfte des CO2-Ausstoßes verursacht.
Von der Planung über die Errichtung bis zum Rezyklieren des Abbruchmaterials muss die Bauwirtschaft an einem Strang ziehen und mit einer Gesamtlösung die dringend erforderlichen Veränderungen in Gang bringen. Andreas Pfeiler, Geschäftsführer des Fachverbands der Stein- und keramischen Industrie, sieht die Massivbaubranche diesbezüglich auf einem guten Weg: »Nachhaltigkeit ist im Herzen der Massivbauindustrie angekommen und wird von ihr mit vorangetrieben.«
Lukas Schleritzko, Beton Dialog Österreich: »Wir schlagen bereits heute die Brücken in die Klimazukunft.« (Bild: Dominik Achatz).
Insbesondere die Zement- und Betonbranche hat sich die Pariser Klimaschutzziele auf die Fahnen geheftet und bereits entscheidende Schritte gemacht. Österreichischer Beton weist beispielsweise den weltweit niedrigsten CO2-Ausstoß in der Produktion auf, bis 2050 sollen die Emissionen auf null gesenkt werden. »Dank innovativer Technologien und der Entschlossenheit der Produzenten kommen wir diesem Ziel immer näher«, sagt Lukas Schleritzko, Sprecher von Beton Dialog Österreich. »Wir schlagen bereits heute die Brücken in die Klimazukunft.«
Innovative Lösungen
Das perfekte Gebäude gibt es nicht. Durch vielversprechende Innovationen kommt man dem Anspruch auf ökologisch vertretbares und trotzdem leistbares Bauen und Wohnen aber schon recht nahe. Die Wahl der Bauweise und Baustoffe sollte abseits von individuellen Sympathien oder Imagefaktoren aufgrund sachlicher Kriterien erfolgen – passend für das jeweilige Bauvorhaben. Wichtiger ist jedoch das Gesamtkonzept dahinter, das erneuerbare Energieträger, Energiesparpotenziale und Recycling von Anfang an berücksichtigt.
Mit dem kostenlosen Planungstool »Thesim 3D« lässt sich das thermische Raumverhalten simulieren. (Bild: Thesim)
In Städten und Ballungsräumen wird die Überhitzung der Gebäude zunehmend zum zentralen Thema. Mit »Thesim 3D« steht Planer*innen ein kostenloses Berechnungstool im Internet zur Verfügung, mit dem sich thermisches Raumverhalten einfach simulieren lässt. Verschattungen in der Gebäudeumgebung werden automatisch über die Standortkoordinaten einbezogen – vergleichende Diagramme veranschaulichen die Zusammenhänge zwischen baulichen Maßnahmen und thermischen Verhältnissen im Innenraum.
Mitunter liegt die ideale Lösung auch in der Kombination unterschiedlicher Baustoffe. So ergänzen sich die multifunktionalen Eigenschaften des Ziegels hervorragend mit Beton, der mittels thermischer Bauteilaktivierung seine Speicherfähigkeit voll entfalten kann. Die solide Gebäudehülle und die thermisch aktivierten Bauteile schaffen ein natürliches Wohlfühlklima ohne Zugluft und Temperaturschwankungen und bieten eine Alternative zu stromfressenden Klimageräten. »Im Zusammenwirken mit anderen Baustoffen ist Beton ein essenzieller Bestandteil der Zukunft der Baubranche. Seine Versatilität und Dauerhaftigkeit erlauben es, kreative Lösungen für wirtschaftliche oder infrastrukturelle Herausforderungen zu finden«, meint Schleritzko. »Es liegt auch in der Verantwortung der Planer den Baustoff Beton flächensparend und effizient einzusetzen.«
Dass sich thermische Bauteilaktivierung als intelligentes System für ressourcenschonendes Heizen und Kühlen gleichermaßen für Einfamilienhäuser wie auch größere Wohnbauten eignet, zeigt der Wohnpark Wolfsbrunn in Sommerein. 14 Reihenhäuser und ein mehrgeschossiges Gebäude mit 22 Wohnungen wurden hier 2019 bezogen. Die Ziegelwände sind mit Betondecken kombiniert, in denen Rohrsysteme ganzjährig für angenehme Raumtemperaturen sorgen. Je nach Bedarf läuft durch die Rohre warmes oder kühles Wasser, die Betonbauteile fungieren somit als Flächenkollektoren. Der Strom zum Beheizen stammt aus Windkraft und Photovoltaik.
