Robotic Process Automation (RPA) war gestern, die Zukunft heißt Hyperautomation. Die Integration intelligenter Technologien hebt die Prozessautomatisierung auf eine neue Stufe.
Auch wenn viele Unternehmen erst jetzt auf den Zug aufspringen – die ersten Software-Systeme, die auf robotergestützter Prozessautomatisierung basieren, wurden bereits Anfang der 2000er-Jahre eingesetzt. Ursprünglich zur Ausführung repetitiver, zeitintensiver oder fehleranfälliger Tätigkeiten entwickelt, unternimmt RPA inzwischen zahlreiche Tätigkeiten im Back Office und Front Office. Durch Automatisierung können der Zeit- und Ressourcenaufwand für manuelle Aufgaben sowie die Anzahl der Fehler erheblich reduziert werden.
Für die Unternehmen ergeben sich mehrere Vorteile: effizientere Prozesse, kürzere Durchlaufzeiten, geringere Kosten und höhere Kundenzufriedenheit. Da es sich bei RPA um eine nicht-invasive Lösung handelt, lässt sich die Software nahtlos in jede bestehende Systemlandschaft einfügen.
In der Studie »Robotic Process Automation in der DACH-Region«, die die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC im Vorjahr veröffentlichte, gab mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen aus verarbeitendem Gewerbe, Handel und Dienstleistungssektor an, bereits RPA-Lösungen zu nutzen. Die häufigsten Einsatzbereiche sind das Controlling, das Berichtswesen, die Qualitätssicherung und die Validierung von Daten. Unternehmen, die sich bisher noch nicht entschließen konnten, Bots zu implementieren, überschätzen häufig Aufwand und Kosten für RPA.
»Es gibt in jedem Unternehmen Bereiche mit einfach strukturierten, wiederkehrenden, manuellen Prozessen – das Automatisierungs- und Effizienzpotenzial ist hoch«, verweist Andrea Bardens, Partnerin bei PwC Deutschland, auf weitere Anwendungsgebiete: »Manchmal geht es nicht nur darum, einen manuellen Prozess abzulösen oder schneller zu machen. Bots können zum Beispiel auch kurzfristig eingesetzt werden, um Daten aus Systemen zusammenzutragen, die bisher nicht verbunden sind, um in Situationen wie der Krise schnell auf Knopfdruck und nach Bedarf Analysen zu ermöglichen.«
Die häufig geäußerte Sorge, dass die Software-Roboter Menschen ersetzen könnten, bestätigt die Studie nicht. Nur 18 Prozent der befragten Unternehmen wollen die Anzahl der Arbeitskräfte reduzieren. Im Vordergrund steht das Vorhaben, die Mitarbeiter*innen von Routinetätigkeiten zu entlasten und Effizienzpotenziale zu nutzen.
Mitdenkende Bots
Die Österrreichische Post bietet seit dem Vorjahr über ihre Tochter Business Solutions für große und mittelständische Firmenkunden RPA als Teil des Lösungsportfolios an. Vor allem Banken, Versicherungen, Energie- und Telekomversorger oder Behörden, die täglich in großen Mengen Rechnungen, Bestellungen oder andere Formulare bearbeiten, profitieren durch erhebliche Kosten- und Zeiteinsparungen. So können beispielsweise Eingangs- und Ausgangsrechnungen automatisch geprüft und verbucht werden. Die RPA-Bots erkennen auch Abweichungen in Reportings und reagieren entsprechend.
Bild oben: Borisav Parmakovic entwickelte mit seinem Start-up Digicust drei Robotersysteme, die alle Prozesse um die Zollabwicklung übernehmen.
Das Transport- und Logistikunternehmen DB Schenker begann Mitte 2018 mit der Implementierung von RPA und konnte seine Wettbewerbsposition entscheidend verbessern. Für die Region Europa wurden 2019 elf Prozesse automatisiert, die in Summe pro Jahr knapp 900.000 Euro an Einsparungen erwirtschaften; weitere 37 Prozesse sollten folgen. RPA ist jedoch nur ein Teil der internen Digitalisierungswelle, die als »Cognitive RPA« künftig »mitdenken« soll, wie René Winkler, Head of Practice – Center of Excellence Europe RPA, erklärt: »Durch diese Erweiterung in der Technologie werden Bots in Zukunft auch in der Lage sein, unstrukturierte Daten zu verarbeiten, selbstständige Entscheidungen zu treffen und Zukunftsprognosen zu erstellen. Diese Entwicklung wird es ermöglichen, komplexere Prozesse zu automatisieren und die Lücke zu Artificial Intelligence und anderen Entwicklungen wie z.B. Data Analytics zu schließen.«
Das österreichische Start-up Digicust entwickelte drei virtuelle Roboter, die sämtliche Prozesse rund um die Zollabwicklung durchgehend digitalisieren. Durch den Brexit freut sich das Schwechater Unternehmen über starke Nachfrage. Die autonom agierenden Softwareprogramme sind KI-unterstützt und passen sich laufend an die Erfordernisse der Kunden an. Roboter Dexter ist für die Datenextraktion aus Frachtbriefen und Rechnungen zuständig und schafft die Basis für die Prozesse. Roboter Taric nimmt, unterstützt durch Deep-Learning-Algorithmen, in Höchstgeschwindigkeit die Zuordnung der Waren vor und berücksichtigt dabei je nach Land komplexe Ein- und Ausfuhrbestimmungen. Roboter Neo soll schließlich die Zollabwicklung samt Dokumentenmanagement erledigen, auch die Zollanmeldung erfolgt automatisiert.
Intelligente Automatisierung
In der Praxis stoßen herkömmliche RPA-Systeme nämlich manchmal an ihre Grenzen. Der Software-Roboter ist zwar in der Lage, wiederholende Anforderungen zu erkennen und adäquat zu bewältigen. So ist die Zuordnung der eingehenden Schriftstücke und Rechnungen in der Regel kein Problem. Bei komplexen Prozessen, wie etwa der Bearbeitung einer Kundenbeschwerde, die besondere Aufmerksamkeit verlangt, ist RPA nur bedingt geeignet. Auch für Preisverhandlungen im Einkauf sind die Bots noch zu wenig ausgereift. Hier ist Einfühlungsvermögen gefragt – eine Fähigkeit, über die eine klassische Maschine nicht verfügt.
Eine Verknüpfung mit intelligenten Technologien wie künstlicher Intelligenz und Advanced Analytics könnte die Automatisierungsstrategie auf die nächste Stufe heben. Das Beratungsunternehmen Deloitte beziffert den globalen Markt für »Intelligent Automation« mit einer jährlichen Wachstumsrate von 40,6 Prozent. Laut einer Umfrage im EMEA-Raum haben bereits 78 Prozent RPA implementiert, weitere 16 Prozent planen eine Umsetzung in den nächsten drei Jahren. Wollen Unternehmen ihren Automatisierungs-Reifegrad weiterentwickeln, ist es notwendig, regelbasierte Abläufe skalierbar zu machen. Die Vorreiter streben einen radikalen Wandel an und automatisieren nicht einfach bestehende Prozesse, sondern erfinden Arbeitsabläufe gänzlich neu.
Maximum an Effizienz
In der Welt der Automatisierung gilt ein neuer Ansatz als vielversprechende Option – spätestens seit das IT-Research- und Beratungsunternehmen Gartner den Begriff »Hyperautomation« im Vorjahr unter die zehn wichtigsten Technologietrends reihte. Dabei handelt es sich nicht um ein einzelnes Tool, sondern vielmehr eine Kombination intelligenter Technologien, die den gesamten Prozess der Automatisierung umfasst. Durch den Zusammenschluss sämtlicher digitalen Möglichkeiten soll somit das Maximum an Effizienz herausgeholt werden. RPA ist dabei nur ein Baustein, der sich ergänzt durch Process Mining, künstliche Intelligenz und Machine Learning sowie Workflow-Management in eine einheitliche Prozessarchitektur einfügt.
Gartner geht davon aus, dass Unternehmen ihre Kosten um 30 Prozent senken können, wenn sie Hyperautomation mit neu gestalteten Workflows kombinieren. Ein weiterer Vorteil: Prozesse werden durch Hyperautomation skalierbar, indem sie komplexe Aufgaben in einen zuverlässigen, wiederholbaren Ablauf verwandelt. »Hyperautomation baut auf dem Erfolg auf, der dem phänomenalen Wachstum von RPA zugrunde liegt: einfache Automatisierung, schnelle Ergebnisse und ein bewährter Weg zur Anwendung von KI zu messbaren Verbesserungen der Geschäftsergebnisse. RPA hat die digitale Transformation schneller als jede andere Technologie geliefert«, ist Klaus Schatz, Partner von KPMG Austria, überzeugt.
Auch in strategischer Hinsicht gehen die Analysewerkzeuge weit über die intelligente Dokumentenverarbeitung hinaus: Die KI in einem hyperautomatischen Gefüge soll selbstständig Geschäftsprozesse identifizieren und neue RPA-Bots dafür schaffen – das System automatisiert sich quasi selbst. Hyperautomation übernimmt damit eine weitere Aufgabe, die bisher Menschen vorbehalten war: das Einrichten von Bots für bestehende und zukünftige Prozesse.
Anders als reine RPA-Systeme, die auch als Insellösungen ins Unternehmen implementiert werden können, versteht sich Hyperautomation als ganzheitlicher Ansatz. Sie bildet den Kern der IT-Strategie und sollte idealerweise auch die organisatorische Komponente nicht außer acht lassen. Nur wenn das Zusammenspiel von Mensch und Maschine reibungslos klappt, führt Hyperautomation tatsächlich zu mehr Zufriedenheit bei Kund*innen und Mitarbeiter*innen.
Glossar
1. Robotic Process Automation (RPA): Diese Technologie wurde bereits in den 2000er-Jahren entwickelt und bezeichnet Software-Roboter, die repetitive, zeitintensive und fehleranfällige Tätigkeiten automatisiert ausführen. RPA-Lösungen kommen vorwiegend im Backoffice-Bereich, z.B. in der Rechnungslegung und -bearbeitung, in der Personalverrechnung oder im Einkauf zum Einsatz.
2. Künstliche Intelligenz (KI): Machine Learning, Computer Vision, Intelligent Optical Character Recognition (OCR), Natural Language Processing (NLP) u.a. sind »lernende« Technologien, die regelbasiert arbeitende RPA mit intelligenten Tools (denken, lesen, sprechen) ergänzen. Relevante Datenpunkte in Inhalt und Kontext der Kommunikation können somit besser erkannt und klassifiziert werden.
3. Process Mining: Automatisierte Prozesserkennungstools helfen dabei, Optimierungspotenziale entlang der End2End-Prozesse zu erkennen und Verbesserungen zu monitoren. Process Mining analysiert Muster und Aufgaben, zeigt ineffiziente Vorgänge auf und trägt damit zur Steigerung der Kundenzufriedenheit bei.
4. Workflow: Zahlreiche Prozesse lassen sich in zentralen digitalen Workflows abbilden, optimieren und ausführen. Indem Mitarbeiter, Aktionen, Roboter, Richtlinien und Systeme einheitlich orchestriert werden, sind Geschäftsaktivitäten besser messbar.
5. Hyperautomation: Das zentrale Prinzip von Hyperautomation ist die Kombination unterschiedlicher Technologien, um eine möglichst umfangreiche Prozessautomatisierung sicherzustellen. Hyperautomation bezieht sich auf den gesamten Prozess (Bedarfserhebung, Messung, Automatisierung, Überwachung, Bewertung, Entscheidung) und schließt daher auch Aufgaben ein, die derzeit noch menschliche Eingriffe erfordern.