Rainer Haude, Geschäftsführer von ProSaldo.net, will mit der zunehmenden Automatisierung von Buchhaltungsprozessen vor allem Kleinstunternehmen eine lästige Arbeit abnehmen.
Was erwarten Kund*innen heute von einer Software für die Rechnungsabwicklung und Buchhaltung?
Rainer Haude: Sie setzen vor allem Schnelligkeit voraus, um Aufgabenstellungen sofort lösen zu können. Zweitens sollen Rechnungen richtig interpretiert werden und möglichst korrekt ausgelesen werden, um die wichtigsten Informationen automatisiert zu übernehmen und auch gleich auf die richtigen Konten zu verbuchen.
Ich spreche hier betont nicht von Buchhaltung – ein eigentlich fürchterlicher Begriff, der stark mit der Technik des Rechnungswesens verknüpft wird –, sondern von einem Organisieren von Belegen. Denn eigentlich geht es darum, Belege ordnungsgemäß abzulegen und daraus wirtschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen. Je besser Unternehmer*innen ihre Rechnungen im Griff haben und eine Transparenz über Einnahmen und Ausgaben herrscht, desto sicherer sind sie auch wirtschaftlich aufgestellt.
Woran arbeiten Sie dazu bei ProSaldo.net? Was enthält Ihr Produkt?
Haude: ProSaldo.net gibt einen finanziellen Überblick über ein Unternehmen und ist eine Rundumlösung für Buchhaltung, Rechnungen und Registrierkassa. Bei manchen Tools wie auch unserem gibt es seit vielen Jahren OCR-Erkennung (Anm. »Optical Character Recognition«), um aus Scans und Fotos von Rechnungen oder Verträgen relevante Informationen für nachgelagerte Kundenservice- oder Verrechnungsprozesse auszulesen. Auch Importfunktionen etwa für Datensätze zu Kontenbewegungen sind Standard.
Wir gehen jetzt aber mit einer mit Machine Learning angereicherten Lösung für Buchungssätze einen Schritt weiter und haben unsere Buchhaltungs-Engine verbessert. Unsere KI analysiert Kontenbewegungen und schlägt durch das Erlernte den richtigen Buchungssatz vor. Anfangs hilft man der Maschine noch, aus den verschiedenen Datensätzen auswählen – Tinder-mäßig wischt man Vorschläge zur Seite. Aber die Engine lernt abstrahiert auch übergreifend über alle Anwender*innen.
Das betrifft ebenso Sonderfälle – etwa bei einem Split einer Tankrechnung in einen Sprit-Anteil und Kosten für die Verköstigung im Tankstellenshop, die beide betrieblich berücksichtigt werden sollen. Wollte man dies über Regeln abbilden, müsste es unglaublich viele Regeln geben, um alle Sonderfälle abzudecken. Das ist weder sinnvoll noch kann es auf Dauer in einem System gewartet werden.
Prosaldo.net schafft eine maschinengesteuert korrekte Zuordnung der Belege ab der zweiten, vielleicht dritten Rechnung. Unsere Lösung ist erstaunlich präzise. Durch diese intelligenten Buchungsvorschläge soll die Buchhaltung für Unternehmer*innen ihr »unsympathisches« Gesicht verlieren und zu einem hilfreichen Basisprozess werden, der Unternehmer*innen ganz einfach wirtschaftlich erfolgreicher macht.
ProSaldo.net unterstützt die User mit intelligenten Buchungsvorschlägen.
Welche KI-Plattform nutzen Sie dafür?
Haude: Die KI haben wir selbst gebaut, sie ist eine Entwicklung aus Österreich.
Warum sollten Unternehmer*innen auf Ihre Lösung setzen?
Haude: Seit der Gründung haben wir das große Ziel, für Klein- und Kleinstunternehmen das Geschäft so einfach wie möglich machen. Buchhaltung gehört nun einmal nicht zu den wertschöpfenden Kerntätigkeiten eines IT-Beraters zum Beispiel. Diese Prozesse sind mühsam und ist fehleranfällig.
Es wird immer auch komplizierte Fälle geben, die man mit Spezialist*innen und vielleicht dem Steuerberater lösen muss. Das Gros der Fälle aber kann aus meiner Sicht sehr gut über eine Maschine abgedeckt werden. Unser intelligenter Assistent kann Buchungen enorm beschleunigen, in dem der Mensch nur noch die Ergebnisse kontrolliert und bestätigt.
Und auch diese Welt wird sich noch verändern. Ich bin überzeugt, dass wir in Zukunft die Buchhaltung ganz einfach vorschlagen werden. Die Engine wird dann gegen die Lösung arbeiten – sie wird jene Sonderfälle herausstreichen, die noch überprüft werden sollten.
Rainer Haude, Gründer und Managing Director von ProSaldo.net, unterstützt Kleinunternehmer*innen bei lästigen Buchhaltungsarbeiten.
Wie ist Prosaldo.net wirtschaftlich aufgestellt?
Haude: Wir sind in den letzten Jahren um ein Vielfaches gewachsen – in der Zahl der Benutzer, der Funktionen unseres Produkts und der Mitarbeit*innen. Das hat auch unseren Anspruch gestärkt, eine Lösung für alle Ein-Personen-Unternehmen und kleinere Unternehmen zu bieten. Den richtigen Partner für weiteres Wachstum haben wir vor drei Jahren mit der norwegischen Unternehmensgruppe Visma gefunden.
Visma setzt auf Beteiligungen an Softwareunternehmen in vielen europäischen Ländern. Ihr Anspruch ist, mit Digitalisierungslösungen Menschen und Organisationen in ihren Geschäftsprozessen zu unterstützen. Übernommene Unternehmen bleiben bei Visma eigenständig, erhalten aber hervorragende Unterstützung in Form von Kapital und Know-how. Es ist wie in einer großen Familie, man belässt weiterhin dem lokalen Management die Entscheidungshoheit – denn diese kennen den Markt, ihre Kunden und die gesetzlichen Rahmenbedingungen am besten.
Wie sehen Sie generell die Entwicklung von KI in der Wirtschaft und Gesellschaft?
Haude: Die aktuellen Entwicklungen rund um künstliche Intelligenz adressieren nicht nur regulatorische Herausforderungen, sondern auch gesellschaftliche. Wie gehen wir mit den Möglichkeiten von KI-unterstützten Lösungen um? Unter welchen Bedingungen werden wir sie in der Gesellschaft akzeptieren? Bei einem auch in der Nacht verfügbaren Chat-Service werden Kund*innen sicherlich Antworten einer Maschine akzeptieren, wenn diese rasch und in guter Qualität kommen. Ohne technische Unterstützung würde es diesen Service zu diesem Zeitpunkt ja gar nicht geben können. Aber zu Bürozeiten wird man sich bei besonders ausgefallenen Fragen weiterhin ein menschliches Gegenüber in Serviceprozessen erwarten. Das sind Überlegungen, die auch in die Weiterentwicklung unserer Lösungen fließen.