Donnerstag, Juli 18, 2024
62 Tage gratis arbeiten 
Gleichstellung im Beruf? Zumindest beim Gehalt besteht hier noch Verbesserungsbedarf. (Credit: iStock)

Am 31. Oktober ist Equal Pay Day: An diesem Tag haben Österreichs Männer in Vollzeitbeschäftigung so viel verdient wie Frauen das ganze Jahr. Von mehreren Seiten wird Lohntransparenz gefordert. 

Der Gender Pay Gap zwischen Frauen und Männern in Vollbeschäftigung beträgt heuer rund 9.500 Euro pro Jahr bzw. 16,9 Prozent. Am 31. Oktober 2023 haben Männer bereits das durchschnittliche Jahresgehalt von Frauen erreicht. Frauen arbeiten in Österreich – statistisch gesehen – 62 Tage gratis. Im EU-Vergleich zählt Österreich damit zu den Schlusslichtern; hier liegt der Schnitt bei 12,7 Prozent.

Die Einkommensschere ergibt sich zum Teil durch die stark konservativ geprägte Gesellschaft in Österreich. Frauen arbeiten vermehrt im Niedriglohnsektor und in Berufen und Branchen, die traditionell Frauen zugeordnet werden. Wie das Momentum Institut nachwies, spielt hingegen Mutterschaft nur eine untergeordnete Rolle: Bei kinderlosen Frauen und Müttern ist die Lohnlücke im Vergleich zu Vätern fast ident. Frauen erhalten somit weniger Gehalt als Väter – egal ob mit oder ohne Kind.


Laut Statistik Austria (Daten: Eurostat) steht Österreich im Geschlechtervergleich beim Gehalt besonders schlecht da - der Gender Pay Gap hat sich im Vergleich 2023 - 2021 nur geringfügig geschlossen. (Grafik: Statistik Austria, Unterschied zwischen den durchschnittlichen Bruttolohnstundenverdiensten von Frauen und Männern in Unternehmen mit zehn und mehr Beschäftigten in der Privatwirtschaft (ohne Anpassungen))

Benachteiligung von Anfang an

Diese Ungleichbehandlung beginnt schon beim Start ins Berufsleben. »Unsere Umfragen unter Student*innen zeigen, dass weibliche Studierende, die ins Berufsleben eintreten, bereits etwa 7.000 Euro weniger Gehalt erwarten als ihre männlichen Kommilitonen«, erklärt Nikolai Dürhammer, Geschäftsführer von Stepstone Österreich und Schweiz. Diese Gehaltslücke wird im Laufe ihrer Karriere immer größer – aufgrund von Betreuungspflichten während der Mutterschaft und weil sie bei Beförderungen übergangen werden. Bei Beschäftigten mit mehr als 25 Jahren Berufserfahrung liegt die Gehaltsdifferenz bereits bei 17,4 Prozent.

Auch die Erziehung und gesellschaftliche (Dis-)Position junger Mädchen und Frauen spiele beim Gender Pay Gap eine Rolle, meint Monika Köppl-Turyna, Eco Austria. Frauen würden von klein auf für Berufe begeistert, die generell schlechter bezahlt sind. (Foto: Eco Austria)

Viele Frauen kommen aber gar nicht erst zu einer Vollzeitstelle oder gar in eine Führungsposition, wie die Ökonomin Monika Köppl-Turyna, Direktorin von Eco Austria, erklärt: Frauen würden von klein auf für Berufe begeistert, die generell schlechter bezahlt sind, und vorwiegend in kleineren Unternehmen arbeiten, die niedrigere Gehälter bieten. Um »nebenbei« Betreuungspflichten und Haushalt erledigen zu können, wählen sie Jobs ohne Überstunden, dafür mit Möglichkeit zu Homeoffice und Teilzeitarbeit. Der Preis für diese Flexibilität: Benachteiligungen auf dem Karriereweg. Die Wirtschaftswissenschafterin Claudia Goldin, die heuer mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet wurde, hat diese Mechanismen in ihren Arbeiten anschaulich seziert.

Verhandlungsgeschick zählt nicht

Expert*innen fordern seit langem mehr Transparenz bei Löhnen und Gehältern, etwa über verpflichtende, dem Betriebsrat zugängliche Einkommensberichte, in denen die einzelnen Gehaltsbestandteile angeführt werden. Eine Richtlinie zur Lohntransparenz wurde von den EU-Mitgliedstaaten beschlossen und muss bis spätestens 7. Juni 2026 umgesetzt sein. Ein Kommentar (Ungleiches Entgelt zahlt sich nicht aus) von Ramona Maurer und Nicolaus Mels-Colloredo, Kanzlei PHH Rechtsanwält*innen, ist dazu im aktuellen Report(+)PLUS zu finden. Die beiden Jurist*innen beziehen sich auf ein Urteil des deutschen Bundesarbeitsgerichts, das klar feststellte: Besseres Verhandlungsgeschick ist kein Argument für unterschiedliche Bezahlung.

»Die durchschnittliche Gehaltssituation von Frauen verändert sich nur langsam«, meint Sandra Bascha, New Work SE. (Foto: Rafaela Pröll)

Die Unzufriedenheit mit dem Gehalt führt indessen zu erhöhter Bereitschaft zum Jobwechsel, wie eine Langzeitstudie von forsa im Auftrag von XING belegt: 51 Prozent der erwerbstätigen Frauen überlegen, eine andere Arbeitsstelle zu suchen. Das am häufigsten genannte Motiv dafür: das zu niedrige Gehalt. Bei Männern ist die Unzufriedenheit mit der Bezahlung schwächer ausgeprägt. »Der Arbeitsmarkt ist in einem Transformationsprozess. Vieles entwickelt und verändert sich rasch – die durchschnittliche Gehaltssituation von Frauen allerdings nur langsam, wie man an den aktuellen Zahlen sieht«, meint Sandra Bascha, Leitung Kommunikation Österreich New Work SE, zu der auch das Jobs-Netzwerk XING gehört: »Gehaltstransparenz in Unternehmen ist ein erster Schritt in Richtung Equal Pay.«

(Titelbild: iStock)

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