Dienstag, November 19, 2024

Der »Masterplan Rohstoffe 2030« soll die Versorgung Österreichs mit mineralischen Rohstoffen sichern und von Importen unabhängiger machen. Die aktuelle geopolitische Lage treibe die Rentabilität der Rohstoffgewinnung an, erklärt die ehemalige Bundesministerin Elisabeth Köstinger im Report(+)PLUS-Interview. 

Das Interview mit Ministerin Elisabeth Köstinger wurde Ende April 2022, kurz vor ihrem Rücktritt, durchgeführt. (Titelbild: BMLRT/Paul Gruber)

(+) plus: Wie kann sich Österreich aus unerwünschten Abhängigkeiten bei Rohstoffen befreien?

Elisabeth Köstinger: Die Stärkung der heimischen Ressourcenbasis, sei es durch Rohstoffabbau oder Recycling, ist ein wesentlicher Faktor, um unabhängiger, krisenresistenter, aber auch nachhaltiger agieren zu können. Daher habe ich bereits Ende 2021 den »Masterplan Rohstoffe 2030« präsentiert, der Lösungsvorschläge liefert, um auf die Herausforderungen der gegenwärtigen Dekade reagieren zu können. Es wurden unter anderem Maßnahmen zur Stärkung des heimischen Wirtschafts- und Industrie­standorts entwickelt.

(+) plus: Muss der Masterplan infolge des Ukraine-Kriegs angepasst werden?

Köstinger: Da im Masterplan bereits auf komplexe geopolitische Zusammenhänge Bezug genommen wird, muss dieser nicht infolge des Ukraine-Krieges neu geschrieben werden. Selbstverständlich werden wir jedoch die eine oder andere relevante Maßnahme bei Bedarf anpassen. 

(+) plus: Ist die Versorgungssicherheit gefährdet?

Köstinger: Die momentane Lage hat natürlich unser Versorgungsrisiko bei Rohstoffen erhöht. Im Masterplan finden sich Lösungsansätze um die verantwortungsvolle und sichere Versorgung Österreichs mit primären und sekundären mineralischen Rohstoffen weiterhin zu gewährleisten.

(+) plus: Der Abbau welcher Rohstoffe soll in Österreich forciert werden?

Köstinger: Mir ist es ein persönliches Anliegen, dass der heimische Bergbau gestärkt wird. Ich möchte aber auch betonen, dass Lagerstätten primärer Rohstoffe ortsgebunden und ungleich verteilt sind. Bei Metallen und Energierohstoffen ist Österreich im hohen Maße von Importen abhängig. Bei Baurohstoffen sind wir zum Glück Selbstversorger. Damit dies so bleibt, muss der ungehinderte und langfristige Zugang zu diesen Lagerstätten gewährleistet bleiben.

(+) plus: Bisher galt der Abbau an einigen Stätten als wenig rentabel. Was hat sich geändert?

Köstinger: Durch die Transformation der Energie- und Mobilitätssysteme sowie die Dekarbonisierung der Industrie hat sich der Bedarf an mineralischen Rohstoffen stark geändert. So wurde Lithium bisher hauptsächlich für die Herstellung von Glaskeramikkochfeldern verwendet. Heute aber gewinnt Lithium als Batterierohstoff zunehmend an Bedeutung. Nachfrage und Angebot drohen aus dem Gleichgewicht zu geraten. Die erhöhte Nachfrage treibt die Rohstoffpreise an und steigert somit die Rentabilität der Rohstoffgewinnung.

(+) plus: Welche Maßnahmen sind geplant, um den Recyclinganteil zu heben?

Köstinger: Die dritte Säule des Masterplans befasst sich intensiv mit den Themen Smart Production, Kreislaufwirtschaft sowie neuen wertschöpfenden Technologien und Produkten. Ein gezieltes Produktdesign mit Rücksichtnahme auf Kreislaufwirtschaft ermöglicht effizientes Recycling. Die Kenntnis über Qualität, Quantität und Lokalität von Wertstoffen ist außerdem eine Voraussetzung für die wirtschaftliche und ökologische Rückgewinnung.

Durch die gestiegenen Rohstoffpreise wird das Recycling von Produkten mit wichtigen Rohstoffen auch wirtschaftlich attraktiver. Wir müssen allerdings darauf Acht geben, dass wir nicht durch unrealistische Recyclingquoten massive Transportdistanzerhöhungen verursachen. Rezyklierte Baurohstoffe quer durch Österreich zu transportieren, ist zum Beispiel absolut nicht vorteilhaft – Baurohstoffe werden derzeit lokal gewonnen und in der Region auch dort verbaut. So soll das auch weiterhin bleiben.

(+) plus: Ist die föderalistische Struktur ein Hemmschuh für eine nationale Rohstoffstrategie?

Köstinger: Der Ausgleich der verschiedenen Interessen an der Raumnutzung muss auf Ebene der Raumordnung sachgerecht gelöst werden. Rohstoffgewinnung, erneuerbare Energieanlagen, Grund- und Trinkwasserbewirtschaftung, Siedlungsraum sowie Land- und Forstwirtschaft müssen sich nicht zwingend entgegenstehen. In Abstimmung mit den Ländern sind daher kreative Lösungen zu entwickeln. Konzepte der multifunktionalen Landschaftsnutzung vereinbaren beispielsweise verschiedene Nutzungsformen.

(+) plus: Wie können die länderspezifischen Regelungen insbesondere beim Umweltschutz harmonisiert werden?

Köstinger: Länderspezifische Regelungen, wie z. B. die Landschafts- bzw. Naturschutzabgaben, führen aufgrund ihrer unterschiedlichen Ausgestaltung zu Wettbewerbsverzerrungen. Durch eine Harmonisierung und Umlenkung zugunsten der von einer Rohstoffgewinnung betroffenen Gemeinde kann die Wirkung der Abgaben verbessert werden, beispielsweise zur Biodiversitätssteigerung.

(+) plus: Werden beim Import von Rohstoffen künftig auch ökologische und soziale Aspekte berücksichtigt?

Köstinger: Das derzeit noch in Ausarbeitung befindliche EU-Lieferkettengesetz sieht künftig ökologische und soziale Sorgfaltspflichten in allen Bereichen der Wirtschaft vor. Bereits jetzt werden die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in den Lieferketten von Zinn, Tantal, Wolfram und Gold von meinem Ressort überprüft.

(+) plus: Sind Kooperationen mit anderen Ländern angedacht?

Köstinger: Unter Beachtung der außenpolitischen Dimension sollen Rohstoffpartnerschaften forciert werden. Strategisch wichtige Zielmärkte sind dabei in einem Bottom-up-Prozess gemeinsam mit den betroffenen Unternehmen zu identifizieren. Dabei müssen die Interessen der rohstoffexportierenden Länder gewahrt und im Sinne gemeinsamer Vorteile weiterentwickelt werden. Österreich muss die EU-Rohstoffhandelspolitik im Sinne eines gesamteuropäischen Ansatzes proaktiv mitgestalten, um den fairen und diskriminierungsfreien Zugang zu Rohstoffen auf den Weltmärkten sicherzustellen. Der Beitritt meines Ressorts zur Europäischen Rohstoffallianz ERMA befindet sich derzeit in Vorbereitung.

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