Der Bausektor wird für 38 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich gemacht. Vor allem die Herstellung von Rohstoffen und bestimmten Produkten ist sehr energieintensiv. Österreichische Branchenvertreter treiben mit Pilotprojekten die Dekarbonisierung voran.
Es ist ein wichtiger Schritt in eine CO2-neutrale Zukunft. Mit der Inbetriebnahme einer neuen CO2-neutralen Produktionslinie von Ziegelriemchen am Standort Kortemark in Belgien setzt die Wienerberger AG, größter Ziegelproduzent weltweit, einen Meilenstein auf dem langen Weg zur Klimaneutralität. Basis sind ein Elektrobrennofen und ein Trockner, die aus erneuerbaren Energien gespeist werden, sowie eine einzigartige Formtechnik.
Bisher wurden Ziegelriemchen durch Sägen von Ziegeln hergestellt, wobei zwangsläufig Restabfälle anfielen. Der Materialverbrauch wird durch die neue Technik verringert: Die Produktion liefert handgeformte Ziegelriemchen mit hoher Maß- und Formstabilität, ideal für die Fertighausindustrie. »2021 betrug der Anteil aus innovativen Produkten bereits ein Drittel unseres Gesamtumsatzes. Die erste CO2-neutrale Produktionslinie – ohne den Einsatz fossiler Energie – steht für die konsequente Umsetzung unserer ESG-Strategie«, sagt Wienerberger-CEO Heimo Scheuch. Eine Photovoltaik-Anlage am Standort liefert ein Viertel der benötigten Energie, der Rest wird mit 100 Prozent Ökostrom ergänzt.
Angesichts der 197 Produktionsstandorte der Wienerberger-Gruppe ist die klimaneutrale Ziegelherstellung in Belgien erst ein kleiner Schritt. Es braucht weitere Maßnahmen in der Rohstoffgewinnung, im Transport und Vertrieb. Für die Ziegelriemchen wurde eigens eine effiziente Kreislaufverpackung entwickelt. Ab 2023 sollen alle neuen Produkte zur Gänze recycelbar oder wiederverwertbar sein.
In Belgien produziert Wienerberger CO2-neutrale Ziegel. (Bild: Wienerberger AG)
CO2 als Rohstoff
Auch Zement, das wichtige Bindemittel für Beton, galt lange Zeit als Klimasünder. Das Brennen des Zementklinkers, bei dem Kalkstein und Ton auf 1.450 Grad erhitzt werden, ist jener Prozess, der die meisten Emissionen verursacht. Die österreichische Zement- und Betonindustrie folgt bis 2050 einer eigenen Roadmap, um ihren Beitrag zur Erreichung der Pariser Klimaziele zu leisten.
In den letzten zehn Jahren investierte die Branche rund 400 Millionen Euro, um den CO2-Ausstoß zu verringern. Fossile Brennstoffe wurden zu 80 Prozent durch Alternativen ersetzt und die Energieeffizienz sukzessive gesteigert. Der Klinkeranteil im Zement – derzeit 69 Prozent – soll noch weiter gesenkt werden. Möglich ist das durch die Beimengung von Zumahlstoffen wie Flugasche aus Kohlekraftwerken oder Hochofenschlacke aus der Eisenerzeugung. Auch hier wird mit möglichen Ersatzstoffen, z. B. Dolomit oder calzinierten Tonen, geforscht, da Hüttensand immer weniger verfügbar ist. Als »Zement der Zukunft« gilt »CEM II/C« mit nur noch 50 Prozent Klinkeranteil.
Der bahnbrechende Faktor in der Roadmap ist jedoch die Abtrennung von CO2 im Zementerzeugungsprozess. Im Sinn einer weiterlaufenden Wertschöpfungskette wird aus dem klimaschädlichen Abfallprodukt ein wertvoller Rohstoff für die Industrie. »Carbon-2-Product-Austria (C2PAT) ist ein Pilotprojekt, in dem unter Verwendung von erneuerbar hergestelltem Wasserstoff aus dem abgeschiedenen CO2 Kunststoffe hergestellt werden«, erläutert Sebastian Spaun, Geschäftsführer der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie (VÖZ). Möglich wird dieses Musterbeispiel einer Kreislaufwirtschaft in großem Stil durch eine Kooperation von LafargeHolcim, OMV, Borealis und Verbund.
Mit einer erst kürzlich vereinbarten Zusammenarbeit streben der Technologiekonzern Andritz und die Altstoff Recycling Austria AG (ARA) eine deutliche Erhöhung der Ersatzbrennstoffraten und eine erhebliche Reduktion des CO2-Ausstoßes von Mitverbrennungsanlagen wie z. B. Zementwerken an. Das Herzstück der innovativen Lösung ist der Andritz ADuro F-Schredder, der Ersatzbrennstoffe (EBS) auf eine sehr feine Partikelgröße zerkleinert. »Wir drehen an allen Stellschrauben, um die Recyclingquote von Kunststoffverpackungen zu erhöhen und so viele Verpackungen wie möglich im Kreislauf zu halten«, sagt ARA-Vorstandsvorsitzender Christoph Scharff. »Dennoch gibt es einen Anteil an Verpackungsmaterialien, der leider nicht mehr dem Recycling zugeführt werden kann, weil er vermischt oder zu stark verunreinigt ist. In der Kooperation mit Andritz haben wir einen Weg gefunden, diese Restfraktion noch besser und nachhaltiger zu verwerten.«
Urbane Hitzeinseln
Intensiv geforscht wird auch im Bereich Carbonatisierung. Dabei will man sich den Effekt der CO2-Senke zunutze machen: Wenn Beton der Luft ausgesetzt ist, bildet er sich wieder zu Kalkstein zurück und bindet dabei das Treibhausgas – ein natürlicher Prozess, der bei der Bewertung über den gesamten Lebenszyklus berücksichtigt werden muss. Salzburger und Schweizer Wissenschaftern gelang es, Abbruchbeton in großen Behältern mit hochkonzentriertem CO2 zusätzlich anzureichern. Der Beton bindet das Kohlendioxid in den feinen Poren seiner Oberfläche. Das somit »veredelte« Granulat wird in der Produktionskette für frischen Beton zugeführt und ersetzt dort Sand und Kies.
Salzburg Wohnbau errichtet damit eine neue Wohnhausanlage im Tennengau. In einem Kubikmeter Beton können derzeit zehn Kilogramm CO2 gebunden werden – diese Menge soll sich noch vervielfachen. Im Kies- und Recyclingwerk Ehrensberger in Tenneck werden künftig täglich 100 bis 120 Tonnen Recyclingbeton mit CO2 angereichert. Dabei soll auch beobachtet werden, wie sich die Beimischung des Granulats auf verschiedene Betonqualitäten auswirkt. Das Kohlendioxid stammt als Abfallprodukt aus einer Bioethanolanlage in Tulln und wird für den Transport verflüssigt. Beim Projekt »CO2 max« mit an Bord ist auch das Betonwerk Deisl aus Hallein, die wissenschaftliche Begleitung übernimmt die Bautechnische Versuchs- und Forschungsanstalt Salzburg (bvfs).
Über den Herstellungsprozesses hinaus gehen Überlegungen zu nachhaltigen Gebäudelösungen, die das Potenzial von Beton als Energiespeicher – Stichwort: Heizen und Kühlen in multifunktionalen Bauteilen – besser ausschöpfen sollen. Beim Thema Überhitzung der Städte nimmt Beton eine Schlüsselrolle ein: Helle Flächen reflektieren Sonnenstrahlen bekanntlich stärker statt die Wärme zu absorbieren und mindern damit den sogenannten »Urban Heat Island Effect«, also die Bildung urbaner Hitzeinseln. Mit Betonpflastersteinen und Drainbeton lassen sich Plätze und Wege so gestalten, dass Regenwasser nicht ungenutzt in die Kanalisation abfließt, sondern zur Bewässerung von Grünflächen, Pflanztrögen und Baumgruben dient. In »Cooling Parks« kühlt die Verdunstung des Wassers die Umgebung. Das Austrian Climate Ressearch Program (ACRP) entwickelt am Beispiel der drei Pilotstädte Salzburg, Klagenfurt und Mödling Anpassungsmaßnahmen wie diese, um die Lebensqualität in der heißen Jahreszeit zu verbessern.