Sonntag, Dezember 22, 2024
Wird Bodenaushub zur begehrten Ressource?
Bild: iStock

Knapp 60 Prozent des gesamten österreichischen Abfalls wird durch Bodenaushub verursacht, zum Beispiel beim Straßen- oder Wohnbau. Der Großteil davon wird deponiert. Eine neue Verordnung will das ändern, und Bodenaushub als recycelbaren Wertstoff statt als Abfall einstufen. Der Verband Österreichischer Entsorgungsbetriebe (VOEB) begrüßt die Initiative und rechnet mit einem massiven Anstieg an Recycling-Baustoffen sowie einem hohen CO2-Einsparungspotenzial durch das Wegfallen von klimaschädlichen Transportwegen.


In Österreich fallen jährlich mehr als 40 Mio. Tonnen Bodenaushub an, zum Beispiel beim Hochbau und Tunnelbau, dem Bau von Netzwerken wie der Wasserversorgung oder sonstigen Infrastrukturprojekten. Bodenaushub meint Bodenabfälle, die im Rahmen von Baumaßnahmen aus dem Boden bzw. der Erde ausgehoben wurden. Dieser muss nicht zwingend aus Erde bestehen, sondern kann beispielsweise Schotter, Sand, Lehm oder Ton beinhalten.

Gemäß der geltenden Gesetzgebung wird Bodenaushub derzeit als Abfall betrachtet. Die weitere Behandlung unterliegt somit dem strengen Abfallrecht und führt dazu, dass rund 27 Mio. Tonnen davon deponiert werden müssen. In Zeiten von Ressourcenknappheit wird die Kritik an dieser Praxis immer größer, vielmehr sollte qualitativ hochwertiger Bodenaushub als Wertstoff eingestuft werden, um ihn ohne viel administrativen Aufwand für Auffüllarbeiten weiterzuverwenden und zu neuen Baustoffen zu verarbeiten. Das ist im Nachbarland Deutschland schon seit Jahren Usus.

90 Prozent des Bodenaushubs verwerten
Alois Fürnkranz, Regionalvorstand Wien und VOEB-Experte für Baurecycling, ist überzeugt, dass Bodenaushub in Zukunft zum begehrten Wertstoff wird: „90 Prozent des klassischen Bodenaushubs eignen sich problemlos für den Einsatz bei Erdbauarbeiten sowie zur Herstellung von Recycling-Baustoffen, Beton oder Asphalt. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft sollten diese Möglichkeiten in vollem Umfang genutzt werden.“ Aktuell werden jedoch nur 7,6 Mio. Tonnen des jährlichen Bodenaushubs stofflich verwertet. Im Vergleich dazu landen rund 27 Mio. Tonnen auf sogenannten „Bodenaushubdeponien“. Fürnkranz: „Diese Deponien sind für die Bauwirtschaft von enormer Bedeutung, weil nach der aktuellen Rechtslage Bodenaushub nicht anders genutzt werden kann. Im Klartext heißt das: Ohne Deponien keine Bauprojekte. Aber diese Deponien platzen aus allen Nähten und sind immer weiter von Ballungsräumen entfernt. Es ist also höchste Zeit, neue Lösungen zu finden und vor allem der Umwelt zuliebe endlich die stoffliche Verwertung von Bodenaushub zu erleichtern.“

Zwischen 30.000 und 50.000 Tonnen weniger CO2-Äquivalente
Am effizientesten wäre es, wenn der Bodenaushub direkt vor Ort wieder recycelt bzw. verwendet wird, beispielsweise für Anschüttungen oder Verdichtungen von Straßen. Damit könnte Aushub unmittelbar im Kreislauf geführt werden. So fallen auch Transportwege zu den Deponien weg, was zu enormen CO2-Einsparungen führt. Eine Berechnung des VOEB ergibt, dass bei 27 Mio. Tonnen Bodenaushub, der rund 30 km bis zur nächsten Deponie transportiert werden muss, jährlich zwischen 30.000 und 50.000 Tonnen CO2-Äquivalente verursacht werden. Wird Bodenaushub nicht mehr als Abfall betrachtet, könnten diese Transportwege wegfallen und somit Treibhausgase eingespart werden.

Die Abfall- und Ressourcenwirtschaft ist bereits heute Vorreiter beim Sparen von Emissionen und jener Sektor mit dem größten Rückgang an Treibhausgasen, heißt es beim VOEB. Seit 1990 verringerten sich der CO2-Ausstoß der Branche von 4,7 auf 2,3 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent. Das entspricht einem Rückgang von minus 51 Prozent.

Passend dazu lauten die Vorgaben der Abfallrahmen-Richtlinie der EU, dass Abfall im Optimalfall stets verwertet, natürliche Rohstoffquellen erhalten und eine Recycling-Wirtschaft gefördert werden soll. Konkret sieht daher auch die österreichische Kreislaufstrategie vor, dass bis 2030 insgesamt 25 Prozent weniger Primärrohstoffe zum Einsatz kommen. Für die Bauwirtschaft, die jährlich 100 Mio. Tonnen Baurohstoffe im Jahr benötigt, bedeutet das 25 Mio. Tonnen weniger Einsatz von Primärbaustoffen.

„Stattdessen könnten wir die Ressource Bodenaushub nutzen“, so Fürnkranz. „Expert:innen gehen davon aus, dass wenn nur ein Drittel des Bodenaushubs zusätzlich stofflich verwertet wird, bereits zehn Prozent der Primärbaustoffen ersetzt werden können! Es gäbe nur Gewinner, keine Verlierer“, ist Fürnkranz überzeugt.

Neue Verordnung demnächst erwartet
Das zuständige Bundesministerium für Klimaschutz arbeitete bereits an einer Verordnung zum Thema Abfallende bei Aushubmaterialien. Damit soll bestimmt werden, dass hochwertiger Bodenaushub nicht automatisch als Abfall, sondern so rasch wie möglich als Wertstoff eingestuft werden kann.

Gabriele Jüly, Präsidentin des VOEB: „Dies führt in weiterer Folge zu einer viel einfacheren Handhabung in der Wiederverwertung. So könnte hochwertiger Bodenaushub dazu beitragen, im Bauwesen wichtige Ressourcen zu schonen. Im ökologischen und ökonomischen Idealfall findet die Verwendung oder Verwertung gleich auf derselben Baustelle statt, das spart auch Transportwege.“ Eine gesetzliche Anpassung werde nicht zuletzt aufgrund eines EuGH-Urteils notwendig.

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