AR- und VR-Anwendungen kommen in Österreich bereits in den unterschiedlichsten Bereichen zum Einsatz und zeigen die große Bandbreite der Technologien.
Belastungstest für Einsatzkräfte
Um Sondereinsätze zu trainieren, werden Großunfälle nachgestellt, Drehbücher geschrieben und Kompars*innen als Verletzte geschminkt. Die Pandemie hat die Durchführung dieser wichtigen Übungen eingeschränkt. Im Rahmen eines Kooperationsprojektes des ecoplus Mechatronik-Clusters entwickelte das Rote Kreuz NÖ gemeinsam mit der FH St. Pölten ein Mixed-Reality-Szenario, das (zukünftigen) Einsatzleiter*innen die Möglichkeit gibt, das Erkennen von Gefahren zu trainieren und einzuschätzen. Weiters kann das korrekte Abgeben einer Lagemeldung sowie die Kommunikation mit der Leitstelle und den nachrückenden Rettungseinheiten im virtuellen Großeinsatz geübt werden.
Demenz frühzeitig erkennen
In Österreich sind Schätzungen zufolge rund 130.000 Menschen von Demenz betroffen, Tendenz steigend. Wird die Krankheit früh erkannt, kann ihr Fortschreiten durch Therapien signifikant verzögert werden. Veränderungen der kognitiven und körperlichen Funktionen können auf eine Abnahme der Gedächtnisleistung hindeuten. Forscher*innen der FH Joanneum haben das Screeningsystem SCOBES-AR entwickelt, das auch auf Augmented und Virtual Reality zurückgreift. Beispielsweise durchlaufen die Proband*innen mit VR-Brille eine Einkaufssituation oder müssen einen »Trail-Making-Test«, bei dem Zahlen und Buchstaben in 3D-Form verbunden werden, absolvieren.
Fahrerlebnis im Autohaus
Im Zuge seiner Digitaloffensive kooperiert Porsche mit dem Wiener Unternehmen NXRT, das sich auf interaktive Echtzeitsimulationen für die Fahrzeugindustrie und Bahntechnik spezialisiert hat. Interessent*innen können künftig neue Automodelle im Schauraum Probe fahren und dabei autonome Fahrfunktionen oder Assistenzsysteme wie Spur- und Abstandhalter, Tempomat oder Notbremse testen. Mit HP konnte NXRT zudem einen gewichtigen Partner zur Optimierung von Headsets gewinnen. Sensoren sollen bald auch Bewegungen der Augen und des Gesichts sowie den Herzschlag aufnehmen und daraus den Stresslevel ableiten.
Stadtviertel in 3D
Bauprojekte sind in ihrer Komplexität mitunter schwer zu beschreiben. Wenn der Verkauf der Immobilien schon während der Bauphase startet, fällt es potenziellen Käufer*innen oft schwer, sich das fertige Projekt vorzustellen. Mit einer 3D-Visualisierung oder VR-Anwendungen ist es möglich, auf einem virtuellen Rundgang die Immobilien sogar zu erkunden. Vom Viertel Zwei, einem neuen Stadtviertel nahe dem Wiener Prater, erstellte das Wiener Start-up Squarebytes im Auftrag von Value One Development einen »Digitalen Zwilling«. Mit dem »MultiTouchTable« als Präsentationswerkzeug können auch unterschiedliche Tageszeiten simuliert werden. Ambitioniertes Ziel der VR-Spezialisten ist es, die gesamte Stadt digital abzubilden.
Üben für den Ernstfall
Das österreichische Bundesheer trainiert regelmäßig im Rahmen von virtuellen Übungen die Abläufe und Maßnahmen in Krisensituationen. Durch die Digitalisierung von Szenarien können verschiedenste Krisenfälle realitätsnah ohne Einsatz von Truppen und Fahrzeugen geübt werden. Zusätzlich können mit der VR-Brille weltweit Einsatzgebiete virtuell erkundet werden, um frühzeitig taktische Entscheidungen zu treffen. Das Üben am Simulationssystem ermöglicht Kommandant*innen zudem, die eigene Führungsarbeit zu verbessern und die Koordination mit staatlichen und zivilen Organisationen zu trainieren. Pro Jahr üben 800 bis 1.200 Personen am Simulator, den VRVis als langjähriger Partner des Instituts für Militärisches Geowesen (IMG) entwickelte.
Präziser operieren
Das Herz-Jesu-Krankenhaus in Wien ist eines von fünf Krankenhäusern weltweit, die Augmented Reality bei Operationen einsetzt. Die 3D-Planung und die CT-Bilder werden im Operationssaal als Hologramm visualisiert und der Blick der operierenden Ärztin bzw. des Arztes durch die AR-Brille live auf einen Computer übertragen. Das Team kann dadurch jedem einzelnen Schritt während der Operation folgen und den gesamten Ablauf perfektionieren. In der Schulter-Endoprothetik hat sich die Verwendung der Software bereits durchgesetzt, da eine exakte Positionierung des künstlichen Gelenks für die Wiederherstellung der optimalen Beweglichkeit entscheidend ist.
Pinnnadeln in der Lagerhalle
Gemeinsam mit dem Kartonhersteller Mayr-Melnhof erprobte ein Projektteam der FH St. Pölten Mixed-Reality-Anwendungen für Endgeräte (z. B. Smartphones oder Headsets), über die Mitarbeiter*innen die Instandhaltungsdokumentation und Hilfestellungen eingeblendet bekommen, ohne den Ort der Wartung verlassen zu müssen. Durch eine Verbindung zur Materialbeschaffung können fehlende Artikel direkt über das Lager angefordert werden. Die notwendigen Informationen werden mit »virtuellen Pinnnadeln« in Form von Texten, Bildern oder auch Skizzen an realen Objekten angebracht. So können in einer industriellen Produktionsanlage alle Mitarbeiter*innen Wartungsbedarf oder Auffälligkeiten an einer Maschine sehr einfach und berührungslos mit ihrem Smartphone markieren.
Virtuelle Bühnenplanung
Die Oper lebt von opulenten Bildern: Masken, Kostüme und Bühnenbilder entführen das Publikum in eine andere Welt. Mit Hilfe des Forschungszentrums VRVis erweckt die Wiener Staatsoper diese aufwendigen Szenerien zum Leben. Bühne und Zuschauerraum wurden mit einem Laserscanner hochauflösend aufgenommen und eine virtuelle Kopie angefertigt. Nun können ein Bühnenbild in Form von 3D-Modellen in allen Feinheiten und Funktionalitäten geplant und neue Ideen ausprobiert werden – schneller und kostengünstiger. Denn die Bühnengestaltung ist eine komplexe Aufgabe, bei der neben effizientem Auf- und Abbau sowie Beleuchtung auch mitgedacht werden muss, dass alle Zuschauer*innen – von den Stehplätzen bis zur Präsidentenloge – bestmögliche Sicht haben.