Der Frauenanteil in Österreichs Vorständen ist mit 10,1 Prozent so hoch wie nie zuvor. Allerdings verzichten noch immer knapp zwei Drittel der an der Wiener Börse gelisteten Unternehmen völlig auf Frauen in der Chefetage – und kein einziges Unternehmen hat mehr als eine Frau im Vorstand, wie das „EY Mixed Leadership Barometer 2023“ aufzeigt.
Seit Elisabeth Stadler (Vienna Insurance Group) und Silvia Schmitten-Walgenbach (CA Immo) heuer ihr Amt als Vorstandsvorsitzende zurücklegten, gibt es nur noch zwei weibliche CEOs, die in einem im ATX-Index der Wiener Börse gelisteten Unternehmen den Ton angeben: Herta Stockbauer (BKS Bank) und Radka Doehring (Immofinanz). Insgesamt 20 Frauen stehen derzeit 178 männlichen Vorstandsmitgliedern gegenüber. Sieben von ihnen sind als CFO, sechs in operativen Funktionen tätig. Zu diesen Ergebnissen kommt das „Mixed Leadership Barometer 2023“ der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY.
Seit Beginn der Untersuchungen im Juli 2015 ist der Anteil weiblicher Vorstandsmitglieder in Österreichs börsennotierten Unternehmen von 4,1 Prozent auf 10,1 Prozent gestiegen. In absoluten Zahlen bedeutet das einen Zuwachs von 13 Frauen – allerdings ist in diesen sieben Jahren auch die Anzahl der Männer in den Vorständen gestiegen. Noch immer haben 64 Prozent der ATX-Unternehmen keine einzige Frau im Vorstand und kein einziges Unternehmen hat mehr als eine Frau im Vorstand. Die meisten Frauen sind derzeit in den Chefetagen der Immobilienbranche (23 %) anzutreffen, gefolgt von der Konsumgüterbranche (17 %) und der Informationstechnologie (11 %). Keine einzige Vorständin gibt es in drei Branchen: Automobil, Telekommunikation und Transport.
Minimale Verbesserung
Auch der Frauenanteil in den heimischen Aufsichtsräten verzeichnet ein leichtes Plus, jedoch nur von 29,7 im Vorjahr auf nunmehr 30 Prozent. In den Aufsichtsgremien sitzen demnach 160 Frauen (30 %) und 373 Männer (70 %). „Es ist zwar ein Anstieg erkennbar, er ist aber schmerzhaft langsam“, kommentiert Helen Pelzmann, Partnerin bei EY Österreich, die Ergebnisse. „Österreichische Unternehmen, die ihre Vorstände kaum mit Frauen besetzen, verschenken nicht nur Potenzial, sondern auch Vielfalt, erhöhte soziale Performance, Mitarbeiterzufriedenheit sowie Innovation.“
Helen Pelzmann, Partnerin bei EY fordert mehr Gleichstellung in Hinsicht auf Familienplanung - nicht nur für Frauen, auch für Männer. (Foto: EY Österreich)
Flankierend sei es wichtig, Lenkungs- und Vereinbarkeitsmaßnahmen zu forcieren, so Pelzmann: „Bis auf wenige Ausnahmen wird das Zusammenspiel von Beruf und Familie fast ausschließlich als eine Frauen, aber nicht Männer betreffende Frage diskutiert. Um Frauen in Führungspositionen zu unterstützen, muss der Blick auf beide Geschlechter gerichtet werden.“ Gezielte Programme zur Förderung von Frauen sowie transparente Gehaltsstrukturen können zusätzlich zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Wirtschaft beitragen.
Quoten wirken
Ab 2026 ist die vom Europäischen Parlament vorgegebene Geschlechterquote von den Mitgliedsstaaten umzusetzen. Demnach sollen mindestens 40 Prozent der Aufsichtsratsposten oder 33 Prozent der Vorstands- und Aufsichtsratsposten an das jeweils unterrepräsentierte Geschlecht gehen. Wie die Erfahrungen, u.a. auch in Österreich, zeigen, werden ohne gesetzlich verbindliche Vorgaben Frauen nämlich weiterhin kaum berücksichtigt. Erst seit mit 1. Jänner 2018 in den Aufsichtsräten der an der Wiener Börse notierten Unternehmen eine Genderquote von 30 Prozent gilt, erhöhte sich der Frauenanteil in den Kontrollgremien deutlich und kontinuierlich von 18,8 Prozent (Dezember 2017) auf aktuell 30 Prozent.
„Die Quote hat dazu beigetragen, die Themen Diversität und Gleichstellung verstärkt in den Fokus der Unternehmens-Agenda zu rücken. Die Zahlen zeigen, dass die Quote wirkt“, sagt Pelzmann. Am höchsten ist der Anteil weiblicher Aufsichtsratsmitglieder derzeit mit 37 Prozent in der Transport- und Logistikbranche, wo mehr als jedes dritte Aufsichtsratsmitglied eine Frau ist. Dahinter folgen die Finanzbranche (36 %) und die Energiebranche (33 %). Am niedrigsten ist der Anteil weiblicher Gremiumsmitglieder mit rund 18 Prozent im Rohstoffsektor.