Sonntag, Dezember 22, 2024

Wer auf seine Gesundheit achten muss, sollte sich vom Fernseher fernhalten. Und zwar nicht nur von den Nachrichten.

Ein Verpackungshinweis von Rainer Sigl.

 

Ich sag Ihnen eines: Fernsehen ist ungesund. Nach diesem unerfreulichen Zwischenfall letzten Monat, als ich mich nach der »ZiB 2«  für zwölf Stunden hemmungslos schluchzend ins Besenkammerl verkriechen musste, herrscht bei mir zu Hause eine neue Fernsehregelung, die meine in Anbetracht  der wirtschaftlichen, ökologischen und moralischen Dauerkatastrophen im TV erstaunlich gelassen bleibende Gattin erlassen hat. Die Nachrichten sind, so wurde mir mitgeteilt, ab sofort für mich tabu, der Teletext-Knopf wurde aus der Fernbedienung gerupft und die Abendgestaltung besteht nun nicht mehr aus »Auslandsjournal« und »Eco«, sondern nur mehr aus Rosamunde-Pilcher-Wiederholungen, dem »Landarzt«, »Vera« und hin und wieder MTV. Weil, so meine bessere Hälfte, sonst reg ich mich zu viel auf, und überhaupt, ich sei zu negativ. Ich sag Ihnen: Es hat gewirkt, und zwar besser als ein Morphintropf. Oder besser gesagt: Es hätte gewirkt, wenn da nicht diese verdammte Werbung wäre.

Jetzt, wo mein Gehirn nicht mehr andauernd damit beschäftigt ist, die Untergangsszenarien aus den Nachrichten durch Adrenalindauerausstoß und Panikattacken zu verdauen, sehe ich sozusagen viel klarer, womit die Werbewirtschaft zwischen den Hiobsbotschaften unser Unterbewusstsein bewirft. In der Trinkjoghurt-Werbung wird’s am offensichtlichsten: Der arme Herbert, ebenso angstgebeutelt vom Leben wie ich und jeder andere vernünftige Mensch, dem da von seiner Gattin mit dem Charme einer resoluten Straflagerkommandantin gegen jegliche Angstneurose das picksüße Molkereiprodukt eingeflößt wird – ich sag’s Ihnen, da gab’s neulich fast Streit mit meiner Chefin, die meiner polemischen Ansage, dass die Trinkkur den Herbert nur dann von seinen durchaus rationalen Ängsten befreien würde, wenn statt Lactobacillus eine zünftige Portion Zyankali im Flascherl wäre, nicht so ganz folgen wollte.

Letzte Woche gab’s den nächsten Eklat, als ich zwischen »Landarzt« und dem Film mit der Hörbiger bei diesem Fondssparen-Werbespot einen leichten zweistündigen Weinkrampf bekommen habe, und meine depressive Grundstimmung ließ sich nicht einmal durch das Bioschweinderl und seinen Bauern aufheitern, weil mir halt immer wieder plötzlich die Frage eingeschossen ist, woraus beim Biobauern die Frankfurter gemacht werden und ob das herzige Ferkel nicht doch auch in die Bio-Würscht kommt. Ja, natürlich ist mein Nervenkostüm angegriffen, aber im Rückblick war die Entscheidung meiner besorgten Gemahlin, mir die Fernbedienung ganz wegzunehmen und mich zur Sicherheit, während sie einkaufen geht, nur mehr Musikfernsehen schauen zu lassen, halt grad das Falsche.

Stimmt schon, vom Fondssparen und vom Herbert war hier weniger zu sehen, aber dafür musste ich in den folgenden zwei Stunden mit sofort einsetzender Gehirnlähmung die allertiefste Form des Kaufanreizes erleiden, die unsere an Grausamkeiten nicht arme Spezies jemals hervorgebracht hat: die Klingeltonwerbung. Grafisch ähnlich geschickt gestaltet wie die Tabellenkalkulation eines farbenblinden Steuerprüfers, von der gefühlten Länge eines besonders öden »Wort am Sonntag« und mit der Subtilität eines betonbrechenden Presslufthammers wurde mir in den zwei Stunden meines Martyriums wiederholt eine mindestens zwanzig Positionen umfassende Liste aktueller Klingeltonangebote inklusive SMS-Code vorgelesen – vorgetragen von einem eigens für den österreichischen Markt nach Sprachstörungskriterien ausgesuchten Brüllaffenkleinhirnbesitzer, den ich, so wahr mir Gott helfe, sobald ich ihn irgendwo in einer finsteren Gasse an der penetranten Stimme erkenne, ungespitzt in die tieferen Erdschichten des Planeten rammen werde – als gute Tat fürs Allgemeinwohl.

Gut, dass ich den Fernseher aus dem Fenster geschmissen habe, war etwas überreagiert, aber inzwischen geht’s mir schon viel besser. Meine Gattin hat mir nämlich von einem hervorragenden Psychologen eine entspannende Dosis an Glückspillen verschreiben lassen, und wenn ich die schlucke, steh ich sogar die »ZiB 2« wieder mit einem verträumten Grinsen durch. Nur wenn wo ein Handy klingelt, zuck ich noch zusammen. Aber das Allerbeste ist: Mit dem Trinkjoghurt gemeinsam genommen, haut das Zeug auch fast gar nimmer auf den Magen. Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.

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