Mag der Aufstieg noch so glanzvoll sein – wie das Beispiel Signa zeigt, kann auf jeden Höhenflug auch ein Absturz folgen. Den schmerzhaften Aufprall abzufedern, ist das Ziel der Krisenkommunikation. Wer sich strategisch gut anstellt,kann seinem Unternehmen nach der Krise wieder Flügel verleihen.
Text: Sarah Bloos
Flugzeugabstürze, Softwarefehler oder abfallende Wandteile – wenn es um Negativ-Schlagzeilen geht, können nur wenige Boeing das Wasser reichen. Und auch die Reaktionen des Konzerns lassen eher zu wünschen übrig: Beim Absturz der 737 Max 2019 reagierte der Konzern verzögert und nur wenig mitfühlend. Erst als die FAA die Flugzeuge vorerst aus dem Luftraum verbannte, gab Konzernchef Dennis Muilenburg ein offizielles Statement ab. Zu spät: In den Medien war Boeing bereits ein »kaltes Unternehmen ohne Gesicht«, das sich um die Sorgen und Ängste seiner Passagiere offenbar nur wenig kümmert.
Ein solcher PR-GAU tritt zum Glück nur selten ein. Boeing scheint aus seinen Fehlern gelernt zu haben – die letzten Reaktionen zeigten, dass sich der Konzern diesmal um eine offene Kommunikation bemüht. Aber das Beispiel zeigt, wie die eigene Kommunikationsstrategie schnell zum Verhängnis werden kann. Nichts schmerzt so sehr wie eine verlorene Reputation – denn daran hängt die wirtschaftliche Zukunft eines Unternehmens.
Wichtige Schritte in der Krise
- Ruhe bewahren: Empfehlenswert ist, sich eine externe Krisenberatung als Unterstützung zu holen. Interne Kommunikation vor externer Kommunikation!
- Wenn nicht bereits geregelt: Krisenstab festlegen, Verantwortlichkeiten klären, Ansprechpartner*innen für Mitarbeitende und Medien identifizieren. Mit der Rechtsabteilung abstimmen und jeden Schritt besprechen. Hier ist rasches Handeln gefragt!
- Erstes Statement: Das sollte ehrlich und authentisch, bestenfalls persönlich erfolgen. Aufklärungswillen und Problembewusstsein signalisieren.
- Informationsoffensive: Unternehmenskanäle (Intranet und Webseite) sowie Presseportale mit dem aktuellen Fortschritt bespielen.
- Reagieren: Abschotten ist nicht die Lösung. Auf Anfragen reagieren, Stimmen von Kundschaft und Partnern ernst nehmen. Social Media hilft bei der Stimmungsabfrage.
- Krise lösen: Ist das Problem gelöst, ein finales, klärendes Statement absetzen.
Prävention schlägt Intervention
Generell gilt: Wer gut vorbereitet ist, gerät später nicht in Panik. Die Frage, welche Krisen das eigene Unternehmen überhaupt betreffen könnten, ist dabei zuerst zu klären. Hier sollte man nicht nur seinem Bauchgefühl vertrauen, sondern auch Hinweisen von Mitarbeitenden nachgehen. Bei der Einordnung potenzieller Risiken helfen Bewertungsschemata, bei denen beispielsweise folgende Fragen mit Punkten bewertet werden: Wie groß wäre die Auswirkung auf den Marktwert? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Thema medial Wellen schlägt? Und: Wie viele wissen davon?
Ein solches »Frühwarnsystem« helfe zu erkennen, »ob und wann sich eine Krise anbahnt«, erklärt Susanne Hudelist, Geschäftsführerin der PR-Agentur ikp. Aus den Erkenntnissen erstellt man einen Krisenplan, »der Verantwortlichkeiten festlegt und im Idealfall auch für die wichtigsten Szenarien bereits vorgefertigte Wordings enthält«, empfiehlt Andrea Pengl-Böhm, PR-Expertin und Dipl. Trainerin für Erwachsenenbildung. Wichtig ist vor allem, dass Rollen klar verteilt sind und Informationskanäle feststehen. Wer muss zuerst informiert werden, wer spricht zu den Medien und wer leiht der »Krise ein Gesicht«?
Im Krisenfall: Ruhe bewahren
»Wenn jemand persönlich zu den Betroffenen und der Öffentlichkeit spricht, hat das mehr Gewicht«, meint Annabel Loebell, Geschäftsführerin der Agentur LOEBELL NORDBERG. Infrage kommen Geschäftsführer, CEO oder auch der Pressesprecher, »wichtig ist aber, dass das Gegenüber authentisch wirkt«. Die erste Reaktion sollte zeitnah, aber überlegt erfolgen. »Ein klassisches Statement wäre: ›Ja, der Vorfall xy ist passiert. Das tut uns sehr leid. Wir setzen alles daran, eine rasche Lösung zu finden und wir melden uns bei Ihnen, sobald wir mehr wissen‹«, rät Hudelist.
Bevor Unternehmen an die Öffentlichkeit gehen, sollten sie jedoch ihre eigenen Mitarbeiter*innen informieren, betont Grazia Nordberg, ebenfalls Geschäftsführerin bei LOEBELL NORDBERG. »Es gilt: Interne Kommunikation vor externer Kommunikation.« Die Loyalität der eigenen Mitarbeitenden aufs Spiel zu setzen, wäre fatal: Sie stehen tagtäglich mit ihrem Gesicht fürs Unternehmen und sie sind Multiplikatoren. Danach sollte über alle unternehmenseigenen Kanäle – Webseite, Intranet und Social Media mit der Öffentlichkeit kommuniziert werden. Auch Presseportale wie die OTS bieten sich an, um die eigene Botschaft zu vermitteln und den Informationsfluss zu prägen.
Zu schweigen, keine Ansprechpartner anzubieten, die Unwahrheit zu behaupten oder das Geschehene abzuwiegeln sind absolute No-Gos, das Problem sollte anerkannt werden. Hier ist jedoch Achtsamkeit geboten: Was von dem Gesagten ist rechtlich angreifbar? Jeder Schritt und jedes Wort sollte unbedingt mit der Rechtsabteilung abgesprochen werden.
Wenn der Wind sich dreht
Legt sich der Sturm, so gilt es, das Vertrauen bei Kunden und Partnern wieder herzustellen. »Die Message sollte lauten: Wir haben unsere Lektion gelernt!«, legt Othmar Prizovsky, Geschäftsführer der Agentur Prizovsky & Partner, nahe. Konkrete Verbesserungen sollten kommuniziert, und der Krise dann ein »Ende« gegeben werden. Dafür eignet sich ein klares Statement, auf das später auch verwiesen werden kann. Wie lange eine Krise anhält, ist von Fall zu Fall verschieden. Abhängig vom Vorfall kann sie von einer Woche bis hin zu mehreren Monaten dauern. Durch gutes Storytelling kann danach die Reputation wieder aufgebaut werden. Wer die Krise gut managt, respektvoll und ehrlich kommuniziert, gewinnt an Glaubwürdigkeit. So kann aus einer Krise auch eine neue Chance werden.
Das sagen die Experten
Wer keine große Unternehmens-PR hat, sollte vor und während der Krise auf die Hilfe von Expert*innen zurückgreifen.
Die Musik spielt den Ton
Fehler passieren. Wichtig ist, wie man mit ihnen umgeht. Das betonen Grazia Nordberg und Annabel Loebell, Geschäftsführerinnen der Agentur LOEBELL NORDBERG. Im Moment der Panik hilft der geschulte Blick von außen. Neben Erfahrung bringen Krisenberater*innen auch ein großes Medien-Netzwerk und SEO-Expertise mit. »Wer sich mit Algorithmen auskennt, kann den Diskurs geschickt prägen«, erklärt Loebell. Dazu gehören die Suchergebnisse auf Google, aber auch die Kommentarspalten auf Social Media: »Man sollte nicht nur auf negative, sondern vor allem auf positive Kommentare reagieren – diese werden dann mehr Menschen angezeigt.« Wer schnell und professionell reagiert, könne trotz Krise mit gutem Management und Kundenservice punkten.
Keine Überraschungen
PR-Experte Othmar Prizovsky ist seit 25 Jahren im Geschäft und kennt die Höhen und Tiefen, die Unternehmen durchleben. »Das Image ist wie ein Aktienkurs. Zwar wird es bei der Krise einbrechen, aber wichtig ist, von welcher Baseline aus.« Damit die Krise gar nicht erst eintritt, setzt seine Agentur auf strategische Vorbereitung: »Wir versuchen, durch regelmäßiges Screening festzustellen, wo potenzielle Risiken bestehen und uns aktiv vorzubereiten.« Im Falle des Falles empfiehlt er eine »Informations-Offensive«, das heißt, Pressemeldungen herausgeben und über Entwicklungen selbstständig informieren, so könne man Fakten und Frequenz der Berichterstattung beeinflussen. Jedoch: »Niemals falsche Informationen veröffentlichen, nur weil man schnell sein möchte – sonst macht man sich in Zukunft angreifbar!«
Hellhörig bleiben
»Gute Kommunikation und Beziehungen zu Kund*innen und Partner*innen müssen immer im Fokus stehen, nicht erst, wenn’s kracht«, findet Susanne Hudelist, ikp-Geschäftsführerin. Dazu gehöre auch, sich regelmäßig Feedback einzuholen. »Tatsächlich kann jede ›kleine‹ Beschwerde oder negative Aussage zu einer (medialen) Krise werden. Daher der Tipp: Alle Misstöne ernst nehmen und reagieren, sei es mit einer offenen Nachfrage, einem Dialogangebot oder einfach einer näheren Erklärung.« Lässt sich die Krise nicht abwenden, können so immerhin Texte und Wordings vorformuliert werden. »Bei größeren Krisen hilft auch eine im Vorfeld eingerichtete Landingpage, die rasch live gehen kann und alle Informationen und Kontaktmöglichkeiten abbildet«, empfiehlt sie.
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