Reinhold Lindner, BauMassiv: »Das Bauen mit mineralischen Baustoffen ist ein Teil der Lösung im Bereich Klimaschutz.«(Bidl: BauMassiv)
»Mit der thermischen Bauteilaktivierung haben wir eine zukunftsweisende Technologie, die maßgeblich dazu beitragen wird, möglichst rasch die von der EU vorgegebene CO2-Neutralität im Bereich Bau zu erreichen«, meint BauMassiv-Sprecher Lindner. Durch die Speicherwirkung lässt sich die antizyklische Verfügbarkeit von erneuerbaren Energiequellen wie Wind, Sonne und Erdwärme ausgleichen. Besonders groß sind die Energiesparpotenziale bei mehrgeschossigen Gebäuden. Das Landeskrankenhaus Bad Radkersburg wurde mit thermischer Bauteilaktivierung saniert – Solarenergie unterstützt die Heizanlage, die über ein Biomassekraftwerk Fernwärme zum Krankenhaus liefert.
Kreisläufe schließen
Die steigenden Rohstoff- und Energiepreise und die anhaltenden Lieferverzögerungen bereiten auch der Baubranche große Sorgen. Der Bauboom und die damit verbundenen größeren Absatzmengen können diese Preisanstiege nicht wettmachen. Drei Viertel der heimischen Baustoffhersteller müssen die wachsende Kostenlast an ihre Kunden weitergeben.
Umso größer wird künftig die Bedeutung geschlossener Kreisläufe und forcierten Recyclings. Allein in der Betonwirtschaft wird das Einsparungspotenzial an natürlichen Rohstoffen durch die Verwendung von rezyklierten Gesteinskörnungen mit zehn bis 15 Prozent beziffert. Diese Quote könnte noch erhöht werden, würde mehr qualitativ hochwertiges Recyclingmaterial zur Verfügung stehen. In Österreich fallen jährlich rund drei Millionen Tonnen Altbeton an.
97 Prozent davon werden bereits stofflich wiederverwertet – bei Schüttungen im Unterbau oder bei der Herstellung von neuem Beton, wobei auch gleich primäre Rohstoffe wie Kies oder Sand eingespart werden können. In puncto Qualität hat rezykliertes Material mit den natürlichen Gesteinskörnungen inzwischen gleichgezogen: Fortschritte gibt es vor allem bei der Weiterentwicklung der Betonrezepturen sowie in der technischen Entwicklung der Nassaufbereitung.
97 % des Bauschutts können recycelt werden. (Bild: Wopfinger Transportbeton)
Die Wiederverwertung erfolgt wegen des großen Aufwands meist in zentralen Aufbereitungsanlagen, die sich auf die Herstellung von Recycling-Gesteinskörnungen spezialisiert haben. Die Hasenöhrl GmbH perfektionierte in achtjähriger Entwicklungsarbeit, u. a. mit der Universität Bratislava und der Bergbauhochschule Ostrava, das Recycling von Baurestmassen für die neuerliche Betonherstellung. 2021 wurde nach drei Jahren Testbetrieb das Verfahren zur Herstellung von Öko-Beton zugelassen.
Im Unternehmen, das acht Standorte in Ober- und Niederösterreich betreibt, kommen pro Jahr 250.000 Tonnen Bauschutt statt auf die Deponie in die Wiederverwertung. Gebrannte Ziegel, Altbeton oder Mauerwerksabbruch werden zerkleinert, gemahlen und gesiebt. Das so gewonnene Rezyklat wird im patentierten TriTech-Verfahren mit den Naturgesteinskörnungen vermengt und zu Recycling-Beton verarbeitet. Um Frischwasser einzusparen, wurden große Regenwassertanks errichtet; der Strom kommt aus der erweiterten Photovoltaikanlage.
Ungeachtet dieser Erfolge besteht noch Nachholbedarf in der Baustoffbranche sowie auf Seiten der Auftraggeber und Infrastrukturbetreiber. Insbesondere bei kleinvolumigen Bauprojekten sind die Recyclingquoten noch gering – der Aufwand bei der Trennung von Bauteilen ist hoch und die Rezyklierung erscheint unwirtschaftlich.