2023 war kein schlechtes Jahr für Aktien. Ob es auch im neuen Jahr Chancen auf gute Renditen gibt, darin sind sich die Analyst*innen uneinig. Die Kapitalmärkte bleiben volatil, angesichts der vielen Krisenherde will keine Partystimmung aufkommen.
Text: Angela Heissenberger
Das Börsenunwort des Jahres 2023 »Stagflation« beschreibt treffend, was die Nerven der Unternehmen und Investor*innen in diesem Jahr besonders strapaziert hat: hohes Zinsniveau, anhaltende Inflation, schwache Konjunktur. »Diese Rahmenbedingungen haben zu einer Seitwärtsbewegung an den Märkten beigetragen«, sagt Christoph Boschan, Vorstand der Wiener Börse.
2023 hatten US-Aktien deutlich die Nase vorne. Das Plus von rund 15 Prozent wurde vor allem von den großen Technologietiteln getragen. Der KI-Boom könnte noch länger Aufwind bringen, weniger optimistische Fachleute sehen hier bereits dünnere Luft nach oben. Mit den »Magnificent Seven« – die Technologiekonzerne Apple, Alphabet, Amazon, Microsoft, Nvidia, Meta und Tesla – könnten zwar auch heuer noch »etwas bessere Renditen« erzielt werden, wie David Kostin, Chefstratege bei Goldman Sachs Research, erklärte, »jedoch nicht annähernd den dramatischen Unterschied, den wir 2023 gesehen haben«. Hinter Japan (plus 9 %) und Europa (plus 7,5 %) enttäuschten chinesische Aktien mit einem Minus von 9,4 %. Die Verlangsamung der Wirtschaft in China dürfte sich weiter fortsetzen. Insgesamt sollte das globale Wachstum aber durch die fiskalpolitischen Maßnahmen und die Zinssenkungen der Zentralbanken Rückenwind bekommen.
Während die US-Märkte angesichts der erwarteten Zinssenkung durch die US-Notenbank Fed bereits wieder positiv gestimmt sind, bereiten in Europa die hohe Inflation und die Kriege in der Ukraine und Nahost weiterhin Sorgen. Steigende Reallöhne und mögliche Zinssenkungen im zweiten Halbjahr 2024 sollten den Konsum und die Investitionstätigkeit wieder ankurbeln. Allerdings sind die Prognosen für Deutschland – immerhin Österreichs engster Wirtschaftspartner – deutlich trüber, was sich auch auf den DAX-Kurserwartungen niederschlägt.
ATX mit Aufholpotenzial
Auch an der Wiener Börse hatten sich viele Anleger*innen 2023 mehr erhofft. Im internationalen Vergleich zeigte der ATX ohne Dividenden mit einem Plus von nur 9,2 Prozent eine eher durchschnittliche Entwicklung. Viele österreichische Unternehmen sind stark in Zentral- und Osteuropa verwurzelt, weshalb aufgrund der geopolitischen Situation vor allem ausländische Investoren nach wie vor zurückhaltend agieren.
Andererseits hat sich gerade CEE in der Vergangenheit stets als verlässliche Wachstumsregion präsentiert – »darin liegt zugleich auch die Chance für die österreichischen Leitbetriebe«, meint Börse-Chef Boschan. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt nahe dem historischen Tiefststand (7,7 x), die Dividende des ATX mit rund sechs Prozent hingegen auf einem Höchststand. Die Bewertungen sind durchwegs niedrig, was einige Titel jedoch für eine Aufholjagd im neuen Jahr in den Fokus rückt. Die Top-Performer im ATX waren zum Jahreswechsel Immofinanz (75,99 %), EVN (67,75 %) und Telekom Austria (52,98 %).
Attraktive Bewertungen
Trotz des schwierigen Umfelds ist die Bewertung europäischer Aktien durchaus attraktiv. Anleihen haben es hingegen in diesem Spannungsfeld schwer. Ein zweites Verlustjahr in Folge scheint zwar unwahrscheinlich, mit großen Renditen ist allerdings nicht zu rechnen. Auch Gold hat in den letzten Monaten stark zugelegt; diese Assetklasse wird noch immer von vielen Anleger*innen als sicherer Hafen geschätzt.
Insgesamt stehen die Zeichen vorerst auf leichte Entspannung. 2024 könnte ein gutes Jahr für Anleger*innen werden, vielleicht das beste seit 2019 – so nicht ein neuer Krisenherd auf-flammt oder sich der Konflikt im Nahen Osten stark ausweitet. Wo sich Investments lohnen, hat Report(+) bei Österreichs Top-Analysten nachgefragt: Anlegen wie ein Profi