Auch heuer starten wir technologieoffen und zuversichtlich. Beste Aussichten auf alles, was Technik schon heute kann, bietet die größte Messe für Unterhaltungstechnik, die Consumer Electronics Show, kurz »CES« genannt, in Las Vegas.
Digitale Transformation ist ein alter Schuh. Fürs kommende Jahr(-zehnt) prophezeit Steve Koenig, Vice President der amerikanischen Consumer Technology Association (CTA), den nächsten großen Schritt: totale Automation und Virtualisierung – umgesetzt in Smart Factories, Farmen und Städten, unbemannten Fahrzeugen oder dem oft genannten Metaverse. Angetrieben vom Fortschritt bei 5G, dem »Network Layer dieser Dekade«, das für IoT unbedingt nötig ist – und hohen Ansprüchen an Effizienz und Nachhaltigkeit. Das gilt auch für Normalverbraucher*innen: Neben Öko geht der Trend hier in Richtung Tracking, Optimierung und Services. Werfen wir also einen Blick in die Zukunft!
Gaming
Der Gamingsektor wächst seit Jahren. Knapp 75 Prozent aller US-Amerikaner*innen zwischen 13 und 64 zocken – und verbringen laut einer Studie der CTA (»The Future of Gaming: 2022«) rund 24 Stunden pro Woche damit. Gute Nachrichten für die Entwickler, die ihrerseits versuchen, das Spielerlebnis noch fesselnder zu gestalten. Ein Weg dorthin führt über die »absolute Immersion«: Man soll sich fühlen, als wäre man mitten in der Fantasiewelt des Spiels, soll seine Umwelt nicht nur sehen, sondern auch anfassen, fühlen und riechen können. Was mit der 3D-VR-Brille begann, wird nun durch Innovationen von Unternehmen wie OWO und OVR möglich.
OWO entwickelt bereits seit längerem sensorische Kleidung. Auf der Messe launcht das Unternehmen nun ein neoprenartiges T-Shirt, das neun verschiedene Empfindungen an Spieler*innen weitergibt: von unangenehmen Gefühlen wie Schlägen oder Dolchstößen, zu alptraumhaftem Insektengekrabbel oder abwechslungshalber angenehmen Sensationen wie Wind. Die Intensität dieser Eindrücke lässt sich glücklicherweise steuern. Die »OWO-Skin« funktioniert aber nur mit adaptierten Spielen, dafür theoretisch auf allen Plattformen wie Smartphone, PC oder Konsole. Ein ähnliches Prinzip verfolgt OVR: Das Wearable »ION 3« erinnert entfernt an Kopfhörer mit Mikrofon. Allerdings produziert es nicht etwa Geräusche, sondern Gerüche: Das funktioniert über spezielle Geruchs-Patronen, die Spieler*innen nach Wahl mit Düften oder Gestank beglücken. Diese kann man per App selbst erstellen; tausend einzigartige Gerüche sollen so möglich sein.
Auch optisch wird das Gaming zum Erlebnis – mit neuen, noch größeren OLED-Displays von Samsung, Asus und anderen Herstellern. Ein besonderes Gimmick birgt der LG OLED Flex: Der 42 Zoll große 4K OLED ev Flachbildschirm verwandelt sich in Sekundenschnelle in einen Curved Monitor mit bis zu 900 R Krümmung – dafür sorgt ein eingebauter Motor. Vollgepackt mit Hightech wie LGs Alpha9 Gen 5 AI Prozessor, Dolby Atmos Audiosystem und webOS22 eignet sich der Verwandlungskünstler auch als Fernseher oder mondäner Arbeitsmonitor – flexibel genug ist er.
Mobilität
Die Zukunft fährt elektrisch – nicht nur in Europa, sondern auch in Amerika und Asien: Große Automobilhersteller wie Stellantis, Hyundai und BMW stellten ihre neusten und vollelektrischen Innovationen vor. Während Stellantis plant, bis 2025 ganze 55 Modelle elektrischer Pkw und Trucks auf den Markt zu bringen, experimentiert Hyundai neben elektrischen Antrieben auch mit Wasserstoff. BMW war bereits letztes Jahr mit seinem farbwechselnden Wasserstoffhybrid iX5 flow ganz vorne mit dabei. Dieses Jahr geht der Automobilkonzern noch einen Schritt weiter: Der i Vision Dee soll nicht nur ein elektrisches, sondern auch ein digitales Auto sein – und ein Freund: Der Name »Dee« steht für Digital Emotional Experience – es geht also darum, das Verhältnis zwischen Menschen und Auto intensiv, ja emotional zu machen. Ein Highlight ist das erweiterte Head-up-Display, das auf die Windschutzscheibe fahrrelevante Informationen bis hin zu virtuellen Welten projiziert – Autokino mal anders.
Außerdem ist der Wagen komplett individualisierbar: In Kooperation mit E Ink hat BMW eine Außenbeschichtung entwickelt, die sich innerhalb weniger Sekunden per Knopfdruck in 32 verschiedene Farben und Muster einstellen lässt. Sorge bereitet Elektro-Skeptikern ja vor allem das Laden – ineffiziente, umweltschädliche Batterien, und lange Ladezeiten. Auch hier hat die CES einiges in petto. Der koreanische Produzent SK, der unter anderem Hyundai beliefert, entwickelt sowohl Ladestationen als auch passende Batterien, die sich innerhalb von 18 Minuten von 20 auf 80 Prozent aufladen lassen. Mit einer Ladung fährt man knapp 400 km weit.
Gute Nachrichten kommen vom dänischen Start-up LeydenJar. Das Unternehmen hat Silikon-Anoden entwickelt, die Batterien nicht nur effizienter, sondern auch kleiner und vor allem umweltfreundlicher machen. Anstelle von Graphit kommt dafür eine spezielle Silikonstruktur zum Einsatz, die um ein Vielfaches mehr an Lithium-Ionen aufnehmen kann. Bei der Herstellung kann außerdem auf energieintensive Prozesse verzichtet werden. Bis 2025 sollen die Anoden auch für elektrische Fahrzeuge erhältlich sein. Der Vorteil: Mit leichteren Batterien könnten Fahrzeuge laut Hersteller rund 70 Prozent weitere Strecken fahren.
Robotik und KI
Innovationen in der Robotik und KI treiben einen grundsätzlichen Wandel voran, und das nicht nur im Industrie-, sondern auch in nahezu allen anderen Wirtschaftssektoren. Dabei geht es besonders um Effizienz und Autonomie: Je weniger menschliche Intervention nötig ist, desto besser. Darum wird in den meisten Robotern bereits eine KI verbaut. Aber auch die muss erst entwickelt und aufwendig trainiert werden. Das aber könnte sich bald ändern: So präsentiert DLR ein Konzept für »Deep Learning Robotics«: Mithilfe visueller Rezeptoren können sich Roboter ihre Arbeit vom Menschen »abschauen« – sie lernen also durch Nachahmung, ähnlich wie wir Menschen selbst. Damit können sie nicht nur eine, sondern potenziell hunderte verschiedene Handlungen erlernen, ohne dass sie darauf programmiert werden müssten. Das erweitert ihr Einsatzspektrum enorm – und was sie gelernt haben, können sie an ihre Roboterkollegen weitergeben.
Auch Drohnen werden vermehrt auf Autonomie getrimmt: Autel, einer der weltweit größten Drohnenspezialisten, stellte auf der CES die EVO Max 4T vor. Die Hightechdrohne ist vor allem als Unterstützung bei Inspektionen, aber auch für Rettungseinsätze und Suchflüge gedacht. Dabei kann sie nicht nur semiautonome Flüge unternehmen, sondern selbstständig Hindernissen ausweichen, 3D-Flugrouten erstellen und gar außerhalb von GPS-Reichweiten navigieren. Ausgestattet mit Rekognitionssoftware kann sie Menschen oder auch Fahrzeuge identifizieren und verfolgen.
Ein Schritt in Richtung Smarte Stadt macht das französische Start-up Acwa Robotics: Der »Clean Water Pathfinder« navigiert autonom durch Trinkwasserrohre und inspiziert sie auf Schäden und Korrosionen, ohne dabei den täglichen Betrieb zu behindern. Durch die Dokumentation wissen die Versorgungsstellen genau, wo Reparaturen nötig sind und können schneller reagieren. So hilft der schlangenartige Roboter dabei, langfristig Wasserqualität und Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Nachhaltigkeit (im Kleinen)
Unter Konsument*innen wächst der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit. Dabei möchte man nicht nur grüne Produkte kaufen, sondern idealerweise auch selbst möglichst ökologisch und autark leben. Gadgets, mit denen man beispielsweise am Balkon selbst Strom erzeugen kann, gibt es einige. So präsentierte Camping- und Umweltpionier Jackery auf der CES ein aufblasbares Solarzelt, zusammenklappbare Solarzellen, ein Mini-Windrad oder eine Art Dynamo, der hinter einem Fahrzeug hergezogen werden kann und sich währenddessen auflädt. Hardwarespezialist Acer war nicht nur mit neuen Laptops und Monitoren vertreten, sondern stellte auch ein Tretfahrrad vor, mit dem man seinen eigenen Laptop-Akku wiederaufladen kann. Das eKinekt Bike Desk ist eine Fusion aus Mini-Fitnessstudio und Schreibtisch, das sich ergonomisch beliebig einstellen lässt, mehrere Anschlüsse für Geräte bietet und Informationen wie generierte Wattzahl ebenso wie verbrannte Kalorien anzeigt.
Großes Potenzial verspricht das Bio-Tech-Unternehmen BeFC, und zwar in Form von Bio-Kraftstoffzellen aus Papier. Wie das? Das Start-up erklärt das Prinzip so: Ähnlich zu biologischen Prozessen werden Zucker und Sauerstoff mithilfe von Enzymen umgewandelt. Die dabei entstehende Energie fließt in kleine Sensoren oder Module, wie sie beispielsweise in der Medizin oder IoT genutzt werden. Betrieben werden diese Batterien mit Flüssigkeiten – unter anderem Schweiß, Speichel, Blut oder auch Leitungswasser. Und durch das flüssigkeitsdurchlässige Trägermaterial Papier sind diese Batterien nicht nur federleicht, sondern kommen auch ohne toxische Chemikalien aus und können einfach entsorgt oder kompostiert werden.
(Bilder: iStock, OWO, Lenovo, BMW, LeydenJar, Autel, ACWA Robotics, Acer, BeFC)