Die Sozialpartner der metalltechnischen Industrie einigten sich nach harten Verhandlungen auf eine Erhöhung der Ist-Löhne um 7,4 Prozent – eine Richtschnur für die anderen Branchen. Die Erwartungen liegen auch dort weit auseinander: Aufgrund der Teuerungen fürchten Arbeitnehmer*innen einen Reallohnverlust, die Arbeitgeberseite warnt vor einer zusätzlichen Belastung der Unternehmen.
1. Wie gut werden mit den Erhöhungen der Ist-Löhne die Teuerungen abgedeckt?
Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich:
Aus Sicht des Handels ist es natürlich wichtig, dass die Kaufkraft erhalten bleibt und die Teuerungen so weit wie möglich abgedeckt werden. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass die Margen und damit die Spielräume der Handelsunternehmen gering sind und es zudem auch schon Unterstützungsmaßnahmen durch die Regierung für die Haushalte gab. Die KV-Verhandlungen werden stets auf Basis der Inflation der vergangenen zwölf Monate geführt. Daher ist es schwer möglich, die derzeitigen monatlichen Rekordwerte zur Gänze abzudecken.
Hans Karl Schaller, Konzernbetriebsrat der voestalpine, Abgeordneter zum OÖ Landtag:
Durch die Abdeckung der rollierenden Inflation haben die Metaller keinen Reallohnverlust.
Hans Karl Schaller, Konzernbetriebsrat der voestalpine. (Bild: Lisi Specht)
Benjamin Bittschi, Senior Economist am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO):
Zu dieser Frage gibt es zwei Blickwinkel: die aktuelle Teuerung (11 % im Oktober) und die für Lohnverhandlungen relevante Teuerung der vergangenen zwölf Monate (6,3 % bei den Metallern). Somit übertrifft der durchschnittliche Lohnabschluss der Metaller (+7,44 %) die zurückliegende Inflation, liegt aber unter der aktuellen. Dadurch ergeben sich gegenwärtig Reallohnverluste, für 2023 sollte es auf Basis der WIFO-Inflationsprognose (6,5 %) mit diesem Abschluss dennoch zu realen Lohnzuwächsen kommen.
2. Welchen Effekt hätten die vorgeschlagenen Einmalzahlungen?
Hans Karl Schaller
Sie sind nicht nachhaltig. Bei einem einmaligen Abtausch mit einer Einmalzahlung ohne prozentuelle nachhaltige Erhöhung wäre dies bei einem Einkommen von 3.200 Euro brutto ein Verlust von 66.000 Euro in 20 Jahren.
Rainer Trefelik
Einmalzahlungen haben für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer heuer einen besonderen Vorteil, weil sie brutto für netto sind. Bei einem gesplitteten Modell eines KV-Abschlusses kommt sogar netto mehr heraus als bei einer reinen Erhöhung der KV-Tafel. Das heißt, abgabenfreie Einmalzahlungen stärken (jetzt) die Kaufkraft und belasten die Unternehmen dennoch nicht über Gebühr, sie sind somit ein hervorragendes Instrument in Krisenzeiten. Genau aus diesem Grund hat die Regierung die Möglichkeit der Prämienzahlungen geschaffen.
Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich. (Bild: WKO)
Benjamin Bittschi
Einmalzahlungen können steuerfrei bis zu 3.000 Euro »brutto für netto« ausbezahlt werden. Dies hat den Vorteil, dass Reallohnverluste unmittelbar abgedeckt werden und die Kaufkraft gestärkt wird. Nachteilig ist, dass es nicht zu dauerhaften Lohnerhöhungen kommt und die soziale Absicherung (u. a. Arbeitslosengeld, Pensionen) nicht berücksichtigt ist. Maßnahmen der Regierung mit ähnlichen Effekten (z. B. Teuerungsbonus), machen die Inanspruchnahme von Einmalzahlungen allerdings unattraktiver.
3. Besteht die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale?
Rainer Trefelik
Auch um keine Lohn-Preis-Spirale in Gang zu setzen, sind KV-Abschlüsse, die teilweise aus Prämienzahlungen bestehen, sinnvoll. Es ist ja davon auszugehen, dass wir uns derzeit in einer außergewöhnlichen Situation befinden und sich die Teuerung wieder einbremst. Auch die EU-Kommission hat prognostiziert, dass die Inflation in Österreich von heuer 8,7 Prozent auf 6,7 Prozent 2023 und 3,3 Prozent im Jahr 2024 zurückgehen wird. Wenn man jetzt nachhaltig sehr hoch abschließt, dann kurbelt das allerdings die Inflation an.
Hans Karl Schaller
Nein, eher eine Gewinn-Preis-Spirale durch Spekulation und Gier der Anbieter, gerade im Energiebereich.
Benjamin Bittschi
Solange die Gepflogenheiten der österreichischen Lohnverhandlungen unverändert bleiben, ist die Entstehung einer Lohn-Preis-Spirale unwahrscheinlich. Dazu zählt erstens, die Inflation der zurückliegenden zwölf Monate als Basis der Lohnverhandlungen heranzuziehen, und zweitens, dass im Durchschnitt die Lohnabschlüsse nicht über die Inflation plus die Steigerungen der gesamtwirtschaftlichen Produktivität hinausgehen.
Benjamin Bittschi, Senior Economist am WIFO. (Bild: Alexander Müller)
(Titelbild: iStock)