Sonntag, Juli 21, 2024

Internationalisierung, Wirtschaftskrise, technologischer Wandel – die Komplexität des Unternehmensumfeldes stellt an die Finanzchefs grosse Erwartungen. Die komplexen Aktivitäten erfordern aber auch neue organisatorische Strukturen.

Die Finanzabteilung ist das Nervenzentrum im Organismus eines Unternehmens – so beschreibt die Beratungsgesellschaft Deloitte in der Studie »Der CFO im Mittelstand« sehr treffend den hohen Stellenwert des Finanzressorts: »Hier laufen alle für die Steuerung des Unternehmens wichtigen Informationen zusammen.« Spätestens seit der Finanzkrise steht dieses Nervenzentrum jedoch ständig unter Strom. Waren früher Reports, die vier bis sechs Wochen nach Quartalsabschluss die Chefetage erreichten, absolut ausreichend, müssen Daten heute in Echtzeit abrufbar sein, um unmittelbar auf Veränderungen reagieren zu können. Und wo sich früher aufgrund der Analysen abgeschlossener Perioden meist relativ verlässliche Prognosen erstellen ließen, sind langfristige Aussagen über die Geschäftsentwicklung kaum noch möglich. Die Finanzwelt dreht sich schneller und mit ihr die Unternehmen. Wer im internationalen Business mitspielen will, muss in technischer und personeller Hinsicht am Ball bleiben.

Alternative Finanzierung

Das betrifft zum einen die Formulierung und Umsetzung neuer Finanzstrategien, für die der CFO in seinem »angestammten« Revier verantwortlich zeichnet. Infolge der Bankencrashs sind traditionelle Kreditkanäle für viele Unternehmen aufgrund der hohen Auflagen verschlossen. Die Finanzchefs mussten notgedrungen erfinderisch werden, um an frisches Kapital zu kommen. Alternative Finanzierungslösungen sind gefragter denn je –  nur CFOs, die mit diesen Möglichkeiten vertraut sind, können ihr Unternehmen bei Wachstumsplänen adäquat unterstützen.

Konjunkturbedingt schalteten in den vergangenen Jahren viele Unternehmen in den Ruhemodus. Abwarten könnte sich, wenn ein notwendiger Modernisierungsschub ansteht, aber als falsche Strategie herausstellen. Als oberste Finanzinstanz sind Finanzvorstände für diese verhaltene Inves-titionsbereitschaft zumindest mitverantwortlich. Die wird sich laut jüngstem CFO-Barometer jedoch vorerst nicht ändern, wie Gerhard Marterbauer, Partner bei Deloitte Österreich, berichtet: »Die CFOs sind zwar grundsätzlich optimistisch, was die internationale Entwicklung ihrer Unternehmen betrifft. Aber die Skepsis gegenüber dem Standort Österreich bleibt.« Zunehmend in Atem hält die Manager das Thema Sicherheit, so Marterbauer: »85 % der Befragten sehen das Risiko eines Cyber-Angriffs. Bei der konkreten Prävention gibt es aber Nachholbedarf.« In entsprechende Vorkehrungen zu investieren, wäre ein längst fälliger Schritt.

Prozesse harmonisieren

Neben der laufenden Umsetzung gesetzlicher Vorschriften und Compliance-Vorgaben kommt auf die Finanzvorstände die Implementierung neuer IT-Systeme zu, so sie nicht bereits mitten in der Umstellung stecken. Je größer das Unternehmen, desto komplexer sind die Prozesse und Anwendungen, die vereinheitlicht und optimiert werden müssen – ein Unterfangen, das zumindest mehrere Monate in Anspruch nimmt. Die Digitalisierung der Unternehmen betrifft interne Abläufe ebenso wie Planungssysteme und ist die Basis, um künftig im Wettbewerb bestehen zu können.  Anpassungsfähigkeit und Flexibilität zählen für Franz Semmernegg, CFO der Kapsch Group, dabei zu den größten Herausforderungen: »Gerade im Technologiesektor ändern sich die Rahmenbedingungen immer schneller, immer öfter gilt es den eingeschlagenen Kurs anzupassen. Kennzahlen sind laufend verfügbar, Szenariorechnungen und rollierende Forecasts sind stets zu berücksichtigen.«

Das Controlling nimmt als Datenlieferant eine zentrale Rolle ein – unter den Prämissen von Transparenz und Risk Management. »Das Controlling ist gefordert, übergreifende Vorgaben und eine klare Governance zu erarbeiten. Diese geben vor, wie mit Daten, Risiken und Chancen umzugehen ist, damit Analysen zu keiner Fehlentscheidung führen«, erklärt Sylvia Bardach, CFO des Technologiekonzerns Frequentis. Standardisierte und automatisierte Prozesse verbessern in der Regel die Qualität der Daten und sorgen für höhere Vergleichbarkeit und Transparenz, was sich wiederum positiv auf die Unternehmensplanung auswirkt.

»Finanzielle Transparenz ist die Basis für eine aktive Steuerung. Neben einem verständlichen und relevanten Reporting als Grundlage werden vor allem die Aspekte Geschäftsnähe und Zukunftsorientierung zentrale Anforderungen an das Controlling sein«, sagt Josef Halbmayr, CFO der ÖBB-Holding. Einheitliche Strukturen sind dafür Voraussetzung, wie Halbmayr anhand eines Beispiels erläutert: »Ein Meilenstein für die ÖBB war die Einführung des Planungssystems SPRINT. Wir haben damit sieben unterschiedliche Systeme zu einem konzernweit einheitlichen System harmonisiert. Die Voraussagequalität der Planung wurde durch einen hohen Grad an Integration verbessert und die Transparenz der Planung – als Basis für die Konzernsteuerung – erhöht.«

Für Miba-CFO Markus Hofer gilt es angesichts des »information overloads«, die strategische Ausrichtung nicht aus den Augen zu verlieren: »In einem Umfeld, das durch rasch wechselnde Informationsflutwellen gekennzeichnet ist, wird es mehr und mehr die Aufgabe des CFOs, sicherzustellen, dass die Organisation die Energie und Ressourcen zur Erreichung der langfristigen Strategieziele fokussiert und nicht ständig Richtungswechsel in volatilen Umfeldbedingungen vollzieht.«

Mitarbeiter weiterbilden

Im personellen Bereich, aber auch in der Vernetzung der Unternehmensbereiche besteht durchaus noch Nachholbedarf. »Mitarbeiter im Bereich Controlling und Finanzen müssen für die Erstellung und Pflege der Unternehmensmodelle qualifiziert werden. Manager müssen Strukturen schaffen, die es ermöglichen, die Dynamik der Daten zu beherrschen«, meint Frequentis-CFO Sylvia Bardach.

Zuständigkeiten sind klar zu regeln, um Redundanzen zu vermeiden. Nicht alle Kennzahlen, die das IT-System in Echtzeit liefern kann, sind auch tatsächlich für das Tagesgeschäft relevant. Die Entscheidung, welche Daten zur Analyse herangezogen werden, obliegt dem Finanzvorstand und seinem Team. Eine Aufstockung der Mitarbeiter in der Finanzabteilung zu fordern, lohnt sich angesichts der wachsenden Aufgabenbereiche allemal.

Unternehmensberater Sven Hennige, Managing Director bei Robert Half, rät CFOs hinsichtlich notwendiger Ressourcen zu mehr Nachdruck: »Das gilt gerade bei Themen wie der Investition in aktuelle Finanzsoftware, der Einstellung qualifizierter und Weiterbildung bestehender Mitarbeiter. Denn mit veralteten Systemen, personellen Lücken und fehlenden Kompetenzen werden es die
Finanzabteilungen nicht nur mit dem digitalen Wandel schwer haben, sondern auch damit, die an sie gestellten Anforderungen zu erfüllen.«

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