Der technologische Umbruch in der Transportlogistik wird von zwei Megatrends geprägt und getrieben: Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Die Forschung liefert adaptierte Lösungen für praxistaugliche Anwendungen.
»Big Data, Digitale Transformation, Prädiktive Analytik, Omnichannel, Robotik, Künstliche Intelligenz, das Internet of Everything, Plattformökonomie und der Wunsch nach nachhaltigen Lösungen durchdringen immer stärker die Unternehmensprozesse und damit Logistikketten und Wertschöpfungsnetzwerke«, stellt FH-Professor Oliver Schauer, Leiter des Studiengangs Digitales Transport- und Logistikmanagement an der FH OÖ Campus Steyr, fest.
Diesen neuen Anforderungen wird die Logistik mit IT als Schlüsselfaktor erfolgreich gerecht. Zum Einsatz kommen beispielsweise GPS, RFID, cloudbasierte Rechnerarchitekturen, Electronic Data Interchange, Big Data, Telematik und andere IT-Lösungen. »Logistik 4.0 umfasst die Vernetzung und Integration logistischer Prozesse innerhalb und außerhalb von Unternehmen und Produktionsanlagen bis hin zur dezentralen Echtzeitsteuerung logistischer Netzwerke«, informiert Schauer.
»Mithilfe automatischer Identifikation über Sensoren können Lagerbestandsdaten papierlos und in Echtzeit übertragen, Materialien von intelligenten Fahrzeugen autonom bewegt und Roboter zu Arbeitskollegen werden«, nennt Andreas Breinbauer, Rektor der FH des BFI Wien und Leiter der Studiengänge Logistik und Transportmanagement, einige Anwendungsbeispiele für Logistik 4.0. Mitarbeiter*innen werden mit Datenbrillen und Pick-by-Technologien unterstützt.
Oliver Schauer, Studiengangsleiter an der FH Oberösterreich Campus Steyr. (Foto: FH Oberösterreich)
Daten in Echtzeit
Im Bereich Digitalisierung ist die Intralogistik bereits auf dem Stand der Industrie 4.0. »Echtzeitdaten und Echtzeitsteuerung, Transport- und Kommissionierungstätigkeiten sind bereits hochautomatisiert«, berichtet Professor Andreas Breinbauer. In der Transportlogistik sei es deutlich komplexer, weil die Parameter vor allem bei Langstrecken und Grenzgängen volatiler sind. Hier steht man auch vor dem Problem, dass Geoinformationsdaten in der Regel nicht mit ERP-Systemen/Dokumentationen und Optimierungstools synchronisiert sind.
Aber die Transportlogistik entwickelt sich. Blockchain-Technologien spielen im Lieferkettenmanagement eine zunehmend wichtigere Rolle, und zwar vor allem dort, wo Vertragsparteien eine große Anzahl von Transaktionen abstimmen müssen wie bei der Seefracht. Breinbauer nennt als ein Beispiel Trade-Lens, ein Kooperationsprojekt von IBM und Maersk, in dem mehr als 150 Millionen Versandvorgänge bearbeitet und mehrere Dutzend Schiffsterminals beliefert werden sollten. Ende März 2023 wurde die Supply-Chain-Plattform jedoch wieder eingestellt, nachdem offenbar nicht genügend Kunden für das ambitionierte Projekt gewonnen werden konnten.
Andreas Breinbauer, Rektor der Fachhochschule des BFI Wien. (Foto: FH des BFI Wien)
Digitale Plattformen wie die Frachtbörse Timocon im Landverkehr oder Xenata-Ratenvergleich in der Seefracht unterstützen Disponent*innen und Verlader*innen, Leerfahrten zu vermeiden und günstigere Transporte zu finden. Mit einer digitalen automatischen Kupplung sollen Güterzüge besser in den allgemeinen Zugverkehr eingebunden werden, die Firma Knorr-Bremse arbeitet bereits am sogenannten Digital Freight Train. An Bedeutung gewinnen laut Breinbauer auch digitale Spediteure wie Flexport, der größte digitale Forwarder.
Im Fokus der Forschung
Bisher lag der Forschungsfokus in der Transportlogistik auf IoT und der Entwicklung integrierter Logistiksysteme über Sensoren und drahtlose Netzwerke. In Zeiten von 4.0 konzentrieren sich Forscher*innen auf die Entwicklung und Optimierung digitaler Technologien und Prozesse. Sie gehen der Frage nach, wie bereits am Markt verfügbare Technologien in die Logistik transferiert werden können.
Bei der Weiterentwicklung und Optimierung digitaler Technologien liegt der Fokus auf KI, digitalen Zwillingen von Logistikanlagen und -prozessen oder ganzen Lieferketten bis hin zur Entwicklung eines eigenen Metaverse für die Logistik. Die transferorientierte Forschung beschäftigt sich damit, wie reif diese Technologien für einen Serieneinsatz sind und welche betriebswirtschaftlichen, technischen und rechtlichen Voraussetzungen gegeben sein müssen. »Bei der Umsetzung von Forschungsprojekten zeigt sich vor allem, dass der Aufwand vom Proof-of-Concept bis hin zum serienmäßigen Einsatz einer Technologie von vielen Unternehmen und auch Forscher*innen immer wieder massiv unterschätzt wird«, gibt Veit Kohnhauser zu bedenken.
»An der FH des BFI Wien beschäftigen wir uns im Logistikbereich mit dem Güterverteilzentrum der Zukunft ebenso wie mit einer nachhaltigen urbanen Logistik«, berichtet Rektor Andreas Breinbauer. Die Hochschule ist wissenschaftlicher Begleiter des »Wien out of the Box«-Projektes, das sich mit bürger*innenfreundlichen und nachhaltigen Lösungen für die Last-Mile-Problematik beschäftigt. Weitere Forschungen: ein internationales Interreg-Projekt rund um nachhaltige Lebensmittellieferungen sowie internationale Logistik- und Supply-Chain-Fragen.
Mehr dazu:
Wien - Out Of The Box: www.wko.at
Interreg-Projekt: www.fh-vie.ac.at