Olivier Reynaud, Executive Director bei Michael Page Austria, sieht die Verantwortung für die Förderung und Bindung von Mitarbeitern beim Management.
(+) plus: Im »Global HR Barometer 2013« gab die Hälfte der Befragten an, die Suche nach geeigneten Kandidaten sei »schwierig« bis »sehr schwierig«. Sind Unternehmen zunehmend mit der Rekrutierung von Mitarbeitern überfordert?
Olivier Reynaud: Die Firmen sind sehr anspruchsvoll und suchen nach Talenten. Es gibt in der DACH-Region viele ältere Arbeitnehmer, aber wenig Nachwuchs. Die Kandidaten sollten mehrere Sprachen beherrschen, im Ausland studiert haben und möglichst für mehrere Bereiche qualifiziert sein – nicht nur in Finance, sondern auch IT oder Sales. Gute Kandidaten sind sehr gefragt und bekommen zwei oder drei Angebote innerhalb weniger Wochen.
(+) plus: Der Fachkräftemangel könnte durch gezielte Frauenförderung zumindest entschärft werden. Warum geht in diesem Bereich seit Jahrzehnten nichts weiter?
Reynaud: Auf dem Arbeitsmarkt gibt es ungefähr die Hälfte Frauen und Männer, auf der Managerebene bleiben vielleicht 20 % Frauen. In Europa sind es noch weniger. In der Automotive-Branche einen weiblichen Entwicklungsingenieur zu finden, ist fast unmöglich. Auch in der Baubranche sind die Projektmanager eher Männer. Der HR-Bereich oder die Kosmetikindustrie sind dagegen von Frauen dominiert. Bei uns im Consulting ist das Verhältnis 50:50.
Wir haben selbst im Unternehmen das Programm Women@Page gestartet, um Frauen stärker zu fördern, zu binden und den Wiedereinstieg zu erleichtern. Wir versuchen dieses Modell auch in Events mit unseren Kunden zu promoten. Erst vorige Woche hatten wir eine Veranstaltung in Frankfurt mit rund 50 Frauen, die Karriere gemacht haben und erzählen, wie man sich in einer Firma weiterentwickeln kann.
(+) plus: Die Talentesuche gestaltet sich offensichtlich schwierig. Warum setzen Arbeitgeber nicht alles daran, um ihre Mitarbeiter möglichst lange im Unternehmen zu halten?
Reynaud: Es passiert nicht genug. Das ist auch eine Führungsfrage. Ein Manager muss sein Team zu Höchstleistungen führen, ist aber gleichzeitig für das Betriebsklima verantwortlich. Die Teams sind immer internationaler zusammengesetzt. Deshalb sollten schon die Manager besser geschult werden.
(+) plus: Welche Rolle spielen die unterschiedlichen Generationen?
Reynaud: Junge Leute sind nicht so fest mit einer Firma verbunden, sie sind meist nach zwei, drei Jahren weg. Umgekehrt denken auch die Unternehmen manchmal sehr kurzfristig und entlassen in Abbauphasen gleich einmal 100 Mitarbeiter. Die Wirtschaft ist sehr brutal. Mitarbeiter sind der wichtigste Wert einer Firma. In der Forschung und Entwicklung wiegt der Verlust möglicherweise schwerer als beispielsweise im Verkauf. Wenn Sie von zehn Sales-Mitarbeitern zwei verlieren, sind die Einbußen an Know-how weniger schlimm. Was Österreich sehr gut macht, ist der Einsatz von Kurzarbeit, mit der die Leute auch bei schlechter Konjunktur an Bord gehalten werden.
(+) plus: Was sind die wesentlichen Instrumente der Mitarbeiterbindung?
Reynaud: Work-Life-Balance, Gehalt und Weiterbildung sind die drei wesentlichen Kriterien. Die Menschen kalkulieren das Gesamtpaket: Wie viele Stunden muss ich arbeiten, bleibt mir genug Privatleben und wie kann ich mich weiterentwickeln? Jeder Mitarbeiter hat andere Prioritäten. Um das herauszufinden, müssen die Führungskräfte regelmäßig Gespräche führen. Man muss Talente gut betreuen, ihre Mobilität fördern. Unternehmen mit vielen Auslandsniederlassungen sind im Vorteil: Sie können in Zürich, Singapur oder Brasilien arbeiten und dann wieder zurückkommen. Wenn das Geschäftsfeld zu lokal aufgebaut ist, langweilen sich gute Mitarbeiter. Sie können ihre Sprachkenntnisse nicht nützen und bleiben möglicherweise nicht lange in der Firma.
(+) plus: Ist die jüngere Generation weniger karriereorientiert?
Reynaud: Die jungen Leute haben Glück, sie können heute von Job zu Job zappen. Ab 30, 35 Jahren sollten sie aber auf Stabilität achten, um auf dem Arbeitsmarkt Glaubwürdigkeit zu haben. Man muss jeden Schritt im Lebenslauf erklären können. Junge sind oft ein bisschen ungeduldig – wenn etwas nicht sofort klappt, sind sie enttäuscht und gehen.