2023 steht ganz im Zeichen der thermischen Sanierung. Um den Klimaschutz voranzutreiben, hat die Bundesregierung den Sanierungsscheck neu aufgelegt und die Förderbeträge erhöht. Zusätzlicher Vorteil: Die Energiekosten sinken.
Gebäude, die zwischen 1945 und 1980 gebaut wurden, weisen eine besonders schlechte Energiebilanz auf. Fast die Hälfte des österreichischen Häuserbestands – rund 1,5 Millionen Gebäude – stammt aus dieser Zeit. Ein solches Einfamilienhaus verbraucht durchschnittlich 220 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr. Zum Vergleich: Ein modernes Passivhaus benötigt weniger als 15 Kilowattstunden.
Die thermische Sanierung von Gebäuden ist einer der besten Wege, um den Energiebedarf für Heizung, Kühlung, Warmwasser und Lüftung nachhaltig zu verringern. In der Regel ist eine umfassende Sanierung sinnvoller als Einzelsanierungen. Sie bringt auch hinsichtlich der CO2-Reduktion die ökologisch beste Lösung, zugleich ist die Amortisationsdauer der Kosten mit zehn bis 15 Jahren überschaubar.
Energieberater*innen berechnen nach Wunsch unterschiedliche Varianten und erstellen einen Sanierungsplan. Um mögliche Schwachstellen zu ermitteln, werden dafür zunächst alle Teile des Gebäudes überprüft, über die erfahrungsgemäß die meiste Wärme verloren geht: Dach, oberste Geschoßdecke, Fassade, Kellerdecke und Fenster. Falls notwendig, wird die gesamte Gebäudehülle gedämmt. Auch die Sanierung bzw. der Tausch der Fenster und Türen bringt Einsparungen, wenn auch in geringerem Ausmaß. Die Investitionen amortisieren sich angesichts der hohen Energiekosten schon innerhalb weniger Jahre – insbesondere wenn Bundes- und Landesförderungen voll ausgeschöpft werden.
Lohnende Investitionen
In Österreich gibt es ein breites Angebot an staatlichen Förderungen für Sanierungsmaßnahmen. Neben der thermischen Sanierung werden u. a. auch der Einbau von Biomasseheizanlagen, Photovoltaik-Anlagen und der Fernwärmeanschluss gefördert.
Die Investitionsbereitschaft für Sanierung bzw. Heizungstausch unterscheidet sich nicht wesentlich. Trotz der höheren Kosten fällt die Bereitschaft für Wärmedämmung etwas niedriger aus; 519 Befragte sind sogar zu keinerlei Zahlungen bereit. (Quelle: Austria Energy Agency)
Mit dem »Sanierungsscheck 2023/24« startete die Bundesregierung zu Jahresbeginn eine neue Offensive, die Private und Betriebe bei der thermischen Sanierung von Gebäuden, die älter als 20 Jahre alt sind, finanziell unterstützt. Ziel ist es, vor allem den Heizwärmebedarf – und damit den CO2-Ausstoß – durch Dämmung der Gebäude bzw. einzelner Bauteile oder Austausch der Fenster und Außentüren zu senken. Österreich möchte bis zum Jahr 2040 klimaneutral sein. Parallel zur Sanierungsoffensive läuft deshalb die Aktion »Raus aus Öl und Gas«, die den Umstieg von fossilen Heizsystemen auf klimafreundliche Energieträger, wie z. B. Pellets, Hackschnitzel oder Solarthermie, unterstützt. Zusätzlich gibt es Landesförderungen, die je nach Bundesland und Investitionsumfang unterschiedlich gewichtet sind.
Was für den Klimaschutz ein wichtiger Antrieb ist, bedeutet für die Baubranche auch einen wirtschaftlichen Impuls. Waren die Auftragsbücher im vergangenen Jahr noch voll, werden wegen der hohen Material- und Energiepreise derzeit viele Bauprojekte auf Eis gelegt. Die massive Teuerung führte auf dem Sanierungsmarkt bereits zu einem Rückgang der Nachfrage um drei Prozent. Vor allem die Fensterhersteller verzeichneten einen drastischen Einbruch – im Vergleich zum Jahr davor wurden 2022 um 6,7 Prozent weniger Fenster erneuert. Das Förderbudget für thermisch-energetische Sanierungsmaßnahmen wurde nicht ausgeschöpft. 2022 wurden lediglich für 11.556 Einfamilienhäuser (0,6 % des Gebäudebestands), 455 Objektwohngebäude (0,2 % des Gebäudebestands) und 864 Betriebsgebäude (0,3 % des Gebäudebestands) Förderanträge gestellt. Die Zielmarke der Bundesregierung liegt in allen Gebäudetypen bei drei Prozent.
Robert Jägersberger, WKO: »Die Bauwirtschaft setzt mit ihrer Multiplikator-wirkung sowohl ökonomische wie auch ökologische Impulse.« (Bild: Gerald Lechner_WKNÖ)
Die Sanierungsoffensive könnte somit 2023 und 2024 auch tausende Arbeitsplätze sichern, sind Branchenvertreter überzeugt. Darüber hinaus erwartet die thermische Gebäudesanierung weitere Hebelwirkungen durch die Rückflüsse aus Lohn- und Umsatzsteuer sowie Sozialversicherungsbeiträge, wie Robert Jägersberger, Bundesinnungsmeister der Bundesinnung Bau betont: »Die Bauwirtschaft mit ihren vielfältigen gesamtwirtschaftlichen Verflechtungen und ihrer Multiplikator-Wirkung eignet sich ideal dafür, ökologische wie auch ökonomische Impulse zu setzen.«
Gut gedämmt
Bei einem thermisch teil- oder vollsanierten Gebäude können nach Berechnungen der ARGE Qualitätsgruppe Wärmedämmsysteme weit über 75 Prozent der Heizenergie eingespart werden – bei gleichzeitiger Verbesserung des Raumklimas, also der Wohnqualität. »All diese Eigenschaften könnten wir auf einen Schlag realisieren, indem wir unseren Häusern einen ›Pullover‹ überziehen. Eine Dämmung sorgt für mehr Wohlbefinden im Winter wie auch im Sommer«, argumentiert Robert Schmid, Obmann des Fachverbands Stein- und keramische Industrie in der WKO.
Fast die Hälfte des österreichischen Gebäudebestands weist eine sehr schlechte Energiebilanz auf. (Bild: iStock)
Entscheidend ist die Wahl der richtigen Dämmung. Am teuersten kommt meist die Dämmung der Fassade – allerdings wirkt sie auch am effizientesten, denn bis zu 50 Prozent des Wärmeverlusts tritt an ungedämmten Außenwänden auf. Die Dämmung der obersten Geschoßdecke liegt in der Kosten-Nutzen-Relation an der Spitze – bis zu einem Viertel der Heizkosten können dadurch eingespart werden.Die Dämmung von Kellerräumen ist relativ leicht zu bewerkstelligen, die mögliche Heizkostenersparnis ist trotzdem beachtlich.
Beim Austausch der Fenster und Außentüren kann die thermische Sanierung gleich mit einem Facelifting für das Gebäude verknüpft werden. Auch hier können sich die Energiekosten in einem durchschnittlichen Haushalt um 700 bis 1.000 Euro pro Jahr verringern. Der alleinige Fenstertausch kann jedoch in manchen Fällen zu Schimmelproblemen führen – Fachleute empfehlen deshalb die Kombination mit einer Außenwanddämmung.
Auch ein Heizkesseltausch ist erst dann sinnvoll , wenn zuvor der Energieverlust über die Gebäudehülle durch Dämmung reduziert wurde. Eine verbesserte Gebäudehülle sowie isolierte Rohrleitungen senken die Vorlauftemperatur der Heizanlage so weit ab, dass die Wärmeerzeugung auf Basis CO2-neutraler Rohstoffe ideal betrieben werden kann.
Andreas rotter, SHL: »Ein Austausch des fossilen Wärmeerzeugers ohne hochwertige Dämmung und gut isolierte Rohrleitungen ist nicht zielführend.« (Bild: Luiza Puiu)
»Bei nachwachsender Energie, grünem Gas und synthetischem Öl fallen höhere Systemtemperaturen nicht ins Gewicht. Bei erneuerbarer Energie, also Wärmepumpen, welche mit Luft-, Wasser oder Sole betrieben werden, hingegen schon«, erklärt Andreas Rotter, Obmann des Zukunftsforums SHL, einem branchenübergreifenden Zusammenschluss von Österreichs Installateuren, des Heizungsgroßhandels sowie österreichischen Qualitätsherstellern der Wärmebranche. Voraussetzung für die Umstellung auf erneuerbare Energie sind eine geringe Heizleistung pro Quadratmeter und Niedertemperatur-Systeme mit einer geringen Vorlauftemperatur (max. 40° C), um einen hohen Wirkungsgrad zu erzielen.
Noch viel Potenzial
Eine repräsentative Studie des SORA-Instituts zeigt grundsätzlich ein hohes ökologisches Bewusstsein bei Österreichs Haus- und Wohnungsbesitzer*innen. Befragt wurden rund 1.400 Eigentümer*innen von Immobilien, 46 Prozent von ihnen heizen bereits ausschließlich klimafreundlich. Zwei Drittel der fossilen Heizsysteme werden mit Gas betrieben, mit 29 Prozent ist auch der Anteil an Ölheizungen noch beträchtlich.
Breiter Konsens herrscht darüber, dass aufgrund der Klimakrise Handlungsbedarf besteht und hier auch der eigene Beitrag jedes bzw. jeder Einzelnen gefordert ist. Dabei sehen fast neun von zehn Befragten insbesondere regionale, erneuerbare Energieträger als Lösung, die stärker genutzt werden sollte. Die Umfrage wurde 2021 – also vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und der Verknappung der Gasreserven – durchgeführt. Es ist davon auszugehen, dass das ökologische und ökonomische Bewusstsein in der Öffentlichkeit seither durch die extreme Teuerung weiter geschärft wurde.
Die SORA-Forscher*innen identifizierten vier Bevölkerungsgruppen – Aufgeschlossene, Verunsicherte, Verweiger*innen und Vorreiter*innen – hinsichtlich ihrer Einstellung zu Sanierungsmaßnahmen oder Heizungswechsel. Die ersten beiden Gruppen, die jeweils rund ein Viertel der Befragten umfassen, wären laut Analyse mit zielgerichteter Kommunikation am ehesten zu sensibilisieren. Ein »Rundum-Sorglos-Paket«, das den finanziellen, zeitlichen und organisatorischen Aufwand der Sanierung in Grenzen hält, könnte die latente Änderungsbereitschaft dieser Bevölkerungsgruppen aktivieren.
Das Kostenargument wirkt dabei stärker als eine Botschaft, die den persönlichen Beitrag zum Klimaschutz hervorhebt. Mehr als zwei Drittel der Immobilienbesitzer*innen waren schon zum Erhebungszeitpunkt überzeugt, dass sich Sanierungsmaßnahmen wie Wärmedämmung oder Heizungstausch langfristig auszahlen. Die Investitionsbereitschaft liegt bei einem Median von 10.000 Euro, der Förderbedarf beträgt bei einer möglichen Investitionssumme von 60.000 Euro im Median 20.000 Euro.
One-Stop-Shop
Um Antragsteller*innen den Zugang zu Förderungen so niederschwellig wie möglich zu machen und bei komplexen Sanierungsvorhaben zu unterstützen, forderte Reinhold Lindner, Sprecher von BauMassiv, bereits im Herbst bei den Bautagen in Loipersdorf, einen One-Stop-Shop: »Unabdingbar ist die Einrichtung einer österreichweiten Anlaufstelle im Bereich der technischen und finanziellen Beratung, Durchführung und Abwicklung von Sanierungsprojekten.« Die Kommunalkredit Public Consulting (KPC) steht für Informationen allen Privaten, Betrieben, Vereinen und Gemeinden zur Verfügung. Das Serviceteam Thermische Gebäudesanierung gibt zu allen Fragen rund um Förderinstrumente und Sanierungsscheck auch telefonisch Auskunft; die Antragstellung erfolgt ausschließlich über die Online-Plattform.
Reinhold Lindner, Baumassiv: »unabdingbar ist die Einrichtung einer österreichweiten Anlaufstelle.« (Bild: Baumassiv)
Aus Sicht der Baupakt-Partner – ein Zusammenschluss der Gewerkschaft Bau-Holz, des Fachverbands der Stein- und keramischen Industrie, der Bundesinnung Bau der WKO sowie der Umweltschutzorganisation Global 2000 – braucht es einen Schulterschluss, eine »Allianz der Sanierer«, um die Sanierungsoffensive voranzutreiben. Ganz nach dem Motto: Die beste Energie ist jene, die nicht verbraucht wird.
(Titelbild: iStock)