In den Unternehmen der Rohstoffbranche wird Aus- und Weiterbildung groß geschrieben. Die Mitarbeiter*innen wissen die vielfältigen Zukunftsperspektiven im regionalen Umfeld zu schätzen.
Rohstoffgewinnung und -verarbeitung gestern und heute – kein Vergleich. Wie in allen industriellen Bereichen sind Digitalisierung und Automatisierung ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Auch in der Rohstoffbranche haben moderne Technologien längst Einzug gehalten und sind bei der Erforschung neuer Rohstoffquellen, der nachhaltigen Gewinnung und der Entwicklung effizienter Recyclingmethoden unerlässlich.
Und wie fast in der gesamten Wirtschaft leiden auch die rohstoffproduzierenden und -verarbeitenden Unternehmen unter dem gravierenden Fachkräftemangel. Mit der HTL Leoben, wo es eine eigene Fachrichtung Rohstoff- und Energietechnik gibt, und der Montanuniversität Leoben verfügt Österreich jedoch über zwei hochkarätige Ausbildungsstätten, die international für ihr hohes fachliches Niveau bekannt sind und die modernen Anforderungen in der Produktion erfüllen.
Parallel dazu ergreifen viele Unternehmen selbst die Initiative und engagieren sich seit Jahren in der Ausbildung von Lehrlingen. Durch vielfältige Weiterbildungsmöglichkeiten gestaltet sich das Berufsbild höchst attraktiv. Erweitert durch die Themen Umweltmanagement und Naturschutz wird die Rohstoffbranche zu einer ansprechenden Zukunftsbranche.
Vielfältige Tätigkeiten
Das Berufsbild hat sich im letzten Jahrzehnt – Stichwort Industrie 4.0 – stark gewandelt. »Digitalisierung und Automatisierung machen auch vor unserer Branche nicht halt. Fundierte IT-Kenntnisse und technisches Grundwissen dürfen mittlerweile bei keiner unserer Tätigkeiten fehlen«, bestätigt Veronika Fritzsche, Human Resources Business Partner Austria bei der Omya GmbH in Gummern. Die Firmengruppe ist der führende Anbieter von Industriemineralen auf Basis von Calciumcarbonat und Dolomit sowie Spezialchemikalien und betreibt Standorte in fünf Bundesländern. Das Unternehmen legt Wert darauf, den Mitarbeitenden Raum für eigene Entscheidungen zuzugestehen, so Fritzsche: »Gerade beim Thema Sicherheit ist Innehalten und Abwägen der Situation wesentlich: Jeder Mitarbeiter soll am Ende des Tages wieder gesund nach Hause gehen.«
Die Bernegger GmbH, ein oberösterreichisches Bergbauunternehmen mit 800 Mitarbeiter*innen an 19 Standorten, bildet Jugendliche in 16 Lehrberufen aus. So vielfältig wie das Berufsspektrum sind auch die Aufgaben im Unternehmen. Christoph Steiner, seit 2010 bei Bernegger tätig, absolvierte nach der HTL für Elektronik in Steyr die Werkmeisterschule und ist heute am Standort Molln für die Rohstoffaufbereitung verantwortlich.
Christoph Steiner ist am Standort Molln der Firma Bernegger für die Rohstoffaufbereitung verantwortlich.
»Besonders reizt mich die Vielfalt der technischen Anwendungen. Es werden nicht nur Primärrohstoffe abgebaut und veredelt, sondern auch Sekundärrohstoffe wieder aufbereitet und dem Rohstoffkreislauf zugeführt. Hier gibt es eine Vielzahl an technischen Prozessen, mit denen ich mich gerne auseinandersetze«, erklärt Steiner. »Der Vorteil bei uns ist, dass wir bei der Planung bis zur Ausführung der Anlagen eingebunden sind und dann auch den Erfolg sehen können, wie ein neues Produkt entsteht und auch, wie es dann beim Kunden angewendet wird.«
Sein Kollege Mario Hinterberger begann 2006 als Baggerfahrer bei Bernegger, absolvierte ebenfalls die Ausbildung zum Werkmeister und ist heute Werksleiter am Standort Spital am Pyhrn. »Jeder Tag bringt neue Herausforderungen«, schätzt er die abwechslungsreiche, eigenverantwortliche Tätigkeit. »Es macht mir Spaß, mit Menschen zu arbeiten und bei Aufgaben bzw. Problemen einen effektiven Lösungsweg zu finden.«
Auch bei der Unternehmensgruppe Rohrdorfer, österreichischer Marktführer bei Beton und Gesteinskörnungen, hat die interne Ausbildung und Entwicklung zukünftiger Fachkräfte höchste Priorität. »Aktuell sorgen wir mit zahlreichen Automatisierungs- und Digitalisierungsprojekten dafür, dass unsere Mitarbeiter*innen weniger Routinearbeit auf den Tisch bekommen und bessere Arbeitsbedingungen vorfinden«, sagt Personalleiterin Sandra Rieder-Grandits.
Karriere mit Lehre
Die Aufstiegschancen sind hervorragend, wie der berufliche Werdegang von Christoph Eggenhofer zeigt. Er begann 2007 im Kieswerk Grafenwörth der Firma Rohrdorfer als Schlosser und absolvierte berufsbegleitend die Ausbildung zum Werkmeister. Kontinuierlich erweiterte er seinen Verantwortungsbereich. Seine erste Führungsrolle übernahm Eggenhofer 2013 – »nach ausführlicher Bedenkzeit und voller Motivation«, wie er heute erzählt – als Werksleiter in Nussdorf ob der Traisen. Inzwischen ist er Betriebsleiter des Steinbruchs Hollitzer und des Kieswerks Markgrafneusiedl.
Auch Daniel Labuz, Vorarbeiter für Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten im Diabaswerk Saalfelden, hat schon einen beachtlichen Werdegang zurückgelegt. In Polen geboren, besuchte er dort eine Schule für Elektrotechnik und arbeitete ab 2012 zunächst drei Saisonen in einem österreichischen Skigebiet. 2014 wurde Labuz im Diabaswerk Saalfelden – einer Abbaustätte für basaltisches Gestein, die seit 2006 Teil der Strabag SE ist – als Elektriker angestellt. Seither absolvierte er eine Vielzahl an Kursen, u.a. auch den Kran- und Lokschein, sowie die Werkmeisterschule für die Mineralrohstoffindustrie. Firmenchef Lutz Müller lobt den 29-Jährigen als »sehr engagierten Mitarbeiter, auf den wir sehr stolz sind«.
Daniel Labuz ist im Diabaswerk Saalfelden für Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten sowie elektrotechnische Belange verantwortlich.
Trotz der abwechslungsreichen Tätigkeiten und der guten Karriereaussichten erfordert das Anwerben neuer Mitarbeiter*innen und Lehrlinge in den meisten Unternehmen einiges an Anstrengung. Der generelle Arbeitskräftemangel macht sich auch hier bemerkbar. »In den umliegenden Gemeinden sowie in der Branche sind wir als zuverlässiger Arbeitgeber seit Jahrzehnten bekannt. Darüber hinaus wird es herausfordernd, gerade was die Suche nach Fachkräften betrifft – da geht es uns nicht anders als unseren Mitbewerbern«, sagt Personalerin Veronika Fritzsche. Omya setzt für die Kommunikation offener Stellen nicht nur auf klassische Print- und Onlineinserate, sondern nützt auch Social-Media-Kanäle und Netzwerke der Mitarbeiter*innen.
Rohrdorfer-Personalchefin Sandra Rieder-Grandits sieht in der Krisensicherheit der Rohstoffbranche ein großes Plus. An Standorten, die sich nicht in der Nähe von Städten oder Ballungszentren befinden, ist die Lage dennoch schwierig. Gut qualifizierte Mitarbeiter*innen sind sehr begehrt: »Hier gelingt es uns gegenwärtig gut, uns durch attraktive Arbeitsbedingungen, Weiterbildungsmöglichkeiten, flexible Arbeitszeitmodelle wie beispielsweise eine Vier-Tage-Woche in der Produktion und ein gutes Betriebsklima vom Mitbewerb abzuheben.«
Sandra Rieder-Grandits, Personalleiterin bei Rohrdorfer: »Wer eigenverantwortlich arbeiten will, darf dies sehr schnell.«
Wer eigenverantwortlich arbeiten will, dem werde das bei Rohrdorfer sehr schnell ermöglicht, so Rieder-Grandits: »Wir haben zahlreiche Beispiele, wo sich Mitarbeiter*innen rasch weiterentwickeln und schon früh in ihrer Karriere Verantwortung übernehmen konnten.« Dank der fünf Unternehmenssparten bieten sich zudem auch vertikale Karrieremöglichkeiten, wie die Personalleiterin erläutert: »Aus der Sparte Sand und Kies kann man so beispielsweise auch in den Bereich Transportbeton, Betonwaren oder Zement wechseln. Unsere Mitarbeiter*innen sind auch deshalb oft viele Jahrzehnte bei uns, weil sie sich innerhalb des Unternehmens immer weiterentwickeln und neue Karrierestufen erklimmen konnten.«
Aufholbedarf besteht noch beim Frauenanteil in der Branche. In der HTL Leoben beträgt der Anteil der Mädchen, die den Zweig Rohstofftechnik besuchen, immerhin 20 Prozent. Claudia Hofbauer, Mitarbeiterin der Firma Omya, ist eine der wenigen Frauen, die sich bereits in der Männerdomäne behaupten. Noch dazu als Quereinsteigerin – nach dem Schulabschluss absolvierte sie zunächst eine Lehre zur Kfz-Mechanikerin. Heute steuert sie mit Geschick und Charme einen 70-Tonnen-Großbagger und ist eine wichtige Stütze des Steinbruchteams.
Claudia Hofbauer ist als Baggerfahrerin bei Omya eine wichtige Stütze des Steinbruchteams.
Als Hofbauer im Rahmen des Bewerbungsprozesses die neue Arbeitsstelle im Tagebau besichtigen konnte, war sie sofort begeistert: »Ich arbeite gerne mit großen Maschinen und wollte diese Herausforderung unbedingt meistern. Auch als Frau mit Kind kann man diese doch untypische Tätigkeit problemlos ausüben, die Arbeit macht mir großen Spaß.«
Interview: »Enormer Innovationsdrang«
Die Bernegger GmbH in Molln unterstützt intensiv die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter*innen. Geschäftsführer Kurt Bernegger legt damit die Basis für Entwicklung und Innovation im Unternehmen.
(+) plus: Inwieweit hat sich das Berufsbild in der Rohstoffbranche gewandelt?
Kurt Bernegger: Der Fachkräftemangel macht deutlich, dass wir uns nicht weiter entwickeln können ohne die Menschen, die zupacken können. Wir spüren, dass das Handwerk wieder neue Wertschätzung erfährt. In der Rohstoffbranche gibt es enormen Innovationsdrang. Die Digitalisierung verändert die tägliche Arbeit: zum Beispiel setzen wir bei Planung und Vermessung Drohnen ein, unsere Bagger und Maschinen sind mit GPS ausgestattet. Das erleichtert den Zugang zu Kennzahlen über Verbrauch und Verschleiß, was sich wiederum positiv auf die Arbeitssicherheit auswirken kann. Ressourcenschonung wird immer wichtiger: Naturschutz bekommt einen hohen Stellenwert und wir sind sensibler im Umgang miteinander – im Team.
Geschäftsführer Kurt Bernegger: »Wir spüren, dass Handwerk wieder neue Wertschätzung erfährt.« (Bild: Christoph Pfeiffer/ Bernegger)
(+) plus: Wie gelingt es Ihnen, genügend Lehrlinge zu gewinnen? Sprechen Sie auch gezielt Mädchen und Frauen an?
Bernegger: Wir sind in Schulen und bei Messen präsent. Darüber hinaus pflegen wir intensiven Kontakt zu örtlichen Vereinen und unseren Mitarbeiter*innen, in dem wir zu verschiedenen Veranstaltungen einladen. Natürlich sind wir auf Social Media aktiv. Wir unterstützen unsere Lehrlinge bei der persönlichen und beruflichen Aus- und Weiterbildung. Neben der Berufsschule ist es uns wichtig, dass sie sich in ihrem Alltag wohlfühlen und gut zurechtkommen. Dadurch sind wir als zuverlässiger Arbeitgeber bekannt. In unserem Team konnten wir in den letzten Jahren einen enormen Anstieg an Frauen in handwerklichen (Lehr-)Berufen verzeichnen: Elektrotechniker*in, Transportbetontechniker*in, KFZ-Techniker*in, Metalltechniker*in.
(+) plus: Welche Perspektiven bieten sich Mitarbeiter*innen für die weitere Berufslaufbahn?
Bernegger: Wir haben viele Mitarbeiter*innen im Betrieb, die als Lehrling oder direkt nach der Schule bei uns begonnen haben und jetzt als Führungskraft tätig sind. Die Bereitschaft sich einzubringen, ist uns wichtig. Wir haben einen Leistungsanspruch, daher unterstützen und fördern wir Weiterbildungen. Entwicklung und Innovation ist nur mit motivierten Kolleg*innen möglich, die auch bereit sind, Neues zu lernen.