Das Gesundheitswesen steht nicht erst seit der Pandemie auf dem Prüfstand. Die Krise aber hat an die Oberfläche gebracht, was schon eine Weile lang brodelt: Personalmangel, belastende Arbeitsbedingungen, KI & Digitalisierung, Risikomanagement, Umwelt- und Klimaschutz – die Liste ist lang. Beim 17. qualityaustria Gesundheitsforum suchten rund 100 Expert*innen nach Lösungen.
„Improve your system! Nachhaltige Gesundheitssysteme für eine sichere Zukunft.“ Um darüber zu diskutieren, trafen sich Expert*innen am 6. September beim diesjährigen qualityaustria Gesundheitsforum in Wien und virtuell vor den Bildschirmen. In Kleingruppen-Workshops erarbeiteten die Teilnehmer*innen dabei mögliche Lösungsansätze für verschiedene Problemstellungen.
„Die großen Fragen sind, wie wir es schaffen, gesund zu bleiben, gesund zu werden, mit Krankheiten zu leben und das Lebensende zu bewältigen“, fasste Quality Austria Gesundheitsexperte Günther Schreiber zusammen. Zu verstehen, warum Menschen eine Behandlung suchen, ist wichtig - sind sie doch ausschlaggebend dafür, wo sich Menschen helfen lassen – in Ambulanzen, Gesundheitszentren oder bei praktischen Ärzt*innen. Lenkungseffekte sind dringend gefragt, denn in Österreich werden laut Studien 33 Prozent der Gesamtausgaben im Gesundheitsbereich für stationäre Behandlungen aufgewendet. Das ist mehr als im EU-Durchschnitt.
Einen möglichen Weg für eine Umleitung sieht Schreiber in der Weiterentwicklung von Kompetenzprofilen in Hinblick auf die Aufgabenteilung. Dadurch könnte die Ausbildunge frühzeitig an zukünftige Strukturen und Anforderungen angepasst werden und dem Arbeitskräftemangel entgegenwirken.
KI als Entlastung für Gesundheits- und Pflegeberufe
Richtig eingesetzt kann Künstliche Intelligenz (KI) die Arbeitsbedingungen verbessern. Beispielsweise werden bereits heute bei der Versorgung von Patient*innen auf Intensivstationen VR-Technologien eingesetzt, um selbständige Übungen im Bett zu ermöglichen. KI verkürzt auch die Dauer von Untersuchungen. Sie kann etwa den Zeitaufwand für den Scan eines Lungen-CTs von 3,6 Minuten auf 0,7 Minuten reduzieren. Darüber kann die Technologie dem Gesundheitspersonal zeitaufwändige Verwaltungsaufgaben abnehmen, damit es sich auf seine eigentlichen Aufgaben - die Versorgung von Patient*innen nmälich - konzentrieren kann. So beträgt der Dokumentationsaufwand behandelnder Ärzt*innen aktuell beispielsweise drei Stunden pro Tag. KI kann die benötigte Arbeitszeit bereits heute um 45 Prozent reduzieren.
Risikofaktor Digitalisierung
Die Digitalisierung bietet neben Chancen auch gewisse Risiken. Laut dem Bericht „Cybersecurity in Österreich“ von KPMG gab es in den letzten 12 Monaten um 201 Prozent mehr Cyberangriffe als im Vorjahr. Alle befragten Unternehmen waren mindestens von einer Phishing-Attacke betroffen. Bei 88 Prozent dieser Angriffe handelte es sich um CEO-Fraud - das zeigt, wie ausgereift die Betrugsmaschen sind. 33 Prozent der Unternehmen wurden Opfer von Ransomware, teilweise mit Betriebsunterbrechungen von mindestens einer Woche. Hier herrscht also dringender Handlungsbedarf.
Harald Erkinger, Geschäftsführer der CIS - Certification & Information Security Services GmbH, gab Empfehlungen, um die Unternehmensrisiken zu reduzieren: „Um Sicherheitsvorfälle bewältigen zu können, braucht es ein Konzept für Risikoanalyse und die Sicherheit für Informationssysteme. Vor allem sind Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Betriebs notwendig, zum Beispiel ein verlässliches Back-up-Management.“
(V.l.): Harald Erkinger, Geschäftsführer der CIS, gemeinsam mit Günther Schreiber, dem Gesundheitsexperten bei Quality Austria. (Foto: Anna Rauchenberger)
Der Experte empfiehlt zu klären, in welchem Rahmen Unternehmen außerdem von der neuen Netz- und Informationsrichtlinie der EU betroffen sind, dafür rechtzeitig Ressourcen einzuplanen und vor allem die Verantwortlichkeit zu definieren. „Es sollte eine Person im Unternehmen für die Umsetzung der Regelungen operativ hauptverantwortlich sein“, empfahl Erkinger. Die CIS bietet zudem Schulungen für Informationssicherheits-Manager*innen und -Auditor*innen an.
Auch in den Workshops wurde zum Thema IT-Sicherheit und Risikomanagement diskutiert. Ein Ansatz, um die Zukunft des Gesundheitssystems demokratischer zu gestalten. „Veränderung und stetige Weiterentwicklung schaffen wir nur gemeinsam in einem ständigen Austausch. Es liegt an uns, Erfahrungen und Best Practice-Beispiele miteinander zu teilen, Standards und Modelle zu entwickeln, diese zu evaluieren und die Politik damit zum Handeln zu bewegen“, meinte Günther Schreiber.
Green Hospitals für ein nachhaltiges Gesundheitssystem
Dass das Gesundheitssystem ein entscheidender Faktor der grünen Wende ist, klingt erst einmal neu. Inwiefern, das beleuchteten Florian Heffeter, Geschäftsführer der Unity Austria GmbH, Elisabeth Muckel, Projektleiterin bei der Unity AG und Tina Treppe, Prokuristin der Klinik Bavaria Kreischa: „Das Gesundheitssystem kann und muss einen wichtigen Beitrag zur Klimasituation leisten. Die Frage ist, warum nicht schon längst großflächige Aktivitäten am Laufen sind“, sagte Florian Heffeter. Denn: Der Ressourcenverbrauch bei Strom, Wasser und Wärme ist in Spitälern und Kliniken enorm. Eine große Klinik verbraucht im Jahr fast so viel Energie wie eine Kleinstadt. Ein einzelnes Krankhausbett entspricht dabei in etwa dem Verbrauch von drei bis vier Einfamilienhäusern.
(V.l.): Tina Treppe, Klinik Bavaria Kreischa, Elisabeth Muckel, Unity AG, und Florian Heffeter, Unity Austria setzen sich dafür ein, dass Kliniken in Zukunft nachhaltiger agieren. (Foto: Anna Rauchenberger)
Die Expert*innen sehen dringenden Handlungsbedarf bei der Reduktion, Wiederverwendung und Wiederverwertung von Materialien und orten bei Strom ein durchschnittliches Einsparungspotenzial von 40 Prozent, bei Wärme von 32 Prozent sowie 10 bis 15 Prozent beim Wasserverbrauch. „Das Gesundheitswesen muss vom Teil des Problems zum Teil der Lösung werden“, so Heffeter.