Mittwoch, November 20, 2024



Es ist gängiger Alltag, der uns alle betrifft und den jeder kennt: Ein Arbeitsverhältnis passt ein- oder beidseitig nicht mehr. Ziel sollte jedoch immer sein, im Guten auseinanderzugehen. Daher empfiehlt es sich, Exit-Gespräche zu führen und ein Win-Win für beide Seiten herauszuholen. Doch ist vereinbart nicht gleich vereinbart!

In der Praxis werden Ansprüche zwar oftmals »miterledigt«, aber nicht gesetzeskonform abgehandelt, wodurch es zur (Teil-)Unwirksamkeit dieser Vereinbarung kommen kann. Doch wie kann das verhindert werden und worauf kommt es in Exit-Gesprächen wirklich an? Grundsätzlich kann jeder auf seine Rechte verzichten, solange das konkrete Recht seinem Zweck nach nicht unverzichtbar ist, es auch nicht durch das Gesetz ausgeschlossen wird und die Rechte anderer nicht berührt werden.

Im Arbeitsrecht gelten aufgrund des Schutzgedankens Arbeitnehmenden gegenüber strengere Regeln, weshalb es hier einer genauen Betrachtung und Differenzierung zwischen unabdingbaren und abdingbaren Ansprüchen bedarf. Einer Verzichtsbeschränkung unterliegt als unabdingbarer und damit unverzichtbarer Anspruch unter anderem das zustehende Entgelt. Allerdings gehören auch weitere arbeitsrechtliche Ansprüche, wie die Ausstellung eines Dienstzeugnisses oder die Einhaltung von Kündigungsfristen, dazu. 

Verzichtserklärungen

Bei Verzichterklärungen während aufrechtem Arbeitsverhältnis wird ein besonders strenger Maßstab angelegt. In der Rechtsprechung hat sich dabei die »Drucktheorie« durchgesetzt. Danach ist der Verzicht auf unabdingbare Ansprüche während aufrechtem Arbeitsverhältnis unwirksam, weil angenommen wird, dass dieser Verzicht nicht aus freien Stücken, sondern unter wirtschaftlichem Druck abgegeben wird. Allerdings ist eine Tendenz der Rechtsprechung ersichtlich, dieser Vermutung eine Widerlegbarkeit zuzusprechen. Dagegen gibt es in der Lehre Stimmen der Kritik, welche meinen, dass damit arbeitsrechtliche Schutzgedanken untergraben werden und Rechtsunsicherheit entstehen würde.

Auch beim Verzicht bei bzw. nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird auf die Drucktheorie abgestellt, da zumeist Arbeitnehmer*innen in der wirtschaftlich schwächeren Position sind. Dabei kommt es darauf an, ob und für welche Dauer sich Arbeitnehmer*innen in einer typischen Abhängigkeit zu Arbeitgeber*innen befinden. Der Oberste Gerichtshof hat im Falle einer einvernehmlichen Auflösung zu einem bestimmten Zeitpunkt einen rechtswirksamen Verzicht bejaht, wenn trotz Entgeltfortzahlung keine weiteren Arbeitsleistungen mehr erbracht wurden und die Parteien zugleich eine umfassende Vereinbarung getroffen haben, bei der alle noch offenen gegenseitigen Ansprüche geregelt wurden.

Mögliche Alternative

Im Rahmen der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses wird oftmals ein Vergleich angestrebt, der sämtliche wechselseitigen Ansprüche bereinigen soll und folgenden großen Vorteil bietet: Mitumfasste Verzichte von Arbeitnehmer*innen auf strittige oder zweifelhafte Ansprüche, die sonst als »isolierte« Verzichtserklärungen unwirksam wären, könnten dadurch rechtswirksam werden. Für die Frage der Wirksamkeit eines solchen Vergleichs gilt es eine Günstigkeitsprüfung durchzuführen.

Dabei kommt es nicht auf einen Vergleich der vertraglichen mit der rechtlichen Regelung an, sondern darauf, ob eine allfällige Einbuße an einer Stelle aufgrund des »Verzichts« eines Anspruchs durch Vorteile an einer anderen Stelle aufgewogen wird. Wird beispielsweise eine Entlassung auf Wunsch der Arbeitnehmenden in eine einvernehmliche Auflösung umgewandelt, so können wechselseitige Ansprüche durch beidseitiges Nachgeben neu geregelt werden.

Verzichtet so der oder die Arbeitnehmer*in auf das Überstundenentgelt und bekommt stattdessen eine Abgangsentschädigung, so ist der im Vergleich mitumfasste Verzicht rechtswirksam, sofern die Abgangsentschädigung einen so großen Vorteil bietet, dass sie den entstandenen Nachteil zumindest aufwiegt. Auch die Voraussetzung der Strittigkeit ist erfüllt, denn im Falle der zuerst angedachten Entlassung, würde das Arbeitsverhältnis mit einer gewissen Ungewissheit enden, da allenfalls die Entlassung gerichtlich angefochten werden könnte und in diesem Sinn strittige bzw. zweifelhafte Ansprüche/Rechte gegeben sind.

Die Autoren: Nicolaus Mels-Colloredo ist Partner bei PHH Rechtsanwälte und Experte für Arbeitsrecht. Aleksandra Lazic ist juristische Mitarbeiterin bei PHH Rechtsanwälte.

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