Österreich will bis 2040 klimaneutral sein. Um dieses Ziel erreichen zu können, braucht es eine Steuerreform, die treffsicher und sozial verträglich ist. Das schließt auch unpopuläre Maßnahmen ein: Um eine effektive Bepreisung der Emissionen von Flug-, Auto- und Schiffsverkehr wird man nicht herumkommen. Wie eine solche Steuerrefom gestaltet sein könnte, hat Report(+)PLUS bei Expert*innen nachgefragt.
1. Ist eine CO2-Bepreisung ausreichend, um die Klimaziele zu erfüllen?
Dominik Bernhofer, Ökonom und Leiter der Abteilung Steuerrecht, AK Wien
Nein. Ein CO2-Preis schafft zwar Lenkungsanreize, Lenkungseffekte kann es aber nur zusammen mit den ökologischen Alternativen geben. Was wir also vor allem brauchen, ist ein leistbarer Zugang zum öffentlichen Verkehr, zu nachhaltigen Heizformen wie Wärmepumpe oder Fernwärme und zur E-Mobilität – ausreichend Ladestationen und Ökostrom inklusive. Der CO2-Preis ist kein Allheilmittel. Er kann nur als Teil eines Maßnahmenpakets funktionieren.
Martin Grasslober, Abteilung Verkehrswirtschaft, ÖAMTC
Zu viele Menschen sind auf ihren Pkw angewiesen und haben keine adäquate Alternative, daher werden bloße Kostenerhöhungen die Klimafrage nicht lösen können. Abgesehen davon besteht schon jetzt mit der Mineralölsteuer eine implizite CO2-Steuer für den Straßenverkehr: Wer mit einem Verbrennungsmotor mehr oder ineffizienter fährt, zahlt auch mehr Mineralölsteuer und damit für jedes emittierte Gramm CO2. Die Erhöhung 2011 wurde sogar offiziell mit der Einführung eines CO2-Zuschlags in der Höhe von 20 Euro je Tonne begründet.
Angela Köppl, Senior Economist, WIFO – Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung
Eine CO2-Bepreisung ist ein wichtiges Element, um die Klimaziele zu erfüllen, weil durch den Verbrauch von fossilen Energieträgern Kosten für die Gesellschaft entstehen, die nicht im Preis enthalten sind. Aber eine CO2-Bepreisung allein ist nicht ausreichend. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen bedeutet die Erreichung der Klimaziele einen enormen Transformationsbedarf, zum anderen hängt es mit den Wechselwirkungen zwischen Energiebedarf und den zugrundeliegenden Kapitalstöcken und damit einhergehenden Marktbarrieren zusammen, z.B. bei Gebäuden die Eigentümer-Mieter-Problematik.
2. Welche zusätzlichen Maßnahmen wären sinnvoll?
Dominik Bernhofer
Um das Klima zu retten, brauchen wir vor allem Investitionen – öffentlich wie privat. So fordert die AK schon lange mehr Geld und mehr Tempo beim Bahnausbau. Das schafft nicht nur Alternativen zum Auto, sondern auch Arbeitsplätze in Österreich. Bis 2030 müssen alle Ölheizungen raus, bis 2040 alle Gasheizungen. Das ist eine enorme finanzielle Herausforderung für die betroffenen Haushalte, hier müssen die Förderungen massiv erhöht werden. Zur effektiven Bekämpfung von Energiearmut fordern wir einen Energiehilfsfonds, der kleinen Einkommen bei Heizungstausch und thermischer Sanierung nicht nur finanziell, sondern auch beratend zur Seite steht.
Martin Grasslober
Neben der Elektromobilität braucht es auch eine Reduktion des CO2-Fußabdrucks der weiterhin notwendigen flüssigen Kraftstoffe. Kauft man heute ein neues Auto mit Verbrennungsmotor, hat es 2030 noch mehr als die Hälfte seiner Nutzungsdauer vor sich. Um die Emissionen dieser Fahrzeuge zu reduzieren, braucht es u.a. den breiten Einsatz synthetischer und nachhaltiger E-Fuels. Zusätzlich muss der Pkw-Besetzungsgrad erhöht und der öffentliche Verkehr zielgerichtet ausgebaut werden. Gerade im ländlichen Raum braucht es künftig adäquate Mikro-Angebote für den öffentlichen Verkehr.
Angela Köppl
Um Klimaneutralität zu erreichen, gilt es, CO2-Steuern mit anderen Instrumenten zu kombinieren. Das umfasst preisbasierte Instrumente, Subventionen, Regulierungen sowie öffentliche und private Investitionen. Auch der Abbau umweltschädlicher Subventionen ist wichtig. Zum Beispiel spielen für einen klimatauglichen Gebäudebestand entsprechende Standards und andere gesetzliche Rahmenbedingungen ebenso wie Förderungen eine Rolle. Im Verkehrsbereich sind neben einer CO2-Steuer auch Investitionen in eine nachhaltige Verkehrsinfrastruktur, vor allem auch im ländlichen Raum, Infrastruktur für E-Mobilität und eine entsprechende Raumordnung notwendig.
3.Wie kann die Belastung gerecht verteilt werden?
Dominik Bernhofer
Ein CO2-Preis trifft die kleinen und mittleren Einkommen am stärksten. Deshalb fordert die AK einen »Ökobonus Plus«, der die Einnahmen als Pro-Kopf-Pauschale mit Kinderzuschlag an die privaten Haushalte rückerstattet. Für besonders betroffene Gruppen wie Pendlerfamilien und energiearme Haushalte braucht es zusätzlich eine Reform der Pendlerpauschale Richtung Absetzbetrag und eine Aufstockung der Heizkostenzuschüsse der Bundesländer. Klimaschutz kann nur funktionieren, wenn er sozial gerecht gestaltet ist.
Martin Grasslober
Im Falle einer CO2-Bepreisung im Straßenverkehr sollte die motorbezogene Versicherungssteuer gesenkt werden. Letztere richtet sich zwar bei neuen Fahrzeugen auch nach den CO2-Emissionen in den Papieren, besteuert aber letztendlich nur das stehende Fahrzeug – wie(viel) man fährt, ist bei dieser Steuer unerheblich. Gemeinsam mit einer Reform der Pendlerpauschale könnten durch die Senkung dieser Steuer jene, die auf den Pkw angewiesen sind, entlastet werden und tatsächlich entstehendes CO2 bekäme dennoch einen (zusätzlichen) Preis.
Angela Köppl
Den Verteilungswirkungen Aufmerksamkeit zu schenken, ist auch unter dem Aspekt der Akzeptanz von herausragender Bedeutung. Damit im Zusammenhang steht, wofür die Steuereinnahmen verwendet werden. Es gibt aber nicht die »eine« richtige Antwort auf diese Frage, weil jede Option der Verwendung der Steuermittel, wie pauschale Pro-Kopf-Rückverteilung, eine Senkung von Arbeitskosten oder die Verwendung für Klimaschutzinvestitionen, jeweils Vor- und Nachteile aufweist